Erwachsene „bestimmen“ die Beziehungsqualität
Im Sommer 2017 von Treffpunkt Familie
In Erwachsenen-Kind-Beziehungen gibt es auch heute noch eine Doppelmoral: „Wenn die Beziehung gut ist, schreiben sich das die Erwachsenen zu. Wenn die Beziehung schlecht ist, ist das Kind schwierig!“ Ist das so? Nein! Der erste Satz stimmt, aber der zweite Satz stimmt nicht wirklich. Wenn Kinder schwierig werden, dann ist das ein eindeutiges Zeichen, dass in einer für sie wichtigen Beziehung etwas nicht stimmt, dass sie leiden. Aber Kinder können nicht sagen: „Hey Papi, zwischen uns stimmt was nicht, lass uns reden.“ Kinder können zwar auf die Beziehung zu den Erwachsenen Einfluss nehmen, aber sie können nicht über die Qualität der Beziehung bestimmen.
Kinder können mitbestimmen, was zu Abend gegessen wird, können aber nicht bestimmen, wie die Stimmung bei Tisch ist. Für die Beziehungsqualität tragen die Erwachsenen, auch in der Schule, die Verantwortung. Warum? Weil sie die Macht in dieser Beziehung haben. Auch in einer Firma bestimmt der Chef mit der Art und Weise, wie er mit seinen Mitarbeitern umgeht, den Ton, weil er die Macht und somit die Verantwortung für die Umgangsformen und die Stimmung in der Gemeinschaft hat.
Wie wird mit Konflikten umgegangen?
Wenn Kinder tyrannisch werden und alle nach ihrer Pfeife tanzen „müssen“, dann ist das so, als ob die Familie auf einem Schiff wäre und die Eltern das Steuer den Kindern überlassen würden. Das geht schief. Wie der Ton in der Familie ist, wie mit Konflikten und unterschiedlichen Anschauungen umgegangen wird, wie auf Fehler reagiert wird, wie die Grenzen und Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder respektiert werden, dafür sind die Erwachsenen verantwortlich, weil sie die Führungsaufgabe in der Familie haben. Auch in der Schule ist das so. Die Erwachsenen bestimmen über den Umgangston in Familie und Schule, auch wenn ein Kind vor dem Erwachsenen tobt. Der Erwachsene bestimmt darüber, WIE er auf das Kind reagiert. Schimpft und kränkt er das Kind und verletzt damit seine Würde? Oder begegnet er dem Kind mit Respekt: „Ich höre, dass du sehr wütend bist. Ich geh jetzt fünf Minuten in die Küche, um mich zu beruhigen. Dann interessiert es mich, was dich so wütend macht. Denk darüber nach und erzähl es mir dann.“
Unsere wunden Punkte
Oft trifft uns das Verhalten der Kinder an unseren wunden Punkten, und wir flippen aus. Gern geben wir dem Kind die Schuld an unserer Reaktion, an unseren Gefühlen. Aber sind die Kinder für unsere Gefühle der Ohnmacht, der Wut, des Schmerzes, der Hilflosigkeit wirklich verantwortlich? Für meine Gefühle bin ausschließlich ich verantwortlich, genauso für die Worte, die aus meinem Mund kommen, und für meine Gedanken und Handlungen.
Es gibt Tage, an denen wir in Krisensituationen gelassen reagieren und andere, an denen wir sofort aus der Haut fahren. Unsere Reaktion hängt von uns selbst ab: Hatten wir heute Streit mit dem Chef, haben wir zu wenig geschlafen oder bereitet uns etwas Sorgen? Nicht selten erwischen uns unsere Kinder an unseren Verletzungen, die wir seit unserer Kindheit in uns tragen: an unserem Gefühl der Wertlosigkeit, an dem Gefühl, nicht ernst genommen und gehört zu werden. Das tut weh! Aber dafür können die Kinder nichts. Da dürfen wir uns selbst in unseren Gefühlen ernst nehmen und uns um uns selbst kümmern. So helfen uns unsere Kinder, richtig erwachsen zu werden. Das ist ein Geschenk.