Das Frauenmuseum in Meran
Einzig, aber nicht artig
Im Sommer 2020 von Eva Pföstl
Das Frauenmuseum Meran gilt als einzigartig in Südtirol bzw. in ganz Italien. Der Name sagt eigentlich schon fast alles: Hier dreht sich alles rund um die Frau. Und darum, wie sich die Rolle der Frau über die Jahrhunderte verändert hat. Aber auch darum, wieviel für die Frauen noch gemacht werden muss. Ein Museum, welches einen anderen Blick auf die Frauen wirft, fernab jeglicher Klischees.
Das Gebäude, in dem sich das Frauenmuseum befindet, ist ein ehemaliges Klarissenkloster, das im Jahr 1309 gestiftet wurde. Es war über fünf Jahrhunderte fester Bestandteil des Meraner Stadtbildes und ein wichtiger religiöser Bezugspunkt sowie Bildungsstätte für Mädchen. Heute ist das Gebäude im Besitz der Südtiroler Volksbank.
Die Gründerin des Meraner Frauenmuseums war Evelyn Ortner (1944–1997). Aus ihrer Sammlung erwuchs Ende der 1980er-Jahre die Idee, mit „Äußerlichkeiten“ wie Kleidern, Accessoires und Gegenständen des Alltags 200 Jahre Frauengeschichte zu erzählen. 1993 wurde der Verein Frauenmuseum gegründet. Er hat auf dieser ersten Sammlung aufgebaut und sie seitdem ständig vergrößert.
Wir haben Sissi Prader zu einem Gespräch getroffen. Sie leitet das Museum seit 2005, kämpft sich mit Versiertheit und Professionalität durch den Vorschriften-Dschungel und schafft es immer wieder, die Existenzsicherung für das Museum zu garantieren.
Brauchen wir überhaupt noch ein Frauenmuseum?
„Es braucht Frauenmuseen, denn es fehlt immer noch eine ausgewogene Sichtweise, was Frauengeschichte betrifft. Die traditionelle Geschichtsschreibung ist fast durchgehend aus einem männlichen Blickwinkel heraus entstanden. Große Männer, große Schlachten, große Taten. Alltags- und Frauengeschichte hatten da kaum Platz. Wir widmen uns daher bewusst der Aufgabe, Kultur von Frauen und das Wirken von Frauen in der Geschichte aufzuarbeiten, zu sammeln, zu vermitteln“, erklärt Sissi Prader. Es ist eine sehr reiche und aufregende Welt, die sich da eröffnet, denn es gab zu jeder Zeit Frauen, die gestaltet haben, die Teilhabe eingefordert haben, die die Gesellschaft entscheidend geprägt haben.
Durch die Informationen aus der ersten Frauenbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und aus den 20er-Jahren wurde deutlich, wie viel an weiblicher Kultur und Geschichte immer wieder verlorengegangen war, sodass jede Generation wieder bei Null anfangen musste und zunächst nicht auf Erfahrungen der vorangegangenen aufbauen konnte. Die Museen als Institutionen, die als Orte der Geschichts- und Kulturverwahrung gelten, entscheiden, was historisch oder künstlerisch bedeutend, sammlungs-, aufbewahrungs- und ausstellungswürdig ist. Das Bedürfnis, dass Frauen ihre Geschichte selber formulieren und definieren wollen, gibt es in allen Ländern. Die Frauen haben weltweit so viel geleistet, dass sie ganz selbstbewusst sagen können, wir wollen die Geschichte und die Kultur der Frauen selbst festhalten.
Das Besondere am Frauenmuseum Meran
Das Frauenmuseum ist ein Ort der Begegnung, ein Ort des Lernens und mit seiner ständig wachsenden Fachbibliothek auch ein Ort des Lesens und Forschens. Inhalte und Aktivitäten gehen weit über den Begriff eines Museums hinaus: Es weist einen interdisziplinären Charakter auf, indem es sich auf die Geschichte des Alltags konzentriert, ohne ein ethnografisches Museum zu sein; es schaut auf Ästhetik und produziert Ausstellungen, ohne eine Kunstgalerie zu sein; es stellt Geschichte im Allgemeinen und im Lokalen dar, ohne ein Stadtmuseum zu sein; es realisiert mit Kleidern Ausstellungen, ohne ein Modeatelier zu sein. „Mittlerweile ist das Museum ein gern benutzter kultureller Treffpunkt für alle Interessierten und wir beleuchten die unterschiedlichsten Themen aus frauenspezifischer Sicht. Vorträge, Workshops, Tagungen und Seminare, aber auch Theater, Musik und kulturelle Veranstaltungen aller Art gehören zum Alltag des Frauenmuseums – oft als Rahmenprogramm der aktuell stattfindenden Sonderausstellungen“, erklärt Sissi Prader. Zwei Mitarbeiterinnen, Judith Mittelberger und Yvonne Rauter, arbeiten unter anderem in der Vermittlung und erstellen für die verschiedenen Schulstufen didaktische Führungen.
Was wird im Frauenmuseum gezeigt?
Der helle, lang gestreckte Ausstellungsraum des Frauenmuseums Meran wird zu beiden Seiten von großen Glaskästen begrenzt, welche die thematisch gesammelten Exponate räumlich getrennt halten. Geschickt versucht die Museumsleitung, den Besucher nicht mit einer reinen Präsentation von Museumsstücken abzufertigen, sondern beim Besucher ein Verständnis für das Frauenbild zu entwickeln und die Rolle der Frau in der Geschichte, aber auch in der heutigen Gesellschaft zu hinterfragen. „Jedes Jahr werden im Sonderausstellungssaal frauenspezifische Ausstellungen aus dem In- und Ausland gezeigt, die neben historischen Themen auch gesellschaftspolitisch aktuelle Themen aufgreifen und vertiefen. Mit unseren Projekten schlagen wir immer wieder Brücken zur Gegenwart, z. B. in Sonderausstellungen, die durchaus nicht nur geschichtlich sind, sondern auch aus dem Bereich der Kunst kommen können, und durch frauenspezifische Konferenzen und Lesungen, die auch sehr aktuelle Themen und Problematiken aufgreifen können. Derzeit haben wir ein EU-Projekt begonnen, das bis 2022 weitergeht. Es geht um das Thema ,Birth Culture – Die Kultur der Geburt‘. Diese Ausstellung wird in Zusammenarbeit mit anderen Frauenmuseen und -organisationen durchgeführt. Es wird internationale Kooperationen, gestalterische Highlights und ein großes Rahmenprogramm geben. Jede Ausstellung ist auch Anlass zum Forschen und Dokumentieren und wir versuchen (sofern wir es finanziell schaffen), die Ergebnisse in einer Publikation festzuhalten. Den Ausbau des BLOG ichfrau.com, einer Internetseite, ist ein weiteres Herzstück unseres Frauenmuseums. Diese Kommunikationsstrategie in virtueller Form, die von Astrid Schönweger koordiniert wird, soll zur Bekanntheit des Museums beitragen, indem vor allem aktuelle Themen jeglicher Art aufgegriffen werden. Wir möchten auch viele jungen Frauen anregen, auf dem Blog ihre Beiträge zu schreiben“, führt Sissi Prader weiter aus.
Welches Objekt erzählt wohl am meisten über den Wandel der Frau?
Es ist zweifelsohne das Korsett, das im Logo des Museums zu sehen ist. Es ist ein jahrhundertaltes Kleidungsstück, das im Spannungsfeld zwischen Zwang und Stütze ist. Die Museumsbetreiberinnen betrachten es vielseitig. Jeder Mensch wird in einen sozialen Kontext hineingeboren, welcher von einer Vielzahl an Gesetzen, Normen und Konventionen geprägt ist. Bis wir die Volljährigkeit erreicht haben, treffen wir uns in einem Korsett von Regeln und Verhaltensmustern wieder, an die wir uns, mehr oder weniger bewusst, angepasst haben. Die meisten werden wir als Halt und Stütze fürs Leben empfinden, andere als unerträgliche Last. Wir benötigen einige Jahre, um uns wenigstens teilweise davon zu befreien und uns endlich als freie Menschen zu bezeichnen.
Das Korsett findet sich auch noch in der heutigen Modewelt, wird zum Teil außen getragen und deutet nach wie vor auf das Zu- oder Einschnüren des Leibes hin. Zum Korsett wurde im Museum eine eigene Ausstellung erarbeitet mit einer guten Recherche der Projektmitarbeiterin Hannelore Schettler, die den Verlauf der Abwandlungen des Kleidungsstücks aufzeigt. Diese Ausstellung hat sehr viel Aufsehen erregt.
Internationale Netzwerkarbeit
Eine Partnerschaft mit dem Frauenmuseum in Senegal, die im Jahre 2000 begann, kann als Beginn der weltweiten Netzwerkarbeit des Frauenmuseums angesehen werden und führte 2008 zum ersten internationalen Frauenmuseumskongress. Seit dem Jahr 2008 ist das Frauenmuseum als Koordinationsstelle für das Netzwerk „IAWM – International Association of Women’s Museums“ unter der Koordination von Astrid Schönweger aktiv und vernetzt heute weltweit über 50 Frauenmuseen und -initiativen. Dieses Netzwerk soll die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Frauenmuseen vergrößern, die gegenseitige Unterstützung und den Austausch ermöglichen und neuen Initiativen Starthilfe geben. Der Verein fungiert als Verbindungs-, Vernetzungs- und Vermittlungsstelle von Frauenmuseen und Initiativen und versucht, auf seiner Homepage die Liste der Frauenmuseen und -initiativen weltweit stets auf dem neusten Stand zu halten. „Als Leiterin des Museums bin ich mit der Vorstandsfrau Marlene Messner auch im Landesbeirat für Chancengleichheit tätig und wurde auch für den Museumsbeirat des Landes nominiert, wo ich versuche, einen Beitrag auch auf Landesebene und in Zusammenarbeit mit den vielen Organisationen und Institutionen zu leisten“, erzählt Sissi Prader.
Finanzierung und Organisation
Da auch ein Frauenmuseum nicht nur eine Insel feministischer Glückseligkeit ist und „frau“ in diesem Hause schon immer mit Geld und Planung zu tun hatte, ein letztes Wort von Sissi Prader zur Grundstruktur: „Hinter dem Frauenmuseum Meran steht ein gemeinnütziger Verein und dank der finanziellen Beihilfen der Autonomen Provinz Bozen und der Gemeinde Meran kann der Verein Frauenmuseum seine vielfältige Tätigkeit ausüben. Die Sicherung der Finanzierung bleibt immer eine Gratwanderung. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei unserem Team, hauptamtlich wie ehrenamtlich, ganz herzlich für den Einsatz und das Engagement bedanken. Nur im Team kann die Arbeit sinnvoll und vielseitig ausgeweitet werden.“