„Mein Ziel ist, die Vielfalt der Flora erlebbar, erkennbar und vertraut zu machen.“
Im Herbst 2020 von Eva Pföstl
Es gibt wenige, die Merans Flora besser kennen als Wilhelm Mair. Seit 10 Jahren zeichnet er in unserer Zeitung verantwortlich für die Rubrik „Botanischer Spaziergang“. In all den Jahren seit Erscheinen des Meraner Stadtanzeigers hat er über 235 Artikel veröffentlicht und dabei mehr als 630 Pflanzenarten beschrieben. Sein Enthusiasmus für die Pflanzenwelt und die Art und Weise, wie er über botanische Themen berichtet, führte seit Anbeginn zu einem regen Interesse an seiner Rubrik. Selbst Leser ohne eigenen „grünen Daumen“ fesselt der Hobbybotaniker und vermittelt auf leicht verständliche Art und Weise auch Laien sein Fachwissen. Neben der detaillierten Darstellung der Pflanze beschreibt Wilhelm Mair jeweils aktuelle und historische Orte des Vorkommens sowie die typischen Lebensräume, Häufigkeiten und spezielle Eigenheiten. Und das alles mit schönen Fotos und dem Blick für Details.
In einer Zeit rasanter Veränderungen unserer Umwelt sind die Beiträge von Wilhelm Mair auch eine sehr wertvolle Dokumentation für die Zukunft – beispielsweise im Hinblick auf Veränderungen der Pflanzenwelt durch den Klimawandel oder die sogenannten Neophyten, d.h. aus anderen Ländern oder gar anderen Kontinenten eingewanderte bzw. eingeführte Pflanzen, die in ihrer neuen Umgebung auch ohne menschliches Zutun heimisch geworden sind.
Wir wollten von Wilhelm Mair Genaueres über seine Arbeit erfahren und haben ihn zu einem Gespräch eingeladen.
MS: Wilhelm, du hast Mikrobiologie und Botanik an der Universität Innsbruck studiert, warst dann hauptberuflich in der Lebensmittelindustrie tätig. Verrate uns bitte den Ursprung deiner botanischen Leidenschaft.
W. Mair: Bereits während meiner Studienzeit an der Uni machte ich mir Gedanken über meine beruflichen Möglichkeiten. Für den Fall, dass ich in den Lehrerberuf einsteigen sollte, dachte ich daran, mich mit der Pflanzen- und Pilzwelt näher zu befassen. Als Student habe ich Pilzbestimmungsbücher eines italienischen Verlages unter Aufsicht meines Professors ins Deutsche übersetzt, über Pflanzen zu schreiben habe ich erst begonnen, als ich meine berufliche Laufbahn beendet hatte. Helmuth Tschigg lud mich dann ein, im Meraner Stadtanzeiger die mannigfaltige Flora Merans zu beschreiben und mit Bildern zu bereichern.
MS: Was macht Meran im botanischen Bereich so speziell?
W. Mair: Aufgrund der Besonderheit und Vielfalt der geomorphologischen und klimatischen Gegebenheiten beherbergt Südtirol und ganz besonders die Meraner Gegend eine äußerst artenreiche Flora. In Südtirol sind gut 2.500 Arten an Farn- und Blütenpflanzen nachgewiesen. Somit beherbergt unser Land mit 0,07 % der Gesamtfläche des Kontinents fast ein Fünftel der bekannten Flora Europas.
Das Meraner Becken ist nach Norden durch die bis 3.000 m hohe Gebirgskette der Texelgruppe von den rauen Nordwinden abgeschirmt und durch das nach Süden offene Etschtal kann ausgeglichen warme Luft ins Becken eindringen. Das im Herbst, Winter und Frühling herrschende besondere Meraner Klima ermöglicht einheimischen wärmeliebenden und mediterranen immergrünen Pflanzen, gut zu gedeihen und zu überleben, besonders an den Trockenhängen des Küchelberges und in der Gilf. Viele auch an wärmeres Klima angepasste exotische Gehölze stammen aus Asien, Amerika, Nordafrika und Australien. Dieses reiche Angebot an Pflanzenarten ziert die vielen öffentlichen und privaten Parkanlagen und Promenaden, die als attraktive Naherholungszonen von vielen Einheimischen und Gästen genutzt werden. In Freiflächen kleiner Parkanlagen können die Bäume und Sträucher auch eine besondere Kulisse für kulturelle Veranstaltungen bilden.
MS: Nach welchen Kriterien wählst du die Pflanzen für die Beschreibung im MS aus?
W. Mair: Der Umstand, dass in Meran während des ganzen Jahres irgendein Kraut, Strauch oder Baum blüht und duftet oder sonst ein auffallendes Merkmal zeigt, bestimmt die Wahl, welche Pflanze für die Veröffentlichung im MS vorbereitet wird, zumal ich bestrebt bin, die Pflanzen während ihrer Blütezeit oder wenn sie auffällige Früchte tragen vorzustellen.
MS: Hast du dafür eine bestimmte Vorgehensweise?
W. Mair: Zum einen suche ich die Pflanzen, die in der bestehenden Literatur mit Namen und Standort bekannt sind – wie Merans digitaler Baumkataster, K. L. Honeck: Merans südländischer Pflanzenschmuck, F. Ladurner u.a.: Schenk Meran einen Baum –, mache die Fotos und bereite die Beschreibung vor. Weiters habe ich bei den Wanderungen in den Parkanlagen und Promenaden meistens den Fotoapparat mit. Von interessanten, mit besonderen Blüten, Blättern und Früchten ausgestatteten Pflanzen mache ich die Fotos und versuche, sie zuhause mit Hilfe von Fachbüchern zu bestimmen und zu benennen. Wenn notwendig, wende ich mich an die Botaniker der Stadtgärtnerei oder an die Fachleute am Naturmuseum in Bozen. Manchmal erlaube ich mir einen Blick in private Gärten, die oft besondere botanische Kleinode bergen.
MS: Wie gehst du bei der Beschreibung der Pflanzen vor?
W. Mair: Die Beschreibung der Pflanzen erfolgt mit Hilfe von Fachbüchern, z.B. Flora helvetica, A. Bärtels, G. Krüssmann, u.a. sowie Berichten im Internet – Wikipedia u.a., die Merkmale beschreiben und gute Fotos zum Vergleichen anbieten. Ich beschränke mich darauf, die wesentlichen Merkmale anzuführen und auf Besonderheiten hinzuweisen. Für die Deutung der botanischen Namen und deutschen Bezeichnungen gibt es einschlägige Literatur. Das ganze Wissen über Pflanzen kann niemand im Kopf haben, wichtig ist nur zu wissen, wo gute und richtige Informationen zu finden sind – nach A. Einstein: Wissen heißt wissen, wo es geschrieben steht. Alle Pflanzen sind in der Fachliteratur ja schon ausführlich beschrieben, meine Arbeit besteht darin, die wesentlichen und an der Pflanze leicht erkennbaren Merkmale herauszupicken, zu prüfen und in den Text einzubauen.
MS: Die schönen Fotos, die jeweils von den Pflanzen veröffentlicht werden, stammen auch von dir?
W. Mair: Ja, die Bilder stammen fast alle von mir, nur wenn mir für spezielle Einzelheiten kein geeignetes Foto gelingt, nehme ich es aus der Fachliteratur oder aus dem Internet.
MS: Welches Ziel hast du dir mit deiner Arbeit gesteckt?
W. Mair: Das Ziel meiner Arbeit ist, interessierten Leserinnen und Lesern des MS die Vielfalt der Flora in Meran und der näheren Umgebung erlebbar, erkennbar und vertraut zu machen und so einen kleinen Teil zur Umweltbildung beizutragen. Es finden nicht nur die großen, 100-jährigen Baumriesen Berücksichtigung, sondern auch die kleinen Pflanzen, die in ihrem Schatten wachsen und im Vorbeigehen oft übersehen werden. Man muss nur mit offenen Augen durch die Parkanlagen und Promenaden spazieren, um die Schönheiten der Natur zu finden. Ich und hoffentlich auch andere Pflanzenliebhaber/innen möchten möglichst viele Pflanzen mit ihrem Namen ansprechen können. Alle Pflanzenbeschreibungen sind unter meraner.eu/botanischer-spaziergang im Internet abrufbar.
MS: Zum Abschluss, hast du eigentlich eine Lieblingspflanze?
W. Mair: Es wäre unfair allen anderen Pflanzen gegenüber, wenn ich eine besondere Lieblingspflanze hätte. Denn jedes Kraut, jeder Strauch und jeder Baum haben ihren Reiz und ich bekomme durch die intensive Beschäftigung mit der Pflanze eine besondere Beziehung zu ihr.
MS: Danke für die interessanten Ausführungen!