Die erste große Reise
Im Sommer 2013 von Verena Maria Hesse
Jetzt bereiten sich die jungen Dinger alle auf die Aufnahmeprüfungen vor – der Numerus clausus ist ja leider eh schon gelaufen – sie lernen Dinge, die sie für ihren neuen Lebensweg (wohl) benötigen werden und sie sind aufgeregt, weil sie im Herbst studieren gehen und von zuhause ausziehen.
Sie beginnen eine neue, eine unglaublich spannende und sehr prägende Etappe ihres Lebens.
Sie suchen im Internet nach WGs und sind hin- und hergerissen zwischen Wohnen mit der Freundin oder Sich-auf-ein-Abenteuer-Einlassen, sie orientieren sich an Erfahrungswerten ihrer Eltern, ihrer großen Geschwister und ihrer Idole aus dem Freundeskreis.
Ach du meine Güte, ich erinnere mich noch an den Sommer, als ich vor all diesen Entscheidungen stand. Ich entschied mich für ein Studium, für das ich praktisch keine Vorkenntnisse mitbrachte, ich entschied mich für eine Stadt, in der ich noch nie zuvor gewesen war, und ich kannte nur ein Mädchen, das denselben Weg einschlagen wollte wie ich – jedoch mit viel mehr Plan und Vorwissen als ich selbst.
Wir stiegen im August ins Auto ihres Vaters und fuhren nach Graz. Ich wollte mir in drei Tagen eine Wohnung suchen dort, was mir erstaunlicherweise auch glückte, die Wohnung war zwar das größte Abenteuer der ganzen langen Reise, aber egal.
Es regnete in Graz, es war kalt und finster, alles war fremd und so gar nicht einladend und spannend, das Gefühl der großen Freiheit, die vor uns liegen sollte, verwandelte sich alsbald in ein banges, wir hatten weiche Knie und Angst vor dem Abnabelungsprozess, wir waren, als wir auf dem Rückweg durchs Pustertal fuhren, so gut gelaunt wie nie vorher auf dieser Fahrt. Daheim ist einfach anders. Daheim gibt es immer jemanden, der einem aus der Patsche hilft, daheim ist ein warmes Nest, egal ob man eine Prüfung nicht geschafft hat oder nachts hungrig und müde heimkommt, daheim ist jemand, der einen kennt, der weiß, wie man tickt und der frischen Obstkuchen bäckt, daheim ist das Klopapier nie aus und der Kühlschrank nie leer, daheim ist die Miete immer gezahlt und der Boiler nie kaputt.
Ende September dann der Aufbruch zur großen Reise.
Das erste Weinen mit der Mutter und der Schwester (das sich im Übrigen 11 lange Jahre nicht geändert hat, weil man wird niemals besser im Abschiednehmen, egal wie oft man es auch üben kann), Inskribieren, Bankkonto eröffnen, die ersten existentiellen Dinge bei Ikea checken.