Aufs Zuhören kommt es an
Lesezeit: 2 minIm Herbst 2021 von Dr. Luis Fuchs
„Was der heutige Mensch am dringendsten braucht, ist jemand, der ihm sein Ohr leiht.“ Bemerkenswert ist, dass es diesen Ratschlag bereits vor 50 Jahren in der Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ zu lesen gab. Sich Zeit für jemanden nehmen und ihm zuhören, ist ein ideales Geschenk, das viele gerade in der Hektik unserer Zeit zu schätzen wüssten und dafür dankbar wären.
„Gehör schenken“ zählt nicht zu den Stärken unserer Zeitgenossen. Das Verb „hören“ ist bereits durch die Geschichte seiner Bedeutung negativ belegt. In dieselbe Wortfamilie reihen sich „hören“ und „gehören“, „horchen“ und „gehorchen“ ein. Sprechen hieß für Häuptlinge und Herrscher befehlen und hören bedeutete befolgen. „Du gehörst mir“, sprach der Herr zum Knecht und das hieß: „Auf meine Befehle hast du zu horchen“. Erst mit der Geburt der Demokratie wurde das Monopol der Tyrannen gebrochen: Nun durften alle Bürger reden und das Hören hatte aufgehört, ein Gehorchen zu sein. Doch heute noch verwenden wir Ausdrücke wie „das gehört sich nicht“ und „der gehörige Abstand ist einzuhalten.
Bei Tag und Nacht hellhörig zu sein, das war schon anno dazumal angebracht. „Hört ihr Leut‘ und lasst euch sagen …“, ließ der Nachtwächter Stunde um Stunde seinen Ruf erschallen. Im Osttiroler Obertilliach dreht Helmut Egarter als einziger Nachtwächter Österreichs des Nachts seine Runden; ausgerüstet ist er mit einer Laterne, einem Ledermantel und einer Hellebarde. Sein Nachtwächterlied lautet: „Ihr Bauern und Herrn loust auf und lasst euch sagen, es hat zehn Uhr geschlagen, gebt fleißig Acht auf Feier und Liacht, dass uns Gott und unsre liabe Frau behiat.“
Warnsignale, wie sie einst üblich waren, können auch heutzutage dem Menschen von Nutzen sein. Im Juli dieses Jahres, als das Sturmtief Bernd über das Wuppertal hereinbrach, ging von den Sirenen wegen des Stromausfalls keine Warnung aus. Ein Ordensbruder vom Beyenburger Kloster agierte mit kühlem Kopf: Er läutete die Sturmglocke und alarmierte dadurch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger der vom Sturm bedrohten Ortschaft.