Die Barmherzigen Schwestern
und ihr „Kloster am Rande der Stadt“
Im Winter 2021 von Margareth Bernard
Wenn Kranke und Betagte in den vergangenen 100 Jahren Hilfe und Zuflucht in Krankenhäusern oder Altenheimen suchten, begaben sie sich dabei häufig in die pflegerische Obhut der Barmherzigen Schwestern. Deren Provinzhaus steht – ein Kloster am Rande der Stadt – an der Laurinstraße in der Meraner Fraktion Gratsch. Wir trafen uns dort mit Schwester Elisabeth Pfattner, um mit ihr hinter die Klostermauern zu schauen und zu erfahren, ob der Mangel an Nachwuchs in absehbarer Zeit das endgültige Aus der Gemeinschaft bedeuten wird.
Es herrschte eine ruhige, angenehme Atmosphäre im geschichtsträchtigen Haus. Nichts deutete darauf hin, dass hier bald eine Ära zu Ende gehen wird, in der die hilfreichen Hände unzähliger Schwestern für viele Menschen unseres Landes Großes geleistet haben. Nicht laut und auffallend, nein, tagtäglich ohne großes Aufsehen an den Betten vieler Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen, die krank, hilfsbedürftig oder alt waren oder alles in einem. Auch als Grundschullehrerinnen und Kindergärtnerinnen leisteten einige Schwestern wertvolle Dienste.
Die Barmherzigen Schwestern in Südtirol
Die Barmherzigen Schwestern von Gratsch gehören zum Mutterhaus in Innsbruck, das 1839 gegründet worden war. Nach einer raschen Ausbreitung der Gemeinschaft im damaligen Tirol gab es 1910 im heutigen Südtirol bereits 193 Schwestern in 42 Niederlassungen, darunter in Meran das Versorgungshaus Untermais, das Filipinum und das Elisabethheim. Barmherzige Schwestern waren zum Beispiel auch in den Krankenhäusern von Bruneck, Innichen und Sterzing tätig. Hundert Jahre später gab es 2010 zum Vergleich nur mehr 90 Schwestern in 11 Niederlassungen.
Nach dem Ersten Weltkrieg und unter dem Faschismus drohte die Auflassung der Niederlassungen und alle damals in Südtirol tätigen Schwestern hätten ins Mutterhaus nach Innsbruck zurückkehren müssen. Um dies zu verhindern, wurde 1922 die Ordensprovinz Bozen mit einer gewissen Unabhängigkeit vom Innsbrucker Mutterhaus gegründet. Der Sitz der Provinzleitung befand sich im Krankenhaus Bozen, wo die Schwestern seit 1860 tätig waren. Der italienischen Krankenhausleitung waren die „deutschen“ Schwestern ein Dorn im Auge, weshalb sie regelrecht gemobbt wurden. Dieser Umstand hatte die Suche nach einem Haus zur Folge, in dem die Leitung ihren neuen Sitz finden konnte.
Der Fallgatterhof wird Provinzhaus
1935 kamen Barmherzige Schwestern nach Martinsbrunn, um dort die wirtschaftliche Führung zu übernehmen, weil der Besitzer, Dr. Norbert von Kaan, in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und das Haus schließlich schweren Herzens verkaufen musste – eine glückliche Fügung für die Schwestern, die eine neue Niederlassung suchten und 1941 den Kaufvertrag mit Dr. von Kaan abschlossen. Zu dessen Besitz gehörten auch der Pflanzer- und der Fallgatterhof, welche die Schwestern ebenfalls erwarben. Martinsbrunn wurde als Sanatorium weitergeführt; der Fallgatterhof – damals ein Gasthaus – wurde zum Sitz des Provinzhauses.
Martinsbrunn – das Herzstück des Tätigkeitsbereichs der Schwestern
Als die Deutschen 1943 Südtirol besetzten, wurde Martinsbrunn zur Ausweichstation für das Krankenhaus der Stadt. Dies erforderte die Anschaffung der notwendigsten chirurgischen Apparaturen. Mit vielen Investitionen und der Einstellung freiberuflicher Ärzte verschiedener Fachrichtungen begann für das Haus eine sehr intensive Zeit. Neben der medizinischen gab es noch eine chirurgische, eine gynäkologische und eine Geburtenabteilung.
Im Jahr 1983 musste die chirurgische Abteilung geschlossen werden, weil die Ausgaben für eine Modernisierung der Operationssäle die finanziellen Möglichkeiten des Hauses überstiegen hätten. Damit ging in Martinsbrunn eine Ära zu Ende.
In den folgenden Jahren bis 2002/03 diente das Haus als Belegklinik für freiberuflich tätige Ärzte aus den Bereichen Allgemeinmedizin und Innere Medizin. 2002 wurde die Rehabilitationsabteilung mit 18 Betten eröffnet.
Ein wichtiger Schritt erfolgte im Jahr 2003, als die Idee eines Hospizes mit der Palliativstation – zuerst mit 6, später mit 12 Betten – ihre Verwirklichung erfuhr. Eine zusätzliche Ausrichtung erhielt das Haus 2014 mit der Errichtung des Senioren- und Pflegeheimes.
Im Jahr 2017 fand das Wirken der Barmherzigen Schwestern in Martinsbrunn ein Ende, als sie das Haus an die St.-Elisabeth-Stiftung verkauften, um es – wie damals Dr. Norbert von Kaan – in guten Händen zu wissen. Zu groß waren inzwischen die Herausforderungen, um ein so großes Haus mit einer immer kleiner werdenden Schar von Schwestern auf der einen Seite und dem immer größer werdenden bürokratischen und verwalterischen Aufwand auf der anderen problemlos weiterzuführen. Damit ging für die Schwestern eine Zeit zu Ende, die geprägt war von aufopfernder Arbeit im Dienste und zum Wohle unzähliger Menschen, ganz im Sinne der Ausrichtung des Ordens.