Interview mit Ulrich Ladurner
Im Winter 2009 von Margareth Bernard
Ulrich Ladurner, geboren 1962 in Meran, studierte von 1985 bis 1990 Politwissenschaft und Geschichte in Innsbruck. Seit 1999 ist er außenpolitischer Redakteur der Hamburger Wochenzeitung "DIE ZEIT" mit den Berichterstattungsgebieten Balkan, Pakistan, Afghanistan, Lateinamerika, Iran und Irak. 1994 erhielt er den Claus Gatterer Preis. Er lebt in Hamburg. Vor einem Monat stellte er in der Stadtbibliothek Meran sein neues Buch „Solferino“ vor.
Der Meraner Stadtanzeiger führte mit Ulrich Ladurner ein Gespräch.
Zieht es Sie immer wieder einmal nach Meran?
Ulrich Ladurner: Ja, ich bin in der Carduccistraße aufgewachsen und habe also in Meran meine Kindheit und Jugend verbracht.
Wohin verschlug es Sie nach dem Studium?
Ulrich Ladurner: Ich habe relativ spät mit dem Studium begonnen, nämlich mit 24. Nach dem Studium in Innsbruck war ich sechs Jahre in Wien, dann in der Schweiz und in Rom und bin seit zehn Jahren in Hamburg bei der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Sie erhielten schon früh den Claus Gatterer Preis.
Ulrich Ladurner: Im Jahre 1994 erhielt ich diesen Preis für eine Sendung im ORF 1 mit dem Titel „Todesmärsche ungarischer Juden“, in der es um Juden ging, die im Winter 1944 nach dem Zusammenbruch der Ostfront in das Konzentrationslager Mauthausen geführt werden sollten, mit der Absicht sie dort zu töten. Das waren Todesmärsche im wahrsten Sinne des Wortes, denn es sollten möglichst wenige dort ankommen, weil Mauthausen – nach Diktion der Nazis - zu wenig „Tötungskapazität“ hatte. Viele starben an Hunger und Erschöpfung oder wurden unterwegs erschlagen. Dass Kanonikus Michael Gamper nach dem Krieg vom Todesmarsch der Südtiroler sprach, fand ich im Vergleich zu diesen Todesmärschen immer etwas frivol.
Ihr Einsatzgebiet sind Kriegs- und Krisengebiete.
Ulrich Ladurner: Das hat sich so ergeben. Mit den Aufgaben wuchs das Interesse. In den 90er-Jahren war ich bis zum Kriegsende am Balkan. Dort gab es immer wieder auch brenzlige Situationen. Aber in Krisenregionen ist das nichts Außergewöhnliches. Ich war in Belgrad, als die Stadt bombardiert wurde. Im September 1999 ging ich nach Hamburg, war zwei Jahre Berichterstatter für Lateinamerika und berichte seit den Attentaten 2001 aus Afghanistan, Pakistan, Iran und Irak.
Suchen Sie sich die Region bzw. den Staat für Ihren Einsatz selbst aus?
Ulrich Ladurner: Nicht ganz, es gibt Zuständigkeiten, die auf mehrere Personen verteilt sind, um möglichst die Berichterstattung aus allen Gebieten abzudecken.
Bleibt da Platz für eine Familie?
Ulrich Ladurner: Ja, ich habe zwei Kinder, die in Hamburg leben.
Wie werden Sie mit den bedrückenden Kriegserlebnissen fertig?
Ulrich Ladurner: Wenn ich in den Kriegsgebieten arbeite, bin ich zwar mittendrin, bin aber privilegiert, weil ich zu jeder Zeit ein Rückflugticket lösen kann. Ich kann nach Meran kommen, im Cafe sitzen und einen Capuccino trinken. Die Menschen dort aber müssen mit der Situation leben, deshalb wird das, was man selbst empfindet und erlebt, relativiert. Ich stehe nicht gern im Zentrum, denn die Menschen, von denen ich berichte, sollen im Mittelpunkt stehen. Was sich ändert, ist der Blick auf die Gesellschaft, in der man lebt, zum Beispiel auch der Blick auf Südtirol. Ich wundere mich über die Sorgen mancher Menschen, auch wenn sie denen selbst wichtig erscheinen und sie sicher auch erst genommen werden müssen. Doch viele Probleme relativieren sich und man wird kritischer, wenn man in Afghanistan war. Ich kann vieles hier nachvollziehen, auch wenn es sichtlich Wohlstandsprobleme sind.