Als Schnapsbrennen noch verboten war
Im Winter 2014 von Helmuth Tschigg
Wildern, Schmuggeln und Schnapsbrennen gehören zum echten Tiroler wie das Zuspätkommen beim Rechtkirchen.
Nun hat sich aber in den letzten Jahrzehnten Wesentliches geändert. Das Schmuggeln über die Jöcher und Hochtäler ist nicht mehr rentabel, seit man auf der Autobahn ohne anzuhalten über die Grenzen brausen darf. Die Ware ist auch eine andere. Früher waren es ein paar Pakete Saccharin oder Feuersteine, heute ist es anderes weißes Pulver, und in den „Packtlen“ sind edle Steine oder Scheine, die über einzelne noch bestehende Grenzen die Steuerhoheit wechseln. Auch das Wildern trägt nicht mehr wie einst zum kargen Unterhalt der Bevölkerung bei. Es hat höchstens noch psychotherapeutischen Wert, so hört man es aus dem Vinschgau.
Geblieben ist allerdings das Brennen.
Völlig legal natürlich – unter Aufsicht. Früher hat die Frage unter den Weinbauern oft geheißen: „Nochr, hosch schun gekocht?“, und die Antwort lautete: „Jatz hon i amol derweil gsurt“. Wenn die intensiven Geruchwolken der frischen Jauche durch das Dorf ziehen, kann man den typischen Duft vom Schnapsbrennen nicht mehr ausmachen, und das konnte oft ganz nützlich sein. Denn man hatte gerade den Waschkessel angefeuert. Diesmal nicht zur weihnachtlichen Ganzkörperhygiene und auch nicht wegen der großen Weißwäsche. Die Schweine waren auch schon geschlachtet und mit kochendem Wasser gebrüht, damit die Borsten weggingen.
Nein, jetzt hatte der Waschkessel einen ganz anderen Dienst zu erfüllen: Schnaps zu brennen.
Schnell das Gerät aus dem Versteck im Dachboden holen, den Hut oder Gupf, das Röhrl und den Kühler. Das Feuer darf nicht zu schnell unter dem Kupferkessel brennen, sonst brennen die Trester und der Leger an. Dann hilft auch die Strohmatte nichts mehr, die auf den Kesselboden gelegt wurde. Manchmal hat man dafür auch die Deckblätter der Maiskolben verwendet, die Tschilln. Oder man hat den Kessel innen mit Schweinefett eingerieben. Jetzt wird der „Huet“ oder „Gupf“ auf den Kessel aufgesetzt und rundherum mit Hudern und nasser Asche abgedeckt, damit kein Alkohol und Dampf entweichen kann. In der Mitte hatte der konische Hut ein Loch, an dem der Rohrbogen angeschlossen wurde, der den aufsteigenden Alkohol in die Kühlschlange leitete. Diese Schlange lief durch einen mit kaltem Wasser gefüllten Behälter und kondensierte den Alkohol. Manchmal war neben dem Waschkessel auch ein großer Brunnen. Dann hat man die Kühlschlange dort eingebaut.
Jetzt heißt es Geduld haben und warten, denn wie gesagt, es darf nicht zu heiß gefeuert werden. Wenn von der Finanzwache eine bestimmte Zeit für das Brennen genehmigt worden war, hat man manchmal die 150 Kilogramm Maische auch schon vorher angewärmt, damit der Alkohol schneller zu rinnen begann, wenn die Zeitrechnung startete. Kamen die ersten kondensierten Tropfen Alkohol aus der Kühlerschlange, begann eine wichtige Kontrollphase. Dieser Vorlauf enthält nämlich giftigen Methylalkohol und muss vom Hauptbrand getrennt werden. Um die Trennung zu bestimmen, wurde der Alkohol in einem kleinen Probefläschchen geschüttelt. Es bilden sich Grålln, Luftblasen, die sich je nach Alkoholgehalt verschieden verhalten. Bilden sich große Blasen, dann handelt es sich um den Überpröberer (Vorlauf, sehr hoher Alkoholgehalt). Bleiben die Blasen „ein Vaterunser lang“ klein, wie an einer Perlenschnur aufgefädelt, handelt es sich um guten Schnaps. Lösen sich die Grålln auf, beginnt der niedergradige Nachlauf. Es braucht viel Erfahrung und Wissen zum Trennen der Alkoholarten. Der hochkarätige Vorlauf wurde oft als Spiritus bezeichnet. Man hat ihn mit Arnika oder Kampfer angesetzt und für Einreibungen verwendet.
Alle paar Minuten wurde der Schnaps, der wie eine gedrehte Schnur aus dem Kühlerröhrl rinnt, gekostet, gerochen, ins Licht gehalten. Zwischendurch wurde ein Schlanz über den Kesselhut geschüttet und angezündet. Solange er brennt, hat er noch genügend Alkohol und wenig Wasserdampf. Dann gegen Ende „kommt nur mehr der Lutter herunter“. Auch dieser wird vom Hauptbrand getrennt und beim nächsten Brennvorgang nochmals mitdestilliert. Edle Brände erhält man erst, wenn man die ganze Alkoholmenge nochmals, ohne Trester, destilliert. In modernen Anlagen ist das allerdings nicht zwingend notwendig. Aber dann den Schnaps ein paar Jahre reifen lassen, das hat noch keinem geschadet.
Nach rund drei Stunden war ein Kessel fertig. Das hieß, ihn schnell in einen Bottich entleeren und neu füllen. Dampfwolken verdunkelten den Raum, und intensiver Alkoholgeruch machte fast benommen. Dazu kam dann die Nachtwache nach einem Tag Arbeit – nur nicht verschlafen in der wohligen Wärme neben dem Waschkessel!