Andreas Cappello und die Meraner Musikwochen
Im Sommer 2017 von Eva Pföstl
Sie sind mittlerweile ein anerkannter Fixpunkt in der Festivallandschaft Europas und jedes Jahr aufs Neue ein Highlight des kulturellen Lebens der Stadt Meran: die Meraner Musikwochen. Ins Leben gerufen wurden sie im Jahre 1986 anlässlich des damaligen 150-Jahre-Jubiläums der Kurstadt. An der Spitze steht Andreas Cappello, der künstlerische Leiter des Festivals. Im Interview mit dem Meraner Stadtanzeiger spricht Cappello über die Geschichte der Meraner Musikwochen, die Herausforderungen und erzählt von Starallüren und von einer Liebe, die zwischen Bühne und Konzertsaal entflammt ist.
Meraner Stadtanzeiger (MS): Die Meraner Musikwochen sind seit 1986 ein Erfolgsmodell. Worauf ist das zurückzuführen?
A. Cappello: Es gibt verschiedene Gründe, die zum Erfolg der Meraner Musikwochen geführt haben. Zum einen liegt es daran, dass das Thema Musik eine Kunstgattung ist, die eigentlich jeden Menschen tief in seiner Seele berührt, zum anderen haben wir hier in Meran ausgezeichnete Voraussetzungen, um ein internationales Festival, also Musik auf höchstem Niveau zur Aufführung zu bringen. Meran bietet wunderbare Strukturen, wie das Kurhaus, den Pavillon des Fleurs, das Stadttheater, die verschiedenen Kirchen und die Schlösser in der Umgebung sowie den Thermenplatz für die Open-Air-Aufführungen.
Außerdem hat Meran als Kurstadt auch eine langjährige Musiktradition. Erinnern möchte ich nur an das Kurorchester, welches in den vergangenen hundert Jahren zeitweise täglich drei bis vier Konzerte gegeben hat. Außerdem haben weltberühmte Komponisten, die Meran als Aufenthaltsort ausgewählt haben, hier ihre Spuren hinterlassen. Denken Sie an Richard Strauss, Bela Bartok, Franz Lehar oder Max Reger – um nur einige aufzuzählen. Nicht zu unterschätzen ist natürlich auch unser Publikum – Einheimische und Touristen –, welches eine große Affinität und ein großes Interesse für Kultur und besonders für Musik hat.
MS: Was hat sich seit dieser Zeit in den Programmen und Rahmenbedingungen geändert?
A. Cappello: An den Rahmenbedingen hat sich nicht sehr viel geändert. Natürlich war zu Beginn unserer Aktivitäten das Kurhaus noch in einer Renovierungsphase, inzwischen befinden sich jedoch alle Strukturen in einem ausgezeichneten Zustand. Was sich hingegen geändert hat, ist das Programm der Musikwochen. Am Anfang gab es nur ein Klassikprogramm mit Kammermusik und sinfonischer Musik. Im ersten Jahr spielten wir im Stadttheater, in den nächsten beiden Jahren hatten wir auch den Kongresssaal im alten Kurbad mit 800 Plätzen und erst im Jahr darauf stand der renovierte Kursaal zur Verfügung. Nun sollte er aber auch bespielt werden und dazu waren natürlich größere Orchester notwendig. Die Musikwochen sind sozusagen mit dem Publikum gewachsen. Ab 1990 begann die Vielfalt, eigentlich mit Heinrich Schiff, der Nachtkonzerte einführte. Inzwischen gibt es eine eigene Reihe für das Stadttheater, Kammermusik wird im Pavillon des Fleurs gespielt. Dazugekommen sind die Musikreihen „vox humana“, „colours of music”, die „matineè classique” und „barocco”, mit den neuen Orten wie der Heilig-Geist-Kirche, dem Palais Mamming, der Pfarrkirche Niederlana mit dem Schnatterpeckaltar und den beiden Schlössern Schenna und Tirol. Das Spektrum an Angeboten hat sich also deutlich erweitert, jeweils mit neuen Musikreihen. Wir bieten mittlerweile fünf verschiedene Abonnements an und eine breitgefächerte Palette an Musik, welche an wunderbaren Orten mit ausgezeichneten Ensembles gespielt werden.
MS: Wurde durch die Vielfalt des Angebotes auch die Publikumszahl erhöht?
A. Cappello: Ja, insgesamt ist die Publikumszahl aufgrund der neuen Angebote gestiegen. In den letzten Jahren hatten wir durchschnittlich 10.000 Besucher.
MS: Was ist das Herzstück der Meraner Musikwochen?
A. Cappello: Das Herzstück ist nach wie vor das Klassikabonnement mit den großen Orchestern aus aller Welt.
MS: Welches sind die Schwerpunkte des heurigen Programms?
A. Cappello: In diesem Jahr beginnen wir gleich mit zwei sehr interessanten Orchestern: Das Eröffnungskonzert bestreitet das Baltic Sea Philharmonic, ein relativ junger Klangkörper, der sich aus elf verschiedenen Nationalitäten zusammensetzt. Ganz besonders freut es mich, dass im ersten Teil das zweite Klavierkonzert von Sergej Rachmaninoff gespielt wird – heuer mit Alexander Malofeev, einem 15-jährigen Pianisten, der bereits Welterfolge verbuchen kann. Die zweite Hälfte ist Igor Strawinsky und seinem „Feuervogel” gewidmet, welcher vom Orchester auswendig, d.h. ohne Notenvorlage, gespielt wird. Dies ist einzigartig, denn ich persönlich habe noch nie ein großes Symphonieorchester erlebt, das eine ganze Konzerthälfte auswendig spielt!
Den zweiten Schwerpunkt stellt das Asiatische Jugendorchester dar, welches uns mit dem 4. Klavierkonzert von Beethoven mit Gerhard Oppitz und der 1. Symphonie von Gustav Mahler verwöhnen wird.
MS: Nach welchen Kriterien wird das Programm zusammengestellt?
A. Cappello: Ausschlaggebend ist natürlich die Qualität! Qualität ist ein relativ abstrakter Begriff, aber für mich ist es wichtig, dass Musiker auf dem Podium stehen, die imstande sind, durch die Musik den Konzertbesuchern Emotionen zu vermitteln und die Phantasie und den Geist anzuregen. Gelingt es den Musikern, mit ihrer Musik neue Lebensfreude zu versprühen, dann kommen die Menschen auch weiterhin zu unseren Konzerten.
MS: Ganz konkret, wie gehen Sie bei der Programmauswahl vor?
A. Cappello: Für die Programmauswahl gibt es mehrere Aspekte, die ich berücksichtige: Informationen, welche ich aus dem internationalen Künstlerkreis erhalte, Berichterstattung der Medien, Berichte der einschlägigen Literatur, Vorschläge des Publikums und natürlich die Vorschläge des Meraner Musikwochenvereins. Die Meraner Musikwochen sind nicht ein Einzelbetrieb, sondern ein Verein und da findet natürlich intern ein reger Meinungsaustausch statt. Aus unterschiedlichen musikalischen Erfahrungsbereichen kommend, verbindet die Mitglieder künstlerische Kompetenz und Urteilsfähigkeit. Schlussendlich obliegt jedoch dem künstlerischen Leiter, das heißt mir, die Aufgabe der Gestaltung des Konzertkalenders und damit die Verantwortung der musikalischen Qualität unserer Reihe, gemäß dem vorgesehenen Budget.
MS: Wie lange dauerten die Vorbereitungsarbeiten für die laufende Saison?
A. Cappello: Die Vorbereitungsarbeiten dauerten ca. eineinhalb Jahre.
MS: Wie kontaktieren Sie die Künstler?
A. Cappello: Dies ist ganz unterschiedlich. Entweder direkt, über eine Agentur oder über die persönlichen Mitarbeiter der Künstler.
MS: Wie viele Mitarbeiter stehen Ihnen zur Verfügung?
A. Cappello: Wir haben ein sehr spezialisiertes Team bestehend aus einem Wirtschaftsberater, der sich hauptsächlich um Verträge und Steueraspekte kümmert, einer Mitarbeiterin für das Kartenbüro, einer Grafikerin und einem Pressereferenten. Während der Musikwochen werden wir im Kartenbüro noch zusätzlich von zwei Studentinnen unterstützt. Der Präsident des Meraner Musikwochenvereins, Hermann Schnitzer, vertritt die Meraner Musikwochen als „kultureller Botschafter“ in der ganzen Welt. Er wurde erst kürzlich zum Vizepräsidenten der „European Festival Associations“ mit Sitz in Brüssel ernannt.
MS: Welches waren für Sie die größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte?
A. Cappello: Die schwierige Zeit war zu Beginn der Meraner Musikwochen, wo es noch keine digitalen Kommunikationsmittel gab. Anfangs schrieb ich meine Briefe auf einer mechanischen Schreibmaschine und um einen Musiker in Moskau zu kontaktieren, musste ich via Telex kommunizieren. Heute geht alles viel einfacher.