Für Einheimische und andere nette Menschen
Im Sommer 2021 von Robert Asam
Ich studiere sehr gerne Kleinanzeigen. Nicht, weil ich alles Mögliche suchen oder Sachen kaufen will, die andere nicht mehr brauchen. Ich bin neugierig. Jemand will ein gebrauchtes WC für Senioren loswerden. Ein anderer verkauft Alu-Felgen für einen Pkw und würde – sofern gewünscht – auch Fotos schicken. Ein Foto vom Senioren-WC wäre auch nicht schlecht. Mein besonderes Interesse hat der Wohnungsmarkt. „Einheimische Frau sucht eine kleine Wohnung“ lese ich. Warum betont die Frau, die die Anzeige aufgegeben hat, dass sie eine einheimische Frau ist? Die Antwort auf diese Frage liefern andere Anzeigen, jene unter dem Titel „Zu vermieten“. Vermietet wird nämlich sehr oft an „Einheimische“. Aha! Zählt auch die bosnische Familie dazu, die schon 20 Jahre in Südtirol lebt und deren Kinder hier aufgewachsen, vielleicht auch geboren sind? Eher nicht. Sollten wir Einheimischen das „Einheimisch sein“ genauer definieren? Vor allem bei Kleinanzeigen? Das gebrauchte Senioren-WC und die Alu-Felgen werden übrigens an alle verkauft. Auch eine Spülmaschine. Sonst würde stehen „Spülmaschine an Einheimische zu verkaufen“. Wir Südtiroler sind halt doch tolerant. Auch Abspüler dürfen von überallher sein. „Nüchterner Abspüler gesucht“ liest man öfters. „Nüchterner, einheimischer Abspüler“ habe ich noch nicht entdeckt. Und ein Betrieb nahe Meran sucht – halten Sie sich fest – „fleißige Putzfeen“. Es genügt, wenn sie fleißig sind, die Putzfeen. In diesem Fall ist einheimisch Nebensache. Hoffentlich brauchen die Putzfeen keine Wohnung. Wenn ja, rate ich zu folgender Kleinanzeige: „Fleißige Putzfee sucht einheimische Wohnung“. So gesehen muss ich mir an die eigene Brust klopfen. Ich schreibe auf Deutsch und grenze damit viele Menschen aus. Aber ich kann doch nicht schreiben „So gesehen – eine Kolumne für Einheimische“. Man stelle sich vor, ein Nicht-Einheimischer kann – nur theoretisch – besser Deutsch als so mancher Einheimischer und hat auch noch Sinn für Ironie. Eine furchtbare Vorstellung, nicht wahr? Gerade lese ich „Wohnung an nette Familie zu vermieten“. Das gefällt mir. Also schreibe ich eine „Kolumne für nette Menschen“. Wer lesen kann, versteht.