Großes Kino
Im Herbst 2012 von Verena Maria Hesse
Geht es Ihnen auch manchmal, wenn sie im Kino waren und einen dieser wirklich guten, dieser großartigen Filme gesehen haben, so, dass sie das Gefühl haben, ihr Leben ist irgendwie so gar nicht filmreif?
Man trägt ja dieses Kinogefühl nicht nur auf den durchnummerierten Sesseln mit der Tüte Popcorn oder Nachos in sich, sondern es rettet sich meiner Erfahrung nach bis man wieder zuhause ist – manchmal sogar, wenn man ganz schnell einschläft, bis zum nächsten Morgen. Nun ist ja Gott sei Dank das nächste Kino in Bozen und man hat einen längeren Weg von dort nach Hause zurückzulegen, was wiederum bedeutet, dass man das „Fieber“ noch ein wenig länger in sich bewahren kann.
Es ist dieses Gefühl einer großen Liebesgeschichte, des perfekten Mannes zum Beispiel, der einem früh morgens Kaffee ans Bett bringt und weiß, wo die Strumpfhosen der Kinder aufbewahrt werden, er ist einer, der abwechselnd den Einkauf übernimmt und den Elternabend im Kindergarten und er ist einer derer, die der Freundin den Urlaub immer bezahlen, weil die ja das ganze Jahr über seine Hemden bügelt. Er ist ein Modell „Freiwillig-aus-Überzeugung-Heiraten“ mit dem adäquaten Antrag selbstverständlich und nicht ein Modell „Landesgelder-Absahnen“ oder „Resignation-nach-dem-dritten-Kind“.
Es kann auch das Gefühl einer großen Karriere sein: eines Popstars oder Filmstars oder eines Sportlers, einer Karrierefrau oder einer Vielfach-Mutter.
Das sind dann die Filme, wo man sich nachher vielleicht sogar zu einem Kurs an der Volkshochschule anmeldet, wo man wieder zu joggen beginnt oder wo man sich plötzlich bei einer Coverband als Sänger bewirbt.
Es kann zum Dritten ein Heldenepos sein. So ein Kriegsszenario zum Beispiel, so ein übermenschliches Aufgeopfere fürs Vaterland, für die Ehre oder für die Familie. Keine Ahnung, wobei ich letzten Endes auch bei den großen Heldenepen fast immer an Liebesgeschichten denke, die den ganzen Rest dramaturgisch irgendwie schlucken.