Die Freimaurer in Südtirol
Im Herbst 2021 von Eva Pföstl
Über Jahrhunderte hinweg hatten sie einen geheimnisvollen Ruf, oftmals wurden sie als „verschwörerischer Geheimbund“ oder „dunkle Mächte“ betitelt. Ein Trugschluss.
Heute öffnet sich der durch Verschwiegenheit und Zeremoniell schillernde Männerbund, der mittlerweile weltweit sechs Millionen Mitlieder hat, - zumindest ein Stück weit - der Öffentlichkeit. Ganz zu unserer Freude, denn nun können auch wir Nicht-Freimaurer einen kleinen Blick hinter die Fassade werfen und unsere Neugier stillen, was es denn mit dieser Bruderschaft auf sich hat.
Auch in Südtirol existieren sie. Es gibt zwei italienischsprachige Logen in Bozen und eine deutschsprachige, nämlich die Loge „Franz von Gumer“, benannt nach dem Begründer der Freimaurerei in Südtirol im Jahre 1780. Sie ist die einzige Loge in Italien, die in deutscher Sprache arbeitet und wurde 1978 in Bozen mit italienischer und österreichischer Hilfe als Loge des „Grande Oriente d’Italia“ gegründet. Dennoch ist sie multikulturell: Zwar sind die Mehrheit der über 50 Brüder deutschsprachige Südtiroler (darunter auch ein paar Meraner), einige sind jedoch auch italienischer und ladinischer Muttersprache. Und mehrere Ausländer sind auch dabei: aus Österreich, aus Deutschland, der Schweiz und je einer sogar aus Wales und aus Island. Die Brüder kommen aus allen Schichten. Es sind Anwälte, Ärzte, Geschäftsleute aber auch Handwerker unter den Mitgliedern. Und das Interesse an der Freimaurerei in Südtirol wächst, besonders bei der jüngeren Generation.
Was ist also ein Freimaurer? Wofür stehen sie? Wie kann man(n) Freimaurer werden? Viele Fragen, die beantwortet werden wollen. Hierfür muss man jedoch zurück zum Ursprung der Freimaurer-Geschichte.
Die Geschichte der Freimaurerei
Die Ansätze der freimaurerischen Idee gehen zurück ins Mittelalter. Steinmetze fingen zu dieser Zeit an, sich in Bauhütten zu treffen, um ihr Brauchtum und ihr Fachwissen auszutauschen und zu konservieren. Um dieses Wissen vor der Konkurrenz zu schützen, verpflichteten sich die Handwerker zur Verschwiegenheit. Diskretion ist auch heute noch die Maxime der Freimaurer. In der Frühzeit der bürgerlichen Gesellschaft zogen die Logen dann auch Adelige und Bürgerliche an – unter ihnen Gelehrte, Kaufleute und Beamte. Es ist dies der Übergang von der operativen zur spekulativen Freimaurerei. Offizielles Gründungsdatum der „modernen“ Freimaurerei ist der Zusammenschluss von vier englischen Logen zur „United Grand Lodge of England“ am 24. Juni 1717. Die Freimaurerei wurde nun zu einer weltumspannenden Bruderkette, deren Mitglieder sich für die Abschaffung des Absolutismus, für Demokratie und die Anerkennung der Menschenrechte, das Ende der Sklaverei und moderne Nationalstaaten einsetzten. Berühmte Freimaurer waren etwa Friedrich der Große, Goethe, Lessing, Liszt, Voltaire, Casanova, George Washington, Winston Churchill, W.A. Mozart, Oscar Wilde, Walt Disney, Kurt Tucholsky, John Wayne, Neil Armstrong, um nur einige zu nennen.
Wofür steht die Freimaurerei?
Um ihre Lebensphilosophie zu beschreiben, bedienen sich die Freimaurer einer Metapher: Sie vergleichen die Entwicklung eines Menschen (und der Gesellschaft) mit der Errichtung eines Bauwerks, des Salomonischen Tempels. Denn König Salomon gilt in der Überlieferung der Steinmetze als der größte Bauherr in der Heiligen Schrift. Die Freimaurer deuten den Salomonischen Tempel in einen Tempel der Humanität um. Der Freimaurer strebt danach, sich selbst (den inneren Tempel) und die Gesellschaft (den äußeren Tempel) zu verbessern. „Arbeit am rauen Stein“ nennen die Brüder das. Wie ein Steinmetz aus einem unbehauenen Stein eine Figur formt, so soll jedes Logenmitglied an seinem Charakter feilen. Dabei sollen die Brüder Werte wie Solidarität, Humanität und Toleranz in praktisches Handeln umsetzen und andere dazu animieren, es ihnen gleichzutun. In diesem Sinne unterstützen die Freimaurer in Südtirol auch jedes Jahr bedürftige Personen.