„Feuer und Flamme“ für altes Handwerk
Besuch des Meraner Stadtanzeigers in Südtirols einziger Kunstgießerei
Im Frühling 2017 von Eva Pföstl
Stefan Dirler (*1987) hat die Passion und das Handwerk der Kunstgießerei von seinem Vater Vinzenz (*1952) mit auf den Weg bekommen. Sie sind die einzigen Meister der Metalle in Südtirol, welche mit viel Herzblut die Kunst des Metallgießens zu ihrem Beruf gemacht haben. Es ist ein gefährlicher Knochenjob. Doch die Mühe lohnt sich. Am Ende entstehen Unikate, die ihre Handschrift tragen. Damit führen sie nicht nur ein altes Handwerk fort, sondern sie schaffen auch Kunst für die Ewigkeit.
Leidenschaft in die Wiege gelegt
„Ich war und bin ein Sturschädel und wollte unbedingt Metallgießer werden. Mit acht Jahren traf ich meinen ersten Meister, den Weithaler-Wast beim Graf Pfeil, im Ansitz Kränzel, in Tscherms. Beim alten Meister faszinierten mich das Feuer und das ganze Drumherum. Er hat einen Ventilator gehabt, den man mit der Hand drehen musste. Den durfte ich dann drehen – jeweils für zwei, drei Stunden. Dafür bekam ich 500 Lire. Eines Tages kam ein Gießer aus Österreich und sagte zu mir: „Wenn du die Schule fertig hast, kommst du zu mir in die Lehre“.
So kam Vinzenz nach Österreich und lernte das Gießerhandwerk in Hall in Tirol. Nach der Lehre, mit neunzehn Jahren, ging er nach Verona zur Fonderia Artistica Veronese. Nach dreieinhalb Jahren Verona kam Vincenz nach Meran zurück, heiratete, und um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitete er eine Zeit lang bei drei Firmen gleichzeitig. Gießer war jedoch immer sein Traumberuf. „Man muss Ausdauer haben und hartnäckig sein. Man darf nie aufgeben. Aufgeben, das hat mein Stolz auch nicht zugelassen.“ Bei Keramik Thun fand Vinzenz Arbeit und Graf Thun half ihm, als er seinen eigenen Metallgießerbetrieb anmeldete. Fast drei Jahre lang goss er Engel und formte Ofenkacheln. 1978 richtete sich Vinzenz in einer alten Schmiede in Tisens seine eigene Werkstatt ein. Es begann die Zeit der Experimente. „Beim Gießen ist alles Übungs- und Erfahrungssache. In der Lehre lernt man zwar das Handwerk, die Tricks muss man selbst herausfinden und das ist ein sehr langwieriger und mühsamer Prozess“.
Seit 2003 kann Vinzenz von seinem Traumberuf, dem Metallgießen, leben. 2010 übernahm sein Sohn Stefan nach dem Besuch einer Elektrofachschule die Leitung des Betriebes. Er hat die Leidenschaft von seinem Vater geerbt. Schon als Kind hat er seinem Vater fasziniert bei der Arbeit mit Feuer, Ton und Plastilin zugesehen. Heute mag er an seinem Beruf vor allem die Abwechslung.
Kunst in Haus und Garten
Heute werden auf 100 Quadratmetern im ehemaligen Stall des Prantlhofs in Marling die Werke von Kunden – meist Südtiroler Künstlern – in Aluminium, Messing und vor allem Bronze gegossen.
Der Weg zur Werkstatt im Hof ist gesäumt von teilweise lebensgroßen Figuren. Am Gartentor wird man von einer Katzenplastik aus Beton von Joos&Joos empfangen. In einer Ecke des kleinen Gartens vor dem Haus steht ein Bronze-Ötzi, vor dem Hauseingang spuckt ein Gargoyle, ein groteskes Fabelwesen; vor dem Nachbarhaus stehen ein Tatzelwurm, ein drachenartiges Untier, und ein Brunnen, in den die Namen von Nachbarn, Künstlern und Freunden eingraviert sind. Der Meraner Künstler Gigi Picelli hat sich an den Innenwänden der Toilette im Garten mit nackten Frauen und Penissen verewigt.
Wer die Tür zur Kunstgießerei öffnet, gerät sofort in den Bann dieser verwunschenen Welt, fühlt sich zurückversetzt in eine andere Zeit. Überall Werkzeuge, Werkstücke, Material, in den Regalen, auf den Tischen, auf dem Boden. Alles ist überpudert von einer feinen Staubschicht. Wo man hinblickt, stehen kleine Figuren.
Ein aufwendiges handwerkliches Verfahren
„Die Arbeit beginnt im ersten Stock der Kunstgießerei”, erklärt Stefan. Einfach ausgedrückt geht es darum, ein Kunstwerk im Wachsausschmelzverfahren in Bronze zu gießen. Angeliefert werden die Originale meistens in gebranntem Ton oder Gips. Vom Modell wird zuerst ein Abdruck in Silikon hergestellt. Dieses Negativ wird dann mit Flüssigwachs ausgepinselt und ausgeschwemmt, bis die gewünschte Wandstärke erreicht ist. Nachdem das Wachsmodell mit Eingusskanälen versehen und mit Schamottenmörtel eingepackt ist, kommt es fünf bis sieben Tage in den zwei Meter hohen Brennofen, den Stefan stolz präsentiert. Bei 800 Grad und glühendem Feuer verbrennen die Schilfrohre, das Wachsmodell schmilzt und es bleiben nur die leeren Kokons mit den Einguss- und Entlüftungskanälen übrig. Nach rund drei Tagen Abkühlung wird der Kokon in einer dafür vorgesehenen Erdgrube in der Werkstatt eingegraben, damit er dem Gießdruck standhält. Dann folgt der Guss in Bronze.