Fifty shades of grey
Lesezeit: 3 minIm Herbst 2018 von Verena Maria Hesse
Manchmal glaubt man, eine Entscheidung verändert das ganze Leben. Und man setzt sich ganz unglaublich unter Druck damit, ob man wohl die richtige treffen wird. Nehmen wir als Beispiel die Ausbildung. Mit 14 denkt man, die Wahl der Schule bestimmt das ganze Leben. Spätestens mit – sagen wir 25 – merkt man, dass dem nicht so ist. Man hat sich zwar auf einen Weg begeben, aber es war nicht der einzige, vielleicht war es noch nicht einmal der richtige.
Er hat einen ein Stück weitergeführt, sozusagen zu einer neuen Kreuzung gebracht, und jetzt gabelt sich die Straße wieder und man muss wieder entscheiden und man wird wieder ein Stückchen weitergehen. Man wählt einen Partner, man entscheidet sich für eine gemeinsame Wohnung, inzwischen entscheidet man unendlich oft, wie man sich morgens anzieht, was man zu Mittag zu sich nimmt und wohin der nächste Urlaub geht. Man entscheidet, ob man abends auf dem Sofa rumlungert und bei Zalando Schuhe bestellt (und man wählt zwischen Adidas Stan Smith und Hogan Rebel) oder ob man zum Yoga geht oder zum Joggen, oder was trinken mit Freunden oder ob man bügelt oder sich die Nägel macht oder ob man endlich die Daunenbetten aus der Sommerresidenz zurückholt.
Und man entscheidet, ob man den Job wechseln soll oder ewig so weitermachen will wie bisher, ob man die paar Kilo nach den Kindern versucht abzuspecken oder sich damit abfindet, ob man die Haare natürlich ergrauen lässt oder den Ansatz weiterhin färbt. Man entscheidet, ob man die Wohnung, die man schon seit Jahren haben möchte, jetzt, wo die Gelegenheit sich bieten würde, kauft, oder ob man sich nicht verschuldet und in der Mietwohnung weiterlebt. Ob man sich stattdessen vielleicht ein neues Auto kauft, ein schnittiges, kleines für die Stadt, nach den Jahren mit Kindersitzen, Bröseln, Trinkflaschen und Beschäftigungsspielzeug in der Familienkarosse, ob man sich nochmal weiterbildet oder damit abfindet, dass man ganz einfach nicht mit der Technik groß geworden ist wie die heutige Jugend. Man wählt zig Male den Landtag, den Gemeinderat und die Elternsprecher in der Schule, man wählt die Arbeitsplatte in der Küche und den Sarg des Großonkels, man sucht sich die Semmeln beim Bäcker aus und die Tomaten am Bauernmarkt.
Unser ganzes Leben besteht aus Entscheidungen und ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, dass man mit den wirklich großen alleine dasteht. Alle geben einem Ratschläge, jeder weiß es besser und will helfen, aber am Ende des Tages sind wir selbst verantwortlich für das, wofür wir uns entschieden haben, wie auch immer, egal ob richtig oder falsch, weil ausbaden müssen wir es auch selber. Wir selbst gehen den Weg nach der jeweiligen Abzweigung, wir gehen dann ein Stück weiter, mit leichtem Gepäck oder einem großen Bündel, unbeschwert und leichtfüßig oder buckelig und mit Blasen an den Füßen.