Der Hanf ist eine der ältesten Kulturpflanzen und eine sehr vielfältige Nutzpflanze
Im Herbst 2016 von Dr. Wilhelm Mair
Wenn das Wort Hanf fällt, denken viele an die Drogen Marihuana und Haschisch. Damit wollen wir uns hier nicht befassen, sondern mit dem Hanf als Nutzpflanze.
Geschichtliches
Hanf ist eine der ältesten und vielfältigsten Kultur- und Nutzpflanzen der Menschheit. Schon vor fast 10.000 Jahren wusste man in China die Hanfpflanze wegen der nahrhaften Samen zu nutzen und aus den Fasern Seile herzustellen. Über Indien und das Zweistromland gelangte die Pflanze in europäische Länder, wie die Funde von etwa 5.500 Jahre alten Samenresten in Eisenberg (Thüringen) belegen. Sehr alt ist auch die Verwendung von Teilen der Hanfpflanze als Heilmittel gegen vielfältige Gebrechen, und seine beruhigende und euphorisierende Wirkung hatte einen festen Platz bei kultischen Rauscherlebnissen. Viele alte Kulturvölker kleideten sich mit aus Hanf gewebten Kleidern. Vor etwa 2.000 Jahren wurde in China das erste Papier aus Hanffasern geschöpft; aber es dauerte mehr als tausend Jahre, bis auch in Europa das Verfahren bekannt wurde. Im Jahre 1455 druckte Gutenberg die Bibel auf Hanfpapier. Berühmte Künstler wie van Gogh und Rembrandt schufen ihre Werke auf einer beständigen Leinwand aus Hanffasern. Solange Segelschiffe in den Weltmeeren kreuzten, hatte die Hanffaser wegen ihrer Zugfestigkeit und Beständigkeit große Bedeutung zur Herstellung von Segeltüchern, Tauen, Seilen, Netzen und Uniformen für die Seeleute. Als Rohstoff für die Textilindustrie wurde sie im 18. Jh. von der Baumwolle und in der Mitte des 20. Jhs. von Kunstfasern, die von der Erdölindustrie gefördert wurden, abgelöst, denn Erdöl war die Basis für die chemische Faser. Für die Papierindustrie löste Mitte des 19. Jhs. die Gewinnung von Zellstoff aus Holz den Hanf ab.
Der Anbau von Drogenhanf zur Gewinnung der Rauschmittel Marihuana und Haschisch in der Hippiezeit stellte auch den Nutzhanf in ein schiefes Licht, sodass der Hanfanbau in vielen Ländern verboten wurde. Erst seit Ende der 1990er-Jahre wurden in der EU die Anbauverbote für den an Wirkstoff THC armen Nutzhanf aufgehoben. Seitdem werden immer neue Anwendungsgebiete gefunden, wo der Nutzhanf aus technischen, ökologischen und ökonomischen Gründen neue Märkte erobern kann.
Als Nutz- bzw. Faserhanf werden Sorten bezeichnet, bei denen der THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol, der berauschende Hauptwirkstoff) unter 0,2 % liegt. Nur sie dürfen kultiviert werden.
Botanische Beschreibung
Hanf (Cannabis sativa L.) ist eine schnell wachsende, einjährige, krautige Pflanze in der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Die Wurzel kann je nach Bodenbeschaffenheit bis 2 m lang werden; deshalb eignet sich der Tiefwurzler auch zur Bodenverbesserung, wobei er den Boden lockert und wertvolle Mineralstoffe an die Oberfläche bringt. Der Boden kann bei Fruchtwechsel so zum späteren Anbau von anspruchsvollerem Getreide vorbereitet werden. Der 2 bis 7 m hohe, aufrechte und verzweigte Stängel trägt lang gestielte, handförmig zusammengesetzte Blätter und verholzt gegen Ende der Wachstumsphase. Der Hanfstängel besteht aus dem inneren Holzgewebe, das der Pflanze die Stütze gibt und in dem Wasser und Nährstoffe aus dem Boden in die Blätter transportiert werden, sowie aus dem äußeren Bastgewebe, den Hanffasern, welche die in den Blättern gebildeten Assimilate in die Wurzeln befördern. Diese Fasern geben der Pflanze die Zug-, Reiß- und Drehfestigkeit. Die 7 bis 11 schmal lanzettlichen, dunkelgrünen Blättchen sind am Rande grob und scharf gezähnt. Die weiblichen und männlichen Blüten erscheinen in der Regel auf unterschiedlichen Pflanzen (diözisch), es gibt aber auch einhäusige (monözische) Zuchtsorten. Die männliche Blüte besteht aus fünf hängenden Staubblättern und ebenso vielen Hüllblättern. Die weibliche Blüte hat eine einfache Blütenhülle, die den oberständigen, aus zwei Fruchtblättern gebildeten Fruchtknoten becherartig umgibt, und zwei lange Griffel ragen aus dem Tragblatt heraus. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind. Die hellgrauen bis braunen Früchte sind 3 bis 4 mm große Nüsschen mit jeweils nur einem ölreichen Samen, der von einer dünnen Fruchtschale umgeben ist.
Die ursprüngliche Heimat des Hanfs ist vermutlich Zentralasien, heute ist er fast weltweit in gemäßigten bis tropischen Klimazonen verbreitet, in Kultur und auch verwildert auf Ödland und Schuttplätzen. Weltweit ist China führend in der Nutzhanfproduktion, besonders für die Textilindustrie, gefolgt von der EU, wo Frankreich ganz vorne liegt.
Je nach der Nutzung von Hanf wird das optimale Anbaugebiet ausgesucht und die Samen geeigneter Sorten in einer bestimmten Dichte ausgesät; 42 zertifizierte Sorten sind in der EU zugelassen. Bei kleinflächigen Parzellen und bei Biobetrieben wird Hanf meist nur angebaut zur Gewinnung von Samen, bei größeren Betrieben wird die „Kuppelnutzung“ angestrebt, bei der Samen und Stroh gewonnen werden. Die Ernte erfolgt mit Mähdreschern, die für die Hanfernte angepasst werden. Die Gewinnung der Hanffaser aus dem Stroh erfolgt (ähnlich wie beim Flachs) durch Trocknung und Röste auf dem Feld; dem Brechen, wobei die Fasern von den Schäben getrennt werden, folgt die Reinigung und Verfeinerung der Fasern.
Die Verwendung der Hanfpflanze
Alle Teile der Pflanze sind nutzbar, gut haltbar und vielseitig verwendbar. Die nährstoffreichen Samen sind sehr gesund und das aus ihnen gepresste Öl hat einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Die Fasern sind geschätzt wegen ihrer Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit und Schädlinge. Sie können als Dämmstoff verwendet werden, sie eignen sich wegen des hohen Gehaltes an Zellulose zur Herstellung von Papier und je nach Länge zur Herstellung von feinen Textilien oder groben Vliesen. Die Schäben sind die Reste der verholzten Pflanzenteile, die sich nicht zur Fasergewinnung eignen; sie werden als Tiereinstreu und vermehrt in der Bauwirtschaft verwendet. Die ätherischen Öle aus den Blättern und Blüten finden als Geschmacksstoffe in Lebensmitteln oder als Geruchsstoffe in kosmetischen Produkten und Waschmitteln Verwendung.
Lebensmittel: Hanfsamen und das aus ihnen kalt gepresste Öl sind vor allem wegen des hohen Gehaltes an ungesättigten Fettsäuren, wegen des Gehaltes an hochwertigem Eiweiß in Form der essenziellen Aminosäuren und wegen wertvoller Vitamine und Mineralstoffe besonders geeignet für Speisen, denen sie ein leicht nussiges Aroma geben. Die Samen finden Verwendung in der Schokolade, im Müsliriegel, Käse, Eis und Joghurt, das Öl in Salatdressings und Marinaden. Die Nüsschen kann man knabbern, Salaten beimischen, auch sind sie in vielen Vogelfutterzubereitungen zu finden. Der Presskuchen, der bei der Ölgewinnung anfällt, wird getrocknet und zu Hanfmehl gemahlen, das zur Bereitung von Brot, Back- und Teigwaren verwendet wird. An der Luft getrocknete Blätter und Blüten dienen zur Bereitung von Bier, Tee, Säften und Sirupen; aus frischen jungen Blättern gewinnt man die Smoothies.
Hanföl und die aus den Blättern und Blüten gewonnenen ätherischen Öle eignen sich aber auch hervorragend für die Verwendung in hochwertigen Kosmetikartikeln (Seife, Cremes, Shampoos), vor allem weil die Linolsäure auf die Haut eine wohltuende Wirkung ausübt.
Hanföl wird seit Jahrhunderten auch eingesetzt als technisches Öl, z.B. bei der Konservierung und Pflege von Holz. Anstrichfarben und Wachsmalstifte werden wieder aus Hanföl hergestellt.
Im Textilbereich finden die Fasern Verwendung zur Herstellung von modischen Hemden, Blusen, Hosen und Jacken, von rustikalen Taschen und Schuhen sowie Bezugsstoffen für Möbel.
Hanffasern werden für die Herstellung von Spezialpapieren, vom feinsten Filterpapier über Banknoten bis speziellen technischen Papieren, eingesetzt. Gemischt mit Altpapier und Holzzellstoff werden sie auch für Standardpapiere verwendet.
Autobestandteile: Aus Hanf- und Naturfaservliesen werden von Autoherstellern Formpressteile wie Türinnen- und Kofferraumverkleidungen, Sitzlehnen und Instrumententafeln mit sehr gutem Unfallverhalten verwendet. Naturfaserverstärkte Kunststoffe und modifizierte Naturfasern werden in Zukunft auch im Außenbereich von Fahrzeugen einsetzbar sein.
Baustoff: Hanf ist (zusammen mit anderen Naturfasern) in der Bauwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Man findet ihn als Schallschutz und Dämmstoff, der wärmedämmend und -speichernd, atmungsaktiv und feuchtigkeitsregulierend, raumluftverbessernd, langlebig und brandsicher ist. Eine Neuheit ist die Formpressung eines Gemisches aus Schäben und Kalk als Bindemittel. Die Festigkeit von Beton wird durch den Zusatz von Hanffasern und Schäben erhöht. Auch Ziegel lassen sich mit Hanf herstellen, sie sind wesentlich leichter, besser dämmend und langlebiger als herkömmliche Ziegel.