Schloss Tirol – Beständigkeit und Wandel
Im Sommer 2021 von Veronika Rieder
Kunst KANN, und das Museum auf Schloss Tirol kann nicht nur das, sondern noch sehr viel mehr: Der vieldeutige Name für die leider zu Ende gegangene Schau gilt für das gesamte Museum auf Schloss Tirol. Besonders interessant fand ich die Lernwerkstatt. Jede/r Kunstschaffende hat zur Technik seines Kunstwerkes aus den Bereichen Malerei, bildende Kunst, Musik, Sprache eine Anregung gestellt, wie Besucher eigene Werke schaffen können. Diese intensive Auseinandersetzung ergänzt die gedankliche Ebene durch die praktische. Wie entsteht ein – mein – Werk? Was denke, erlebe, überlege ich während meines Kunstschaffens, was entdecke ich von mir, wie finde ich Zugang zu meiner Kreativität und wie kann ich sie am besten ausdrücken? Ein ideales Angebot auch für Schulklassen finde ich; hoffentlich gibt es wieder einmal Lernwerkstätten oder Ähnliches, mit denen der Bildungsauftrag eines Museums ohne den didaktischen Zeigefinger, aber sehr wirkungsvoll umgesetzt werden kann.
Was kann das Museum Schloss Tirol noch? Anders ausgedrückt: Ein Mangel eröffnet Freiheiten und Möglichkeiten. Die Zahl der eigenen Bestände ist gering, Einrichtungsgegenstände gibt es so gut wie keine. Das ist sozusagen der „Mangel“, der nebenbei die Sorge um ein Depot überflüssig macht. Genau deswegen sind Museumsleitung und Team nicht gebunden, sondern können ihre eigenen Ideen verwirklichen, Angebote von außen hereinholen. Das Budget erlaubt dies durchaus, wobei übrigens etwa die Hälfte aus Eigenmitteln besteht. Der erwähnte Vorteil birgt natürlich Herausforderungen, besonders wenn man nicht nur einkaufen, also Ausstellungen übernehmen, sondern eigene Ideen und Projekte umsetzen möchte. Zusätzlich zur Dauerausstellung über die Tiroler/Südtiroler Zeitgeschichte im Turm gibt es daher regelmäßig andere Angebote, vor allem aus dem Bereich der Kunst. Dies hat sich zum zweiten Standbein neben dem geschichtlichen entwickelt. Beiden ist oft gemeinsam, dass der Blick über Südtirol hinaus auf die Europaregion ausgeweitet wird, überregionale Themen und Beziehungen, Bezüge zwischen dem Bundesland Tirol, Südtirol und dem Trentino aufgezeigt werden. Südtirol ist ein lebendiger Ort, wo man der Geschichte begegnen kann, im Schloss Tirol wird dies nochmals verdichtet. Der namensgebende Symbolbau in Verbindung mit der Landschaft und der Ausstellung zur Landesgeschichte ist wirklich einen Besuch wert! Die Ausstellung wurde überarbeitet, eine gelungene Mischung aus historischen Dokumenten, literarischen Zeugnissen, Bildern, Interviews, Berichten, in die sich Besucher aufsteigend bis zum Obergeschoss des Bergfrieds vertiefen können. Leider sind gehbehinderte Personen davon ausgeschlossen, es gibt keinen Aufzug!
Schaut man sich die Zeitgeschichte-Ausstellung und die über Recht und Kirche im oberen Saal einmal an, ebenso die pracht- und wertvollen romanischen Portale und die zweigeschossige Kapelle mit der ältesten Darstellung des Tiroler Wappens sowie die Ausgrabungen, dann führt man vielleicht später Familie und Bekannte hin, aber dann? Das ist keineswegs abwertend gemeint, doch wenn Museum ein Ort der Begegnung, des Austauschs, ein Anziehungspunkt vor allem auch für einheimische Besucher sein soll, muss noch mehr geboten werden. Dieses „Mehr“ sind eben jährlich neue und auch während des Jahres wechselnde Ausstellungen größeren oder kleineren Formats. Im großen Saal finden 3 bis 4 Ausstellungen Raum, während die oberste Plattform des Turms zu einem „mythischen Ort“ gestaltet wurde, wie Museumsleiter Leo Andergassen es bezeichnet. Und wirklich, ich trete durch eine Tür, gleichzeitig Ein- wie Ausgang, in eine fast andere Welt, in der kein Geräusch, keine Einrichtung, keine Gegenstände mich von den in beidseitig zu besichtigenden Paneelen ablenkt. Dort zeigt gegenwärtig Elisabeth Oberrauch ihren Atlas, ihre „Bearbeitung“ verschiedener Landkarten, ohne Begleittext oder Erklärungen, denn sie wirken von selbst und führen vielleicht zu anderen Karten, die ich gesehen habe: geografische, politische, Wanderkarten, Landschaften, Karten meines Lebens …. Der Atlas gehört zur Schau „Symbol, Macht, Bewegung. Tirol im historischen Kartenbild“. Für das kommende Jahr ist wieder eine große Ausstellung geplant: 500 Jahre Weltumseglung, ebenso wie die nächste überregional, interdisziplinär und zeitübergreifend angelegt ….