Die Liechtensteins in Meran
Im Herbst 2020 von Eva Pföstl
Etwa 800 Schlösser und Burgen gibt es in unserem Land, konzentriert wie nirgendwo sonst in Europa. Sie zeugen von einem einst mächtigen Gesellschaftsstand, dessen Nachfahren heute im Spagat zwischen Vergangenem und Künftigem leben. Anders als in anderen Ländern in Europa sind die Schlösser in Südtirol fast alle in Privatbesitz, rund achtzig werden sogar noch bewohnt. Dazu gehören auch Schloss Rottenstein und der Ansitz Rosenstein in Obermais.
Schloss Rottenstein in Obermais war schon immer Privatbesitz und gehörte über die Jahrhunderte verschiedenen Adelsgeschlechtern. Bereits im 14. Jahrhundert waren die Herren von Rottenstein im Besitz des Anwesens oberhalb des Brunnenplatzes. Über 100 Jahre waren auch die Freiherren von Priami die Besitzer des Gutshofes. Deswegen wurde Schloss Rottenstein im Volksmund lange „Priamischloss“ genannt. Heute erinnert der Priamiweg an die einstigen Besitzer. 1863 erwarb Erzherzog Carl Ludwig, der Bruder von Kaiser Franz Joseph, das Anwesen im Erbweg von der Witwe nach Kaiser Franz Karolina Augusta. Ein halbes Jahr später kaufte er den Ansitz Rosenstein dazu, um seinen Pflichten in Tirol nachkommen zu können. Seither bilden beide Anwesen eine Einheit. Diesen Besitz erbte sein Sohn Erzherzog Ferdinand Karl, der infolge seiner Heirat mit der bürgerlichen Berta Czuber auf seine Zugehörigkeit zum Hause Habsburg verzichten musste und nunmehr den bürgerlichen Namen Ferdinand Burg trug. Nach seinem Tod 1915 in München erbte dessen Witwe Berta Burg die beiden Ansitze. Diese überließ den Besitz den Prinzen Ulrich und Georg von Liechtenstein gegen Wohnrecht auf Lebzeiten. Mit ihrem Tod ging 1979 der Besitz zuerst an Prinz Georg und dessen Sohn Prinz Christoph von und zu Liechtenstein, der seit 1978 mit seiner Mutter, Prinzessin Marie Christine, mehrere Monate im Jahr in Obermais verbringt. Für beide ist Meran, im speziellen Obermais, zur zweiten Heimat geworden.
Das Liechtensteinische Fürstenhaus zählt zu den ältesten Adelsfamilien in Europa. Prinz Christoph, der heutige Schlossbesitzer, ist ein Cousin des amtierenden Fürsten von Liechtenstein, Prinz Hans Adam II. „Wer aus einer jahrhundertealten Familie kommt, hat ein spezielles Verhältnis zur Gegenwart. Die Tradition gibt Halt – man muss aber offen sein für Neues“, erzählt Prinzessin Marie Christine. Sie wurde 1924 in Tübingen geboren, verbrachte ihre Kindheit auf Schloss Altshausen bei Ravensburg, besuchte eine Klosterschule in der Nähe von Altötting und dann die Schule in Freiburg im Breisgau. 1948 heiratete sie Prinz Georg von und zu Liechtenstein und die junge Familie begann in Wien ihre gemeinsame Zukunft. Prinz Georg übernahm die Aufgabe, im Weinviertel den Wiederaufbau und die Neuorganisation der landwirtschaftlichen Betriebe seines Bruders, des Fürsten Franz
Josef II, die von der russischen Besatzung ausgeplündert und zunichtegemacht worden waren, zu leiten bzw. durchzuführen. In der amerikanischen Besatzungszone in Wien konnte sich die Familie mit ihren Kindern gut durchschlagen. „Meine Hochzeits- und zugleich erste Auslandsreise machte ich 1948 nach Meran. Wir verbrachten wunderschöne Tage im damaligen Hotel Eden und besuchten unsere Tante Berta Burg auf Schloss Rottenstein. Anschließend verbrachten wir jedes Jahr unvergessliche Ferientage in Meran“, erzählt die Prinzessin. Ihr Ehemann, Prinz Georg, verstarb 1998 im 87. Lebensjahr in Wien und wurde mit musikalischer Begleitung der Musikkapelle Obermais in der Familiengruft in Vaduz beigesetzt. „Ja, zu den Obermaisern hatten wir schon immer ein gutes Verhältnis“, erzählt sie. Über 40 Jahre durften die Vereine von Obermais im Park von Schloss Rottenstein ihre Feste veranstalten. „Dies war für uns eine Selbstverständlichkeit – und schließlich wurde nach den Festen immer alles ordentlich aufgeräumt“, sagt sie lachend.
Auch Prinz Christoph, der heutige Schlossherr, hat ein gutes Verhältnis zu Meran. Er kam in seiner Jugend in den Sommermonaten öfters ins Schloss Rottenstein, um seine Tante zu besuchen. „Wir haben intensive Sommermonate hier verbracht – da war immer was los“, erinnert er sich. Besonders fasziniert habe ihn bereits als Kind der wunderschöne Park von Schloss Rottenstein, der heute unter Naturschutz steht. So ein Park ist etwas, das über die Jahrzehnte, ja Jahrhunderte immer schöner und faszinierender wird. Parks überdauern Menschenleben mit Bravour. „Angelegt hat den Park mein Urgroßvater, denn zu einem schönen Ansitz gehörte damals unbedingt ein repräsentativer Park“, erklärt der Schlossherr.
Der Name und die Tradition verpflichten
Heute verwaltet der gelernte Jurist die landwirtschaftlichen Güter des Ansitzes und widmet sich der Sanierung und Aufrechterhaltung der historischen Gebäude von Schloss Rottenstein und dem Ansitz Rosenstein, die beide unter Denkmalschutz stehen. Schloss Rosenstein ist heute vermietet, Schloss Rottenstein teilweise. Der Schlossherr und seine Mutter bewohnen einen Teil des 2. Stockes des Schlosses. „Der andere Teil wird nur im Sommer benutzt, denn im Winter wird es in einigen Räumlichkeiten richtig kalt“, sagt Prinzessin Marie Christine. Den landwirtschaftlichen Betrieb will Prinz Christoph vom Apfelanbau auf Weinbau umstellen – allerdings gibt es Probleme mit der Zuteilung der Pflanzrechte, die vorab gelöst werden müssen.
„Der Titel spielt heute keine Rolle mehr“, sagt Prinz Christoph, der standesgemäß als „Ihre Durchlaucht“ angesprochen würde. „Auch der Adel muss versuchen durchzukommen, wie jeder andere auch. Wir sind nichts Besseres“, fügt er hinzu, „aber vielleicht sind wir etwas anders.“