„Meran hat Vorbildfunktion für das kulturelle Zusammenleben“
Lesezeit: 5 minIm Frühling 2021 von Eva Pföstl
Kultur in beiden Landesprachen spielt in Meran eine herausragende Rolle und hat südtirolweit eine Vorbildfunktion. Barbara Nesticò, ehemalige Kulturreferentin der Stadt Meran und Leiterin der italienischen Sektion der Stadtbibliothek, hat mit ihrem Einsatz und Engagement das kulturelle Leben unserer Stadt geprägt. Wir haben Sie zu einem Gespräch getroffen.
MS: Frau Nesticó, Sie waren die erste Direktorin der italienischen Sektion der Stadtbibliothek Meran. Welche Rolle hat eine Stadtbibliothek?
B. Nesticò: Früher gab es in Südtirol nur vereinzelte, von kirchlichen Institutionen geführte, bescheidene Bibliotheken, Heute finden wir dank eines Landesgesetzes von 1983 in allen 116 Gemeinden unseres Landes geräumige, funktionelle und architektonisch gelungene Bibliotheken – öffentlich genutzte Bibliotheken, Schulbibliotheken oder Einrichtungen mit gemischter Nutzung. Die Stadtbibliothek Meran ist eine Mittelpunktbibliothek für die deutsche und italienische Sprachgruppe und mittlerweile ein fester Bezugspunkt der Stadt. Besonders für die italienische Sprachgruppe war die Errichtung der Stadtbibliothek sehr wichtig, denn es gab Anfang der 1980er-Jahre wenig kulturelle Initiativen auf italienischer Seite. Heute hat sich die Situation zum Glück geändert.
MS: Wie gestaltet sich eine Mittelpunktbibliothek?
B. Nesticó: Am Sitz der Meraner Stadtbibliothek sind die deutsche und italienische Abteilung unter einem Dach vereint und arbeiten gemeinsam an Aktionen und Projekten. Im Laufe der Jahre haben wir mit großer Leidenschaft gemeinsam viele neue Angebote initiiert – von Leseförderung für Kinder und Erwachsene bis hin zu Konferenzen und Präsentationen, um nur einiges zu nennen. Es war nicht immer einfach, aber diese Zusammenarbeit hat sich bewährt. Heute können wir mit Stolz auf eine Bibliothek blicken, die eine wichtige Rolle im kulturellen Leben der Stadt spielt und Anlaufstelle für Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen geworden ist.
MS: Wo besteht Handlungsbedarf?
B. Nesticó: Die Aufenthaltsqualität wird in Bibliotheken ein zunehmend wichtiger Faktor. Zudem haben sich die Anforderungen von Bibliotheksnutzern in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Es lässt sich feststellen, dass die Einrichtungen verstärkt als Lern-, Arbeits- und Aufenthaltsorte genutzt werden und als Anlaufstelle für Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie für alle Aspekte des individuellen, lebenslangen Lernens (u.A. Förderung der digitalen Kompetenz). Darauf muss auch unsere Stadtbibliothek reagieren. Sie ist mittlerweile zu klein und es braucht dringend eine neue Struktur und mehr Personal.
MS: 2003 wurden Sie zur Abteilungsleiterin der Gemeinde für die Kultur ernannt. Welches waren die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit?
B. Nesticó: Es gab natürlich viele Bereiche, die meine Aufmerksamkeit erforderten. Besonders stolz bin ich auf die Eröffnung des Palais Mamming im Jahre 2005. Unser Stadtmuseum ist ein Spiegel der Stadtkultur, nicht nur in historischer Perspektive, sondern auch in ihrem Gegenwartsbezug, der sich u. a. in den Sammlungen, in den Ausstellungsthemen und in den Vermittlungs- und Kommunikationsformen des Museums niederschlägt.
MS: Welchen Herausforderungen muss sich unser Stadtmuseum stellen?
B. Nesticó: Museen stehen immer vor Herausforderungen. Für die Gemeinden bilden sie heute eine wichtige Kultureinrichtung, in der die gesellschaftlichen Entwicklungen im Spannungsbogen zwischen Geschichte und Gegenwart bearbeitet und präsentiert werden: Nicht allein die Präsentation der Sammlungen prägten das Profil des Hauses; Palais Mamming versteht sich auch als Bildungsinstitution und zentraler Begegnungsort des 21. Jahrhunderts. Eines der Hauptanliegen ist es, ein „Museum für alle“ zu schaffen. Die Institution ist bereits verstärkt mit der Stadtbevölkerung in einen Dialog getreten, den es zukünftig noch weiter zu intensivieren gilt. Und aus diesem Grunde ist die Finanzierung des Stadtmuseums keine Subventionierung, sondern eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft – kulturpolitische Notwendigkeit. Diesbezüglich ist auch eine adäquate Personalstruktur notwendig. Mit drei fixen Mitarbeitern, wie wir sie derzeit im Palais Mamming haben, kann diese wichtige Aufgabe nicht garantiert werden. Um künftig besser Museumsarbeit für eine kulturell vielfältige Gesellschaft zu leisten, braucht es mehr Mitarbeiter und auch mehr Anerkennung für die Arbeit, die hinter den Kulissen geleistet wird.