... summertime ...
Im Sommer 2013 von Verena Maria Hesse
Keine Angst, ich quäle Sie heute nicht mit Muttertagskonflikten, Wohnungsgestaltungsdiskussionen, der Berichterstattung über Fahrten ins schwedische Möbelhaus, Grundsatzüberlegungen zum Thema Heiraten oder Geschenkideen für Weihnachten.
Ich rede heute nicht über die Liebe, schwelge nicht in persönlichen Reiseerinnerungen und belehre Sie nicht, ich erhebe heute nicht die Stimme, weil ich das Gefühl habe, mir platzt sonst der Kragen und ich versuche, meinen „aggressiven“ Tonfall ausnahmsweise ein wenig zu drosseln.
Ich werde heute den Versuch starten, nicht so zynisch zu sein und ein wenig mehr Einfühlungsvermögen an den Tag zu legen, ich werde nicht über schlecht angezogene Touristen debattieren und auch nicht über die grundsätzliche Geschmacksverirrung unserer Tage – o.k., vielleicht ein bisschen.
Ich werde Ihnen etwas erzählen: Ich gehe in der Mittagspause meistens ins Freibad.
Ich meine, man hat im Sommer die Wahl zwischen einer finsteren-kühlen und einer hellen-heißen Wohnung und man kann sich auf der Couch von einer Seite auf die andere wälzen und sich auf der, die sich in der Luft befindet, dann jeweils trocknen lassen. Auch ein Konzept, finde ich, nur entscheide ich mich dann doch eher fürs öffentliche Freibad.
Dort verbringe ich die arbeitsfreie Zeit mit meiner Tochter, plansche ein wenig mit ihr im kühlen Nass herum und erfreue mich des Sommers, ich atme die heiße Luft ganz tief ein und halte meine (dieser Tage) orange lackierten Zehennägel ins Kinderbecken, ich lasse mir den Rücken von der Sonne wärmen, esse frisches Obst und trinke kaltes Wasser und wenn ich dringend eine Pause benötige, dann gönn ich mir ein „Cornetto“ in der Schwimmbadbar.
Dort sitzen dann Menschen, bei denen ich mich manchmal wundere, weil ich sie so ganz anders kenne. Ich kenne sie mit Anzügen und Business-Outfits, mit geschlossenen Schuhen und zurechtgemachten Haaren. Ich kenne Sie Macchiato trinkend und distanziert, ich kenne sie zugeknöpft und „in Bereitschaft“.
Und dann sitzen sie da: hemmungslos mit einem Veneziano, rauchen MS und braten in der Sonne, lachen ungeniert über den neuerlichen Verlust beim Kartenspielen, die Zehennägel gelb, – vermutlich Nagelpilz – die Achseln schlecht rasiert, der Schweiß tropft ihnen von der Stirn.