Meran erlebt geradezu eine Art neue Gründerzeit
MS: Herr Pardatscher, Ihr Auftrag endet mit den Gemeinderatswahlen, da Ihr Auftrag an das Mandat des Bürgermeisters gekoppelt ist. Was ist Ihr Fazit, wenn Sie Ihre etwas über drei Jahre ausgeübte Tätigkeit als Stadtbaumeister Revue passieren lassen?
W. Pardatscher: Da ich denselben Auftrag von 2008 bis 2010 in Bozen innehatte, darf ich behaupten, dass die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Paul Rösch und den Stadträten sehr angenehm und fruchtbar war. Man hat mir fachlich jedwede Freiheit gewährt und mich in meinem Tun sehr unterstützt. Es gab sehr großes Vertrauen.
MS: Es wird erzählt, dass Sie einiges verändern konnten, dass Ihre, die dritte Abteilung, effizienter geworden sei. Woran, glauben Sie, liegt das?
W. Pardatscher: Da muss ich für jene, die mich nicht kennen, vorausschicken, dass ich ein etwas besonderes, eigentlich glückliches Curriculum aufweisen kann. Ich hatte in Wien an der Hochschule für Angewandte Kunst Architektur studiert, dort einige Jahre bei meinem Professor Wilhelm Holzbauer gearbeitet, um von Wien für fast sieben Jahre nach Trier als Dozent für Architekturentwurf zu wechseln, hatte dann über Jahre ein eigenes Architekturbüro (z.B. Gärten von Schloss Trauttmansdorff, Restaurant Sigmund), war dann Abteilungsdirektor in Bozen, eröffnete wieder mein eigenes Büro, ehe ich von Bürgermeister Paul Rösch zum sog. Stadtbaumeister berufen wurde. All diese Erfahrungen konnte ich mitbringen, das waren genauso fachliche wie zwischenmenschliche. Ich denke, dass es mir gelungen ist, mehr Ruhe und Harmonie in die Mannschaft zu bringen, aber auch Neugierde und Interessen an neuen Denk- und Arbeitsweisen zu wecken, nach dem Motto „think different but think big“.
MS: Was war für Sie neu, was konnten Sie in dieser Zeit lernen und erfahren?
W. Pardatscher: Absolut neu war für mich dieses beinahe grenzenlose Vertrauen seitens der Stadtregierung und die großen Aufgaben, die mir gestellt wurden. Wahrscheinlich das größte Lehrstück waren für mich die Projekte, die durch Partizipation seitens der Bevölkerung entwickelt wurden. Diese Arbeitsweise kannte ich nur in der Theorie, Paul Rösch und Madeleine Rohrer haben diese Arbeitsweise gefordert und unterstützt. Die Platzgestaltung in Sinich und die Dorfplatzgestaltung in Gratsch sind das Resultat partizipativer Prozesse. Weitere Projekte, ich denke z.B. an die Leopardi-, die Carducci-, die Garibaldi- oder die 24.-Mai-Straße wurden öffentlich vorgestellt, Wünsche und Anregungen aus der Bevölkerung konnten in diese Vorhaben einfließen.
MS: Ihre Abteilung umfasst viele Bereiche. Konnten Sie alle diese irgendwie gleichermaßen bedienen?
W. Pardatscher: Ich habe es versucht und ich denke, dass es mir einigermaßen gelungen ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass man nicht alles selbst machen kann, dass man gewissermaßen filtern muss. Bei meiner Rolle als Führungskraft geht es doch darum, Ideen und Konzepte zu erarbeiten, für die Details braucht es die Mitarbeiter, die man allerdings von Anfang an mit einbinden muss, also auch eine Art von partizipativen Prozessen oder sog. flache Hierarchie. Ohne diese wäre man absolut nutzlos, ähnlich einem Kapitän ohne Schiff. Natürlich war es für mich ein großer Vorteil, aus der Praxis zu kommen, ich hatte gelernt, in viele Richtungen zu denken, bei plötzlichen Problemen rasch umzudenken, nach neuen, spontanen Lösungen zu streben und schnell Entscheidungen zu treffen. Diese Eigenschaften sind sehr nützlich, ob das die Dienststelle für Bauerhaltung, das Amt für Straßenbau, die Mobilität oder die öffentlichen Arbeiten betrifft.
MS: In der Presse wurden Sie öfters als Projektverfasser zitiert. Gemeindeinterne Projekte sind für Meran ein Novum. Wieso dieser Wechsel und welche Projekte stammen aus Ihrer Feder?
W. Pardatscher: Es begann eigentlich mit ganz einfachen Notwendigkeiten, die z.B. die Stadtgärtnerei und die Bauerhaltung benötigten. Es waren kleine Projekte wie die Sissi-Kanzel oder die Bushaltestelle auf der Höhe der Bar Palma in der Cavourstraße, die Restaurierung des Schiedsrichterhauses am Tennisplatz und dergleichen mehr, die ich erledigte. Die Stadtväter, allen voran der kulturell versierte Bürgermeister Paul Rösch, haben schnell dieses Potential erkannt und gaben mir sukzessive diverse Projektentwicklungen als Jahresziele vor. Dabei hat sich die Stadtregierung sicher an das historische Stadtplanungsamt erinnert. Ende des 19. Jahrhunderts und weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde Stadtplanung vielfach durch die Kommune selbst betrieben. Für mich war es sehr reizvoll, hier anschließen zu dürfen. Die meisten von mir verfassten Projektideen gibt es zur sog. „sanften Mobilität“. Die Stadt hat inzwischen einige Straßen mit Radwegen, wie die Leopardistraße und den Naifdamm, umgestaltet. Weitere derartigen Vorhaben, wie die 4.-November-, die Garibaldi- oder die Gampenstraße wurden als Vorprojekte von mir verfasst und bereits genehmigt. Sie wurden zur Weiterplanung bereits vergeben. In Summe sind das mehrere Kilometer an neuen und überarbeiteten Radwegen. Es gibt aber auch Studien zu Kindergärten und dem „MIND“ für Startups in den großen Tribünen am Pferderennplatz. Das für mich intensivste Projekt war die städtebauliche Studie zum Mobilitätsknoten (Meran(o) - HUB) im Bereich des Bahnhofs.
MS: In den vergangenen Jahren wurden in Meran eine ganze Reihe von Bauprojekten umgesetzt. An welchen Bauvorhaben wird gerade geschmiedet bzw. was ist in Vorbereitung?
W. Pardatscher: In dieser Hinsicht erlebt Meran geradezu eine Art neue Gründerzeit. Denken wir an die Kavernengarage, an den EU-weiten Wettbewerb zum neuen Schulzentrum in Untermais, an das oben erwähnte Mobilitätszentrum, an die italienische Musikschule im Stift Stams, an den bevorstehenden Ankauf von San Nicolo für diverse Kindergartensektionen oder an den Kapuzinergarten. Noch nicht brandaktuell, aber dennoch in Vorbereitungsphase sind wir in Bezug auf die Übernahme des Kasernenareals. Mobilitätszentrum und Kasernenareal stellen epochale städtebauliche Entwicklungen dar. Um diesbezüglich zukunftsträchtige Ideen zu schmieden, werden gute Köpfe benötigt.
MS: Das sind große Unterfangen für die nächste Stadtregierung. Kann eine neue Mannschaft diesen gerecht werden?
W. Pardatscher: Ich denke schon, denn die Vorbereitungen dazu lassen sich sehen. Allerdings und das weiß ich aus eigener Erfahrung, benötigt man Zeit, um sich einzuarbeiten, das kann unter Umständen auch als verlorene Zeit, als Leerlauf erachtet werden. Fakt ist, mit den Wahlen kommt ein neuer Bürgermeister, eine neue Stadtregierung und mein Auftrag endet ebenso mit dieser Legislatur.
MS: Würden Sie Ihre Arbeit gerne fortsetzten?
W. Pardatscher: Ja, es wäre schön, all die Projekte weiter zu begleiten und zu vollenden. Eine Fortsetzung meines Auftrags hängt leider nicht nur von mir ab. Mit Paul Rösch und seinen Stadträten stimmt auch das Zwischenmenschliche. Das ist mir persönlich sehr wichtig, das stimuliert und treibt an, es ist wie eine Ehe auf Zeit. Das zeigen wohl auch die Resultate.
MS: Danke für das Gespräch.