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Psychopharmaka Einmaleins

31. Mai 2021

Psychopharmaka Einmaleins

 

von Roger Pycha

Psychopharmaka sind Medikamente, die den Stoffwechsel des Gehirns verändern und auf diese Weise das Erleben und das Verhalten von psychisch leidenden Menschen günstig beeinflussen.  Es gibt in der Psychiatrie allerdings auch Krankheitszustände, die von der Gesellschaft als solche bezeichnet werden, während der Betroffene sie nicht wahrnimmt. Manisch Kranke wirken überaktiv und viel zu selbstsicher bis ihn zum Größenwahn, fühlen sich selbst aber besonders gesund. Schizophren Erkrankte glauben nicht, dass sie sich böse Stimmen und Verfolger nur einbilden, sondern vermuten, dass Leute, die behaupten, das alles nicht zu erleben, zu den Verfolgern gehören. In beiden Fällen ist es schwer, Betroffene dazu zu bringen, Psychopharmaka zu nehmen. In beiden Fällen wirken sie dennoch, wenn sie eingenommen oder zugeführt werden.

Wir unterscheiden vier große Klassen von Psychopharmaka:

 

Antidepressiva verstärken im Gehirn di Aktivität der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin. Das tun sie indirekt, indem sie ihre Wiederaufnahme in die Nervenzelle, von der sie ausgeschüttet worden sind, verzögern. Die nachgeschaltete Zelle hat dadurch den Eindruck, es stehe mehr aktivierender Botenstoff zur Verfügung, und verbreitet positivere Nachrichten. Bis dieser Mechanismus greift, vergehen im Durchschnitt drei Wochen. Zunächst nimmt die psychische Energie zu, dann wird auch die Stimmung (das sind die dauerhaft bestehenden Gefühle) positiver. Am Wirkungsbeginn liegen einige gefährlichere Tage, mit mehr Antrieb, aber noch nicht gebesserter Stimmung. Damit vorübergehend die Suizidgefahr nicht zunimmt, verschreiben Psychiater für einige Wochen gerne Beruhigungsmittel zusätzlich, die danach weggelassen werden können. Antidepressiva wirken auch gegen Angst und Panik, aber meist erst nach 5-6 Wochen. Sie können den Schlaf verbessern und lindern Schmerzen aller Art. Sie sollen Monate lang eingenommen werden, um gut und hilfreich zu wirken, die WHO empfiehlt Einnahme für 6 Monate nach Besserung. Sie verlieren glücklicherweise auch nach vielen Jahren ihre Wirkung nicht. Sie machen nicht süchtig. Ihre bedeutendsten Nebenwirkungen sind Gewichtszunahme oder Nachlassen der sexuellen Lust und Spannkraft. Bestimmte Antidepressiva helfen aber auch abmagern und haben kaum oder gar keine sexuellen Nebenwirkungen.

 

Antipsychotika sind Medikamente gegen Halluzinationen (eingebildete Wahrnehmungen, die sonst niemand hat) wie das Hören von Stimmen, das Riechen und Schmecken von Gift oder das Bestrahlen des Körpers. Sie wirken auch gegen so genannten Wahn. Das ist eine Überzeugung, von der man Betroffene nicht abbringen kann, obwohl sie mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben kann. Der häufigste Wahn ist der Verfolgungswahn, auch Kontrollwahn (die eigenen Gedanken und Gefühle werden von anderen gelenkt), Liebeswahn (jemand, den ich nie getroffen habe, liebt mich) oder Größenwahn (ich bin ein Heiliger und gründe eine neue Religion) oder Eifersuchtswahn (der in Wirklichkeit treue Partner geht fremd) sind nicht selten. Halluzinationen und Wahn entstehen durch zu viel Dopaminaktivität in bestimmten Zentren des Zwischenhirns. Antipsychotika besetzen die Andockstellen für Dopamin auf den Nervenzellen und beruhigen so die entgleiste Wahrnehmung und das überschießende Denken. Bis sie wirken, vergehen einige Tage. Ältere Antipsychotika hemmen leider oft auch die Bewegung der Betroffenen und lassen sie langsam und zittrig werden wie Zombies. Neue Antipsychotika tun dies kaum, sie bewirken aber oft Gewichtszunahme und nicht selten sexuelle Störungen. Allerdings bringen sie schizophrenes Erleben sehr gut zum Abklingen. Anderseits muss man darauf achten, durch die Medikamente nicht zu sehr gebremst und apathisch zu werden. Betroffene sehen ohnehin kaum ein, wieso sie die Medikamente nehmen sollen, und lassen sie so oft wie möglich weg. Da hilft Einnahmekontrolle. Diese Medikamente sollten wegen des langen Krankheitsverlaufes für 1-2 Jahre nach erfolgter Besserung genommen werden, nach wiederholten schizophrenen Erkrankungen für 3 bis 5 Jahre.

 

Beruhigungs- und Schlafmittel wie Valium und Tavor sind die weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamente. Sie dämpfen Angst, beruhigen und entspannen die Muskulatur, in höherer Dosis machen sie schläfrig. Sie wirken innerhalb von Sekunden bis Minuten auf das Gehirn und stellen angenehme Gefühle ein, sind deshalb auch Drogen. Sie haben sehr wenige Nebenwirkungen, machen aber 5 Prozent der Nutzer abhängig. Sie sollen nicht eingenommen werden, wenn man Auto fahren muss, oder aus sonstigen Gründen sehr wach bleiben und rasch reagieren soll. Es wird empfohlen, sie nur wenige Wochen lang regelmäßig zu nehmen, und in möglichst geringer Menge, gerade um Abhängigkeiten zu vermeiden. Der beste Schutz vor Abhängigkeit ist die Angst vor Abhängigkeit. Dann achtet man genau darauf, nicht zu viel einzunehmen oder nimmt die Mittel nur bei Bedarf. Wer von diesen Mitteln abhängig ist, soll sie nicht auf einen Schlag weglassen, denn das kann, genauso wie bei Alkoholabhängigkeit, zu manchmal gefährlichen Entzugserkrankungen (Delirien) führen. Auch epileptische Anfälle sind dann möglich. Bei sehr schwerer Vergiftung mit Beruhigungsmittel kann die Atmung versagen. Es gibt einen Gegenspieler, das Flumazenil, der sich 10.000 mal stärker an die Andockstellen bindet als die Beruhigungsmittel und ihre Wirkung sofort aufhebt. Deshalb gelten diese Mittel als sehr sichere Medikamente.

 

Stimmungsstabilisatoren sind die Medikamente mit dem langsamsten Wirkungseintritt in der Psychiatrie. Sie helfen nur, wenn bipolare Störungen mit manischen und depressiven Episoden vorliegen. Dann stabilisieren sie die Stimmung nachhaltig. Der stärkste Stimmungsstabilisator ist das natürliche Lithiumsalz, weitere sind das Valproat und das Carbamazepin. Stimmungsstabilisierende Medikamente wirken oft erst nach Monaten regelmäßiger Einnahme. Sie machen die manischen und depressiven Phasen kürzer, schwächer und seltener, in seltenen Fällen heilen sie die Betroffenen komplett, solange sie die Stabilisierer nehmen. Lithium hilft eher bei seltenen und lange dauernden Phasen, Valproat und Carbamazepin eher bei schnellen häufigen Schwankungen.  Wenn mehr als 4 manische und depressive Episode pro Jahr auftreten, spricht man von rapid cycling. Dieses Krankheitsbild ist für Betroffene und Angehörige schwer auszuhalten, und erhöht die Suizidgefahr. Deshalb ist eine medikamentöse Behandlung über viele Jahre und Jahrzehnte auch ganz wesentlich. Das Salz und die Medikamente machen nicht süchtig, können aber zum Beispiel Gewichtszunahme bewirken.

 

Für alle Psychopharmaka gilt die Grundregel, dass ihre Verwendung gut vorbereitet und mit dem Betroffenen, manchmal auch mit dem Partner oder der Familie, verhandelt werden soll. Immer wieder sollen Nutzen und Risiko der Therapie gemeinsam abgewogen werden. Für jede Behandlung mit Medikamenten gilt: so wenig wie möglich, aber so viel wie eben nötig. In modernen Therapieverläufen werden hilfreiche Substanzen mit anderen günstigen Maßnahmen kombiniert. Zusammen mit Sport und Bewegung, Psychotherapie, kreativen Hilfen wie Kunst- Schreib-, Tanz- und Musiktherapie, Wachtherapie, Tier- und Gartentherapie, in seltenen Fällen magnetischen Feldern oder elektrischem Strom am Gehirn bilden Psychopharmaka heute eine Grundsäule der Behandlung von psychischen Störungen.


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