„Auch du kannst einmal Blut brauchen!“
Die Vereinigung der freiwilligen Blutspender von Meran-Burggrafenamt
Im Sommer 2015 von Dr. Paul Bertagnolli
„Wir sind eine große Familie!“, sagt Marco Boninsegna, der Präsident der Vereinigung der freiwilligen Blutspender von Meran und Burggrafenamt und er meint es ernst. Er hat viele Jahre lang freiwillig von seinem Blut gespendet und nun, im Alter, will er durch sein Ehrenamt seiner „großen Familie“ weiterhin helfen. Als große Familie fühlen sich oft Angehörige einer Glaubensgemeinschaft – was verbindet aber die Blutspender zu einer Familie? Vielleicht ist es auch der Glaube an ein Ideal. Vielleicht ist es dieses Ideal, das 1934 zum ersten Mal eine Gruppe aus Meran regelmäßig Blut spenden ließ. Schon sieben Jahre vorher hatten 17 Freiwillige in Mailand die AVIS gegründet, die „Associazione Volontari Italiani del Sangue“ – die Vereinigung der freiwilligen Blutspender Italiens. Während des zweiten Weltkriegs spendeten 35 Meraner aus beiden Sprachgruppen ihr Blut für die Kranken im Lazarett von Meran. 1948 schlossen sie sich als AVIS-Sektion Meran dem staatlichen Verband an. Die Mitglieder haben sich verhundertfacht: Heute gibt es in Meran und in den Dörfern des Burggrafenamts über 3.500 Blutspender.
Erste medizinische Blutspende 1921
Die erste bekannte Bluttransfusion fand 1492 statt – im symbolischen Jahr des Beginns der Neuzeit. Drei Zehnjährige gaben dem im Sterben liegenden Papst Innozenz VIII. ihr Blut, die Ärzte erhofften sich davon eine Verjüngung des Sterbenden. Die drei Kinder und auch der Papst überlebten nicht. Auch wenn viele ähnliche Experimente scheiterten, so entsprangen sie doch einer Intuition, die später die Wissenschaft bestätigte. Immer wieder versuchten Ärzte das Blut zur Heilung einzusetzen, zum Beispiel wurde Tierblut kranken Menschen verabreicht. Die naturwissenschaftliche Erforschung von Blut begann vor 100 Jahren: Erst als der Wiener Arzt Karl Landsteiner um 1900 die Blutgruppen A, B und 0 entdeckte, war der Grundstein für die moderne Transfusionsmedizin gelegt. Der erste Bluttransfusionsdienst wurde in London im Oktober 1921 gegründet – schon damals mit Hilfe freiwilliger und unbezahlter Spender. Das Rote Kreuz in London erhielt einen dringenden Anruf aus dem Krankenhaus, das fragte, ob jemand Blut für einen Schwerkranken spenden würde. Der Rot-Kreuz-Freiwillige Percy Oliver und sechs weitere Rotkreuz-Mitarbeiter erklärten sich spontan bereit – einer von ihnen hatte die richtige Blutgruppe! Oliver gründete nun den ersten Bluttransfusionsdienst und stellte schon damals die Bedingung: Die Blutspende musste freiwillig sein und durfte nicht bezahlt werden.
„Die Freiwilligkeit im Blut“
Das ist auch heute noch so. „Für die Blutspende bekommt man kein Geld“, erklärt Präsident Boninsegna, allerdings hat man als Blutspender das Recht auf einen freien Tag. „Wir sind froh, dass wir so viele Blutspender in den Gemeinden und Dörfern haben!“ Das hänge auch damit zusammen, dass in Südtirol das Vereinswesen so verwurzelt sei. „Die Menschen haben das Volontariat im Blut“, erklärt Boninsegna die Bereitschaft so vieler, ihr Blut zu spenden und nennt damit wohl auch einen Grund für die stetige Zunahme der Mitglieder. Freilich kann nicht jeder sein Blut spenden: So muss man zwischen 18 und 60 Jahre alt und gesund sein. Ob jemand als Spender geeignet ist, wird natürlich durch eine ärztliche Visite kontrolliert. Und ist man erst einmal in die Liste der Blutspender eingetragen, gibt es eine jährliche Gesamtkontrolle durch den Arzt. „Auch diese medizinische Betreuung mag für viele ein zusätzlicher Grund sein, bei den Blutspendern mitzumachen!“, meint Boninsegna. Wenn nun Blut benötigt wird, ruft die AVIS geeignete Spender an. „Dabei halten wir uns an den von den Krankenhäusern vorgegebenen Blutspendeplan, der aufgrund statistischer Daten erstellt wird.“ Die wahrscheinlich benötigte Menge Blut mit den entsprechenden Blutgruppen wird so von den Freiwilligen gespendet und kommt in die Zentrale in Bozen, von wo sie auf die Krankenhäuser Südtirols verteilt wird. Bei Nachfrage anderer Regionen wird auch diesen „Südtiroler Blut“ gegeben: Überschüssiges Blut kommt auf eine staatliche Blutspendebank.
Ist es in einer Zeit, in der jeder in erster Linie auf sein Fortkommen schaut, überhaupt noch möglich, Menschen für das Blutspenden zu gewinnen? Boninsegna ist zuversichtlich: „Wir haben genügend Blutspender, um unsere Region mit Blut zu versorgen. Es scheiden zwar jedes Jahr viele aus, zum Beispiel aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen, aber wir haben immer wieder auch junge Menschen, die ihr Blut spenden möchten.“ Rund zehn Prozent werden so jährlich durch neue Spender ersetzt. „Die Jugend für das Blutspenden zu gewinnen, ist uns deshalb besonders wichtig!“ Das war vor einigen Jahren noch leichter, da viele Vereine, wie etwa die Feuerwehr, ihre eigene Blutspendergruppe hatte und auch, weil die Lebensumstände sich nicht so oft änderten. Doch die AVIS Meran-Burggrafenamt kann ohne Sorgen in die Zukunft blicken: 1.162 Blutspender sind unter 35 Jahre jung. „Aber wir müssen weiterhin den Kontakt mit den Schulen und den Gemeinden suchen, um immer wieder neue Blutspender zu gewinnen“, sagt der AVIS-Präsident.