Zwölf Uhr mittags am Sandplatz
Im Sommer 2010 von Gudrun Esser
Einen Säugling im Kinderwagen und ein müdes Kindergartenkind an der Hand, so wollte Renate Clara mit dem Stadtbus der Linie 3 nach Hause fahren. Der Busfahrer jedoch ließ sie in der Mittagshitze stehen.
Anfang Juli, es ist kurz vor 12 Uhr mittags, Renate Clara holt ihren dreijährigen Sohn Johannes vom Sommerkindergarten in der Altstadt ab, gemeinsam mit Töchterchen Elisabeth. Elisabeth ist knapp vier Monate alt und schläft selig in ihrem Kinderwagen. Sohn Johannes ist auch müde. Der SASA-Stadtbus der Linie 3 startet an der Ecke Freiheitsstraße Sandplatz, nur fünf Minuten vom Kindergarten entfernt und fährt fast bis vor die Haustür der Familie. Bequem, umweltfreundlich, schnell.
Aber Renate darf um 12.06 Uhr nicht in den Bus einsteigen. Kinderwagen darf der Busfahrer nur noch dann mitnehmen, wenn sein Bus eine entsprechende Einrichtung hat, nämlich einen Stellplatz mit Anschnallgurt, oder wenn der Kinderwagen zusammengeklappt wird.
Renates Kinderwagen lässt sich nicht zusammenklappen, sie bleibt mit ihren beiden Kindern in der Mittagshitze an der Haltestelle zurück. Um 12.21 Uhr hält der nächste Bus der Linie 3. Weder der Busfahrer weiß, ob dieser Bus einen Kinderwagenparkplatz hat, noch kann man diese Information dem Fahrplan entnehmen. Renate wartet. Auch der Bus um 12.21 Uhr hat keinen Stellplatz. In den nächsten Bus der Linie 1 darf sie schließlich einsteigen. So ist wenigstens die erste Reiseetappe geschafft, nämlich bis zum Brunnenplatz in Obermais. Hier müssen sie umzusteigen, wiederum in den Bus der Linie 3. Nur noch drei Haltestellen vom Ziel entfernt, darf sie aber wiederum in zwei weitere Busse nicht einsteigen.
12.45 Uhr, die Sonne steht fast im Zenit, Johannes ist inzwischen quenglig, auch Renate ist todmüde. Des Wartens überdrüssig, entschließt sie sich, den Kinderwagen vor sich herschiebend, den Dreijährigen im Schlepptau, das letzte Stück Heimweg zu Fuß zu bewältigen.
Als sie zu Hause ankommt, ist es 13.15 Uhr. Hätte sie den Bus um 12.06 Uhr nehmen dürfen, wäre die planmäßige Ankunft 12.14 Uhr gewesen.
Hintergrund des Ärgernisses ist eine Sicherheitsmaßnahme laut Straßenverkehrskodex. So ist am 31.08.2009 der Beschluss der Landesregierung, (Nr. 2193, Artikel 24) in Kraft getreten, eine Sicherheitsmaßnahme, die sich gleichermaßen auf Rollstühle wie Kinderwagen bezieht. Busse müssen also sowohl mit einem Stellplatz als auch mit Sicherheitsgurten ausgestattet sein.
Obwohl der Beschluss bereits vor einem Jahr in Kraft getreten ist, fahren auf der Linie 3 in Meran bei Weitem nicht ausreichend Busse mit entsprechender Vorrichtung, noch informieren Fahrplan oder Broschüren der SASA oder der Landesabteilung für Mobilität ausreichend über die Abfahrtszeiten der Busse mit Stellplatz.
Der Meraner Bürgermeister Günther Januth hat eine große Passion: Ein gut funktionierendes Verkehrskonzept zur Entlastung von Umwelt und Bevölkerung. Verschiedene Instanzen wollen in Zusammenarbeit mit der Zeitbank die Rhythmen der Stadt in Einklang bringen, besser koordinieren. Das Phänomen Buslinie 3 scheint ein deutliches Hindernis einer solchen Initiative zu sein. Günther Januth weiß bereits von den Schwierigkeiten der Eltern und Rollstuhlfahrer. Daher habe er das Thema Kinderwagen am 13. Juli dem Ausschuss der Gemeinde vorgelegt, auch habe der Stadtrat prompt eine Eingabe beim Land beschlossen.
“Das Land hat gute Investitionen in den öffentlichen Verkehr getätigt,“ sagt Januth. In Bozen führen derzeit 70% der Busse mit Gas, in Meran 45%. „Alles eine Frage des Geldes“, sagt Januth. Das Investitionsprogramm müsse sicher noch einmal klar definiert werden, auch um in Meran zukünftig noch mehr umweltfreundliche, barrierefreie, mit Methangas betriebene Busse (sog. Niederflurbusse) einsetzen zu können. Aufgrund des Landesgesetztes übernehme das Land hundert Prozent der Kosten. Als Bürgermeister müsse er beide Seiten sehen, die finanzielle Situation des Landes sowie die berechtigten Einwände der Eltern und Rollstuhlfahrer. Da die Gemeinde jedoch über nicht genügend Mittel für eigene Busse verfüge, bleibe nur die Vermittlungsarbeit, ergänzt Günther Januth. Die derzeitige Situation solle jedoch schon bald verbessert werden, denn der verantwortliche Generaldirektor der SASA, Felix Rampelotto, spräche von einer derzeitigen Übergangslösung.