Die Jugendwohngemeinschaft WoGe in Obermais
Im Frühling 2024 von Eva Pföstl
Seit 1955 begleitet das Südtiroler Kinderdorf Kinder, Jugendliche und Eltern in schwierigen Lebenssituationen. In dieser Zeit wurden zahlreiche Einrichtungen, Dienste und pädagogische Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche geschaffen und damit auf verschiedene Notlagen reagiert. Ursprünglich wurden die typischen Kinderdorffamilien als Ersatz für die Herkunftsfamilie angeboten. Im Laufe der Zeit hat sich das Kinderdorf zu einer sozialpädagogischen Einrichtung entwickelt und klassische Kinderdorffamilien gibt es heute nur mehr wenige. Das Angebot wurde durch Betreuungsplätze in familienähnliche Einrichtungen, mehreren Kleinwohnungen für alleinerziehende Frauen und Wohnplätze für Jugendliche in Wohngemeinschaften ergänzt. Die erste sozialpädagogische Jugendwohngemeinschaft wurde 1983 in Brixen eröffnet. In Meran/Obermais gibt es seit 1995 die Jugendwohngemeinschaft „WoGe“.
In den 1970er-Jahren wurde dem Kinderdorf ein kleines Haus in Obermais (damals wurde es Hexenhäusl genannt) vererbt. Noch bis in die 1990er-Jahre hatten zwei Damen den Fruchtgenuss, also konnte nur ein kleiner Teil genutzt werden. Die Damen lebten in Österreich und Deutschland und verbrachten nur hie und da ein paar Tage in Meran. Als dann die beiden Damen verstarben, wurde das ehemalige Haus abgerissen und das heutige erbaut. 1995 wurde es in Betrieb genommen. „Die Sozialdienste waren an das Kinderdorf herangetreten und hatten gefragt, ob es die Möglichkeit gäbe, eine Außenstelle des Kinderdorfes in Meran zu eröffnen, um die Unterbringung von Kindern aus dem Vinschgau zu gewährleisten. Man wollte sie nicht zu weit weg von ihrem Zuhause unterbringen. Daher kam diese Erbschaft sehr gelegen“, erzählt uns Spiridon Dovas, der sich im „WoGe“ in Obermais gemeinsam mit seinem 5-köpfigen Team um einheimische Jugendliche beider Sprachgruppen und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmert. Der gebürtige Grieche hat in Florenz Pädagogik studiert und und arbeitet seit 2001 für das Kinderdorf. Er und sein Team können auf ein breitgefächertes Erfahrungspotential zurückgreifen.
Sozialpädagogische Wohngemeinschaft „WoGe“
Das „WoGe“ bietet Platz für 8 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Eltern sein können, und hat zusätzlich einen Platz, der für Notaufnahmen genutzt werden kann. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt 2 Jahre. Eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer über das 18. Lebensjahr hinaus ist in Absprache mit den Jugendlichen und dem Sozialdienst möglich.
Ein sicheres Zuhause auf Zeit
Derzeit sind im „WoGe“ in Meran alle Plätze besetzt: sieben Mädchen und zwei Jungs leben in der Wohngemeinschaft. Fünf der Jugendlichen gehen zur öffentlichen Schule – sowohl in die deutsch- als auch italienichsprachige und zwei der Jugendlichen arbeiten bei „Work-up“, einem Werkstatt-Projekt für Arbeitstraining des Jugenddienstes Meran.
Den Jugendlichen stehen Einzelzimmer zur Verfügung. Das Badezimmer teilen sich die in einem Stock zusammenlebenden Jugendlichen zur gemeinsamen Nutzung. Die großzügigen Gemeinschaftsräume sowie der weitläufige Außenbereich bieten viele Möglichkeiten für die aktive Freizeitgestaltung.
„Wir bieten den Jugendlichen ein Zuhause: mit festen Bezugspersonen, klaren Regeln und einer geregelten Tagesstruktur“, erklärt der Teamleiter. So gehören vorgeschriebene Studierzeiten, Küchendienst, Putz- und Waschdienst, genaue Handyregeln, Besuchsregeln genauso zum Ritual wie das gemeinsame Abendessen, auf das Spiridon Dovas sehr viel Wert legt. Das Wochenende können die Jugendlichen – je nach Situation – zu Hause bei der Familie verbringen oder in der Wohngemeinschaft bleiben; für interessante Ausflüge wird gesorgt.