Die Meraner Würstlstandl-Pioniere
Für viele von uns eine Selbstverständlichkeit, man ist in der Stadt unterwegs und der Hunger meldet sich vehement, man nutzt die Mittagspause für einen herzhaft-sättigenden Würstlstandl-Besuch oder sucht nüchterne Stärkung nach einem langen, feucht-fröhlichen Abend, was zumeist nur in größeren Städten möglich ist.
Das war nicht immer so. In den Nachkriegsjahren pulsierte das Nachtleben in Meran, es gab etliche Kinos, zahlreiche Nachtclubs und Gasthäuser, in denen bis in die frühen Morgenstunden das Leben tobte. Dies wissend, ist es nicht verwunderlich, dass das Würstlstandl am Pfarrplatz von Johann vulgo Hans Hofer von 6 Uhr abends bis 4 Uhr früh geöffnet hatte. Durch das Passeirertor, die Hallergasse und die Lauben schlängelte sich die Verkehrsader aus dem Passeiertal, selbstverständlich war das Verkehrsaufkommen noch bescheiden und störte die Würstelverzehrer wohl kaum.
Wahrscheinlich war Hans Hofer der erste Würstlstandl-Betreiber in ganz Südtirol, wenn nicht italienweit. „Mein Vater war ein Pionier und von Unternehmergeist getrieben“, erzählt Edith Hofer, seine Tochter.
Als Sohn eines Landwirts und Krumers 1912 in Dorf Tirol geboren, erlebte er eine entbehrungsreiche Kindheit, verbunden mit vielen Ortswechseln, von 1932 bis 1938 war er als Hausdiener und Austräger bei der Spezerei und Bäckerei Zirnhöld in Meran beschäftigt. Zur Optionszeit 1939 entschloss er sich, genauso wie drei seiner sechs Geschwister, auszuwandern. Er kam nach Deutschland, u.a. nach Augsburg und Heidenheim, dort wurde er sogleich zum Kriegsdienst eingezogen, wehrdienstverpflichtet machte er den Führerschein und war als Kraftfahrer und Chauffeur tätig, schlussendlich verschlug es ihn mit den deutschen Truppen nach Italien und 1944 geriet er in Kriegsgefangenschaft. Wenig bekannt ist, dass rund 430.000 Kriegsgefangene in Lagern in Amerika interniert worden waren, so auch Hans Hofer. Per Schiff wurden die europäischen Kriegsgefangen in die Vereinigten Staaten gebracht. „Von Amerika sprach mein Vater immer gut, er war nahezu begeistert“, erinnert sich Edith. Die Behandlung im Kriegsgefangenenlager Camp Ashby in Suffolk, einer Hafenstadt im US-Bundesstaat Virginia, sei sehr gut gewesen, mit ordentlicher Verpflegung, geregelter Arbeitszeit und Sold, er leistete seinen Arbeitsdienst beim Bau von Eisenbahnlinien. „Mi hobm sie iberoll gerne kopp“, pflegte der charismatische und gesellige Würstl-Pionier zu sagen. Nach seiner Rückkehr lebte er eine Zeitlang in München und begegnete dort wohl den ersten Würstlstandln. Mit einer Idee im Hinterkopf übersiedelte er wieder nach Meran und zog zu seinen Eltern, die in der Hallergasse lebten.
Gemeinsam mit seinem Bruder Sepp begann er das Würstlstandl-Geschäft. Anfänglich tingelten die beiden von Viehmarkt zu Viehmarkt, derer es viele gab und von denen der Stegener Markt und der Sealamorkt zu Allerseelen in Glurns auch heute noch bekannt sind. Ihren ersten Standplatz in Meran hatten sie vor dem Bozner Tor nahe dem Restaurant Sigmund und ihr Gefährt war ein modifiziertes Fahrrad, dem bald schon ein Verkaufs- und Zubereitungswagen folgte, der mit einem Motorrad fortbewegt werden konnte. „Gemeinsam mit einem Untermaiser Spengler tüftelte er ständig an neuen, besser ausgeklügelten Würstl-Fahrzeugen“, erzählt Edith. Naturgemäß verfügten die selbst gebauten Gefährte über einen Kessel für das Warmwasser und Stauraum zur Unterbringung der Gasflasche, eine Lade für das Brot, Schubladen für das Butterpapier, auf welchem die Wurst serviert wurde, Servietten und Senf.