Nasenbohrer
Im Frühling 2021 von Robert Asam
Das mit dem Nasenbohren ist so eine Sache. Vor allem Kinder erforschen den Inhalt ihrer Nasenlöcher, freuen sich, wenn sie erfolgreich gebohrt haben und schnippen das Ergebnis mit einer lässigen Handbewegung durch die Luft. Appetitlich ist das nicht, aber befriedigend. Früher haben Eltern solches Tun ihrer Sprösslinge entweder geflissentlich übersehen („Wird schon wieder damit aufhören!“) oder es setzte eine Watschn („Ich habe dir schon 100-mal gesagt, das tut man nicht!“). Ob die Watschn bei der überwiegenden Mehrzahl der Nasenbohrerkinder ein lebenslanges Trauma verursacht hat, darf zumindest angezweifelt werden. Heute ist man vorsichtiger. Und so warnt ein anerkannter Arzt, den die Irrwege des Lebens in den Südtiroler Landtag verschlagen haben, vor möglichen psychischen Problemen, wenn Kinder sich mit einem Wattestäbchen in einem Nasenflügel bohren sollen. Mit einem Wattestäbchen! Meine Eltern hätten gejubelt, wenn ich anstatt des Zeigefingers ein Wattestäbchen genommen hätte. Und wer sagt Nasenflügel? Niemand. Aber es klingt vornehmer. Deshalb hat man Nasenbohren (ein Pfui-Wort!) sofort wieder aus dem Verkehr gezogen. Und die Kinder bohren ja nicht freiwillig, sondern werden angeleitet, noch dazu von fremden Menschen ohne Nasenflügelbohrbefähigung. Als ob gestandene Lehrpersonen nicht auch einmal kleine Nasenbohrer gewesen wären. So gesehen waren wir glückliche Kinder, die noch in der Nase bohren durften, einfach so, aus Freude am Bohren.