Der Meraner Saltner
nach Carl Wolf
In diesen Tagen ist die Weinlese in vollem Gange. In den Weinbergen hängen die reifen Trauben. Diese Weingärten waren Jahrhunderte lang der Arbeitsplatz des Saltners.
Der „Saltner“, wie in der Meraner Umgebung der Weinhüter, oder besser gesagt, der Flurwächter, genannt wurde, war eine ebenso merkwürdige wie beachtenswerte Erscheinung.
Schon sein Aussehen war originell und auffallend. Ein gewöhnlicher, breitkrempiger Bauernhut wurde so zusammengebogen, dass er aussah wie ein Dreispitz. Dann wurde dieser Hut über und über mit Hahnen- und Nachteulenfedern besteckt. Wegen ihrer ganz besonderen Kraft gegen alle Ränke und Anschläge der Hexen wurden dabei die Federn des schwarzen Haushahnes vorgezogen. Vorne am Hut wurden sehr häufig zwei Eichhörnchenbälge als Symbol der Gewandtheit befestigt, und an den Ecken baumelten zwei Fuchsschwänze als Symbol der Schlauheit. Sonst wurden wie gewöhnlich die rote Weste, die kurzen, ledernen Hosen, welche das Knie freiließen, und weiße Strümpfe sowie der mit Pfauenfederstreifen gestickte, breite Lendengurt, „die Bind“, getragen. Anstatt der braunen Lodenjoppe kam nun aber ein Lederkoller, dessen Unterärmel mit schmalen Riemen an der Schulter befestigt waren. An der Brust des Saltners hingen an feinen Kettchen große Eberzähne, welche, als Pfeifchen hergerichtet, zu Warnsignalen verwendet wurden. Starke, lederne Gamaschen schützten die Unterschenkel. In der Seitentasche der Hosen trug der Saltner das breite, halbmondförmige Rebmesser; eine Hellebarde, oft ein Museumsstück, war seine unmittelbare Waffe, während er die hinter der „Bind“ steckende Pistole nur zu Schreck- oder Warnschüssen benutzte.
Die Saltner bewachten die Weinberge einer bestimmten Anzahl von Höfen und ein solcher Bezirk wurde „die Hut“ genannt. Jeder Hof war Eigentümer irgendeines Stückes Saltnerausrüstung, um so die Zusammengehörigkeit der „Hut“ zu bezeichnen. In dem Haupthause der „Hut“ befand sich die „Rungel“, ein schweres, vierzig Zentimeter breites Messer, mit allerlei Zeichen versehen. Mond und Sterne waren darauf eingeschlagen, zum Zeichen, dass der Saltner bei Nacht wachsam sein sollte, oft auch ein mit dem Saltner ringender Teufel, und nie fehlte das Drudenkreuz, das gegen die Druden, d.h. Nachtgeister, schützen sollte und eine eigenartige Gestalt hatte. Die Rungel führte auch den Kosenamen „´s Greatele“ (Gretchen), der Bauer, der sie aufbewahrte, hieß darum der „Gretlbauer“.
Wurde ein Bursche von den „Hutbauern“ zum Saltner erwählt, und dies war eine große Ehre, denn er musste ein tadelloses Vorleben haben und wurde von der politischen Behörde in Pflicht genommen, so stellte er sich beim „Gretlbauer“ vor und sprach: „Die Ehr´ zu danken kumm i, dass mi die Wahl troffen hat, und wenn a Wein im kühlen Keller wär, den Antrunk machet i zur gerechtsamen Hut.“ Der „Gretlbauer“ brachte nun einen Krug Wein und trank davon mit dem Spruche: „´s Vertrauen hat schon in Richtig´n troff´n. Beschütz' es und ehr's!“ Hierauf reichte er dem Burschen den Krug, welcher bedächtig leer getrunken wurde. Dann wurde dem Saltner die Rungel übergeben, welche er an der rechten Hüfte befestigte und er begann seinen Rundgang auf den betreffenden „Huthöfen“, um die einzelnen Stücke seiner Ausrüstung zu sammeln. Überall wurde der obligate Krug Wein getrunken, und wenn der Saltner sich vom letzten Hofe seiner Hut entfernte, so schaute ihm wohl der Bauer schmunzelnd nach. “Dös werd a saggrischer Saltner“, sagte er, „den reißt's nit glei um“. Diese Bemerkung war bedeutungsvoll, wenn man bedenkt, dass der Bursche im Laufe des Nachmittags vielleicht fünf Liter Rotwein getrunken hatte.
Während seiner Dienstzeit hatte der Saltner die Kost abwechselnd in jenen Bauernhöfen, deren Weingärten er überwachen sollte. Seine Kammer gab er für diese Zeit auf und bereitete sich da und dort in den Häusern, in irgendeinem Winkel der Scheune eine Lagerstätte. In manchen Bezirken durfte der Saltner nie in einem Hause schlafen, sondern es wurden sogenannte „Saltnerhütten“ errichtet, in welchen ein Bündel Stroh, eine Wolldecke und ein mit Heu gefüllter Sack das Lager bildeten.
Um Jakobi (25. Juli) begann der Dienst der Saltner. Durch die Weingärten führte eine Menge viel benützter Wege. Von diesem Tage an wurden sie aber „Pfandwege“. Der Saltner stellte bei der Einmündung derselben einen Pfahl auf, mit einer roh aus einem Brett geschnittenen Hand, die mit Dornenzweigen geziert war, die „Saltnertatz“. Der Weg war nun nicht gerade verboten, aber wer auf einem solchen vom Saltner getroffen wurde, zahlte ein Pfandgeld.