Ans Schenken denken
Im Herbst 2021 von Dr. Luis Fuchs
Zu Allerheiligen erhielten einst die Kinder vom Paten ein besonderes Brotgeschenk: einen „Fochaz“. Das süße, weiche Gebäck aus Germteig wurde für die Mädchen in Form einer Henne und für die Buben als Gigger gebacken. Die Bezeichnung „Fochaz“ oder „Fochitzbroat“ geht auf die lateinische „focatia“ zurück, welcher die italienische „focaccia“ entspricht.
Eine Woche nach Allerheiligen wird am 8. November der Weltschenktag begangen. Dieser Aktionstag soll die Menschen dazu bewegen, anderen unabhängig von Geburtstagen oder Feiertagen eine Freude zu bereiten. Der Tag soll außerdem zum Nachdenken anregen, wem man im Leben zu selten dankt. Die Geschenke sollten dabei keineswegs nur materiell sein. Auch gemeinsame Zeit in Form von Aufmerksamkeit und Zuwendung kann verschenkt werden. Eine Umfrage des Geschenkanbieters „mydays“ hat ein überraschendes Ergebnis erbracht: Mehr als die Hälfte der Befragten (55 %), denen Geschenke wichtig sind, gaben an, sie würden gerne ohne speziellen Anlass schenken, „einfach so, wenn man an den anderen denkt“. Als klassische Anlässe lagen nur der Geburtstag (82 %) und Weihnachten (70 %) vor dem spontanen Bedürfnis, jemanden zu beschenken.
Schenken ist im Grunde Ausdruck wohlwollender Zuneigung, kann sich aber auch als verfänglich erweisen, wenn Eigennutz mit im Spiel ist. „Do ut des“ ist ein Ausdruck, der aus dem Römischen Recht stammt und übersetzt lautet: „Ich gebe, damit du (auch) gibst.“ Dies entspricht dem Prinzip, nach dem man eine Leistung vollbringt in der Erwartung, dafür eine Gegenleistung zu erhalten, also im Sinne einer Win-win-Situation, die für jede Seite vorteilhaft ist. Bereits Walther von der Vogelweide hat sich dereinst auf den gewinnbringenden Aspekt des Schenkens besonnen: „Schenkens Lohn ist wie die Saat, die aufgeht: Reiche Ernte naht, wenn reichlich ausgestreut man hat.“
Dem Schenken wohnt eine gewisse Ambivalenz inne, die in Sprichwörtern zum Ausdruck kommt. „Gabe schielt stets nach Entgelt.“ Ein Geschenk kann einem teuer zu stehen kommen, meint der Spruch: „Was man kauft, bekommt man billiger als ein Geschenk.“