Die Schnapsbrennerin
Christine Schönweger
Im Winter 2020 von Eva Pföstl
Es gibt wohl wenige Meraner, die wissen, dass der ehemalige Stadtschreiber von Meran – Anton Simon von Isser – seine Sommerresidenz in Partschins hatte, genauer gesagt im Ansitz Gaudententurm. Der Edelsitz am Dorfeingang von Partschins wurde 1348 von Meinhard, Edler von Gaudenz, erbaut. Auf den Rittersmann mit dem verheißungsvollen Namen (Gaudenz geht auf das Lateinische „gaudere“ zurück, was so viel bedeutet wie „genießen“, „sich erfreuen“) folgen im Zuge der Jahrhunderte mehrere Besitzer. 1792 schließlich erwirbt der Meraner Stadtschreiber Anton Simon von Isser den Gaudententurm und dieser ist seitdem im Familienbesitz der Familie von Sölder. Christine Schönweger und ihr Sohn Felix von Sölder haben den alten Gemäuern mit ihrer Leidenschaft für edle Tropfen sprichwörtlich neuen Geist eingehaucht.
Seit 1993 bewirtschaftet Christine Schönweger mit viel Hingabe und Leidenschaft das Anwesen von etwa 2,5 ha Größe. 2007 errichtete sie im Gaudententurm die hofeigene Schnapsbrennerei: 300 Liter Destillat produziert sie jährlich, das sind ca. 2.000 Flaschen Schnaps, die sie nicht nur eigenhändig abfüllt, sondern auch etikettiert und ausschließlich ab Hof verkauft. Nicht ohne Stolz kann Christine darauf verweisen, unter den ca. 50 registrierten Hofbrennern in Südtirol die einzige Frau zu sein. Vielleicht noch bedeutsamer ist allerdings, dass die Qualität ihrer Brände auch professionelle Anerkennung findet – bereits mehrere ihre Produkte wurden mit Gütesiegeln prämiert!
Von der Modestylistin zur prämierten Schnapsbrennerin
Die Wiege dieser Leidenschaft zur Landwirtschaft liegt in der Kindheit der sympathischen Partschinserin. Christine Schönweger wächst auf dem Unterweirachhof in Partschins auf. Dort lernt sie bereits als Kind, wie man Äpfel erntet, Wein anbaut und Trauben keltert und wie man Gäste verwöhnt; die Eltern führten neben der Landwirtschaft einen Buschenschank. Das Reisigsammeln habe sie gehasst, erinnert sie sich, ansonsten habe sie das Leben am Hof genossen.
Selbst einmal Bäuerin zu werden, hat sie sich jedoch nie vorgestellt: Nach der Matura geht sie nach Mailand, dort besucht sie eine private Modeschule und will Modestylistin werden. Doch der Liebe wegen kehrt sie der Modemetropole den Rücken, arbeitet zunächst bei der Firma Merlet-Loden in Meran und seit 1993 bewirtschaftet sie den Ansitz Gaudententurm. „Die Arbeit am Hof ermöglichte es mir, bei den Kindern zu bleiben und trotzdem in der Natur zu sein“, erklärt sie.
Auf das Leben am Hof hat sich Schönwergers Welt aber nie beschränkt: Mit Anfang Zwanzig wird sie zum „Mädchen des Jahres“ (Vorgängerwettbewerb der Wahl „Miss Südtirol“) gekürt, 2012 wirbt sie als „Charakterkopf“ in der Schweiz für Südtirol und 2013 nimmt sie bei VOX an der TV-Kochshow „Das perfekt Dinner“ teil.
Der angeborene Veränderungsgeist der jungen Frau trägt alsbald Früchte, auch für den Hof: Während ursprünglich nur Äpfel angebaut werden, setzt sie Reben. „Äpfel werden einfach nur „geklaubt“, den Wein kann man über das Jahr begleiten, immer Neues ausprobieren und sich stets verbessern“, erklärt die Landwirtin ihre Schwäche für die Traube. Heute produziert sie mit ihrem Sohn vier Weinsorten: einen Vernatsch, einen Müller-Thurgau, einen Zweigelt und einen Goldmuskateller.
Auf den Schnaps gekommen
Irgendwann regte sich der Wunsch, einen Teil der Ernte selber zu verarbeiten. Und was lässt sich Dauerhafteres aus Äpfeln machen als ein guter Brand? „Als ich erfuhr, dass Martin Aurich, einer der besten Wein- und Schnapsproduzenten Südtirols seine Brenngeräte verkauft, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt und seitdem brenne ich“, erzählt Christine. Für die Installation der Anlage wurde die historische Waschküche eigens renoviert und umgebaut. Um sich das Handwerk anzueignen, hat sie Kurse in Kellerwirtschaft und in Schnapsbrennen am Landwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg besucht.
Das Wertvolle am Brennen ist für Christine ganz klar das Ausgangsprodukt selbst, nämlich sonnengereiftes, saftiges und sauberes Obst. „Ich teste, wann die Früchte wirklich reif sind. Und bei den meisten Sorten ist das ganz einfach zu erkennen: Wenn sie reif riechen“, sagt sie. Die Trauben für den Grappa wachsen rund um den Gaudententurm und in den zum Hof gehörenden Weinbergen. Auch die meisten Obstsorten, mit Ausnahme der Vinschger Marille, wachsen am Hof. Alle Produkte aus Wein, Marille, Apfel, Birne, Kirsche und Zwetschge sind reine Natur. Irgendwelche Essenzen oder Zusätze kommen nicht auf den Hof. Zusätzlich verwendet Christine noch eine wichtige Zutat, deren Bedeutung nicht hoch genug geschätzt werden kann: das frische Wasser aus den Gebirgsquellen des Schiefergebirges der Texelgruppe. „Das samtweiche Wasser aus den alten Mineralgesteinen ist als Grundlage für exzellente Destillate wie geschaffen und wir haben davon in Hülle und Fülle vor unserer Haustür“, erklärt sie mit leuchtenden Augen, die das Verständnis der Fachfrau für die Verwendung von heimischen Ressourcen unterstreichen.
300 Liter im Jahr
Heute haben Schnapsfreunde die Wahl zwischen 17 Destillaten, Grappas und Obstbränden. Am begehrtesten ist der Vinschger Marillenbrand, er ist auch der teuerste: Aus einer Tonne Früchte entstehen gerade mal 20 Liter Reinalkohohl, erzählt Schönweger, während sie uns durch ihre Brennerei führt. Diese besteht aus einem etwa zwölf Quadratmeter kleinen Steinschuppen. Dort zeigt sie uns den Brennkessel, der derzeit nicht in Betrieb ist: Eine Plombe, angebracht von einem Zollbeamten, stellt sicher, dass einzig zum genehmigten Datum gebrannt werden kann und die erlaubte Menge nicht überschritten wird. Vor jedem Brennen muss sie Steuern zahlen auf die prognostizierte Menge: 12 Euro pro Liter Alkohol. Das wird streng kontrolliert und nach dem Brennen erscheint sofort ein Mitarbeiter des Zollamtes und verplombt den Brennkessel wieder.
Im Doppelbrennverfahren wird Obst in großen Mengen durch den mit Holz beheizten Kupferkessel gejagt, bis die 300 Liter Reinalkohol verschiedener Sorten alljährlich erreicht sind. „Der Brennvorgang ist Erfahrungssache. Beim zweiten Durchgang wird zunächst der Methylalkohol abgesondert, dann das Beste, das Herzstück gewonnen, anschließend der Nachlauf abgetrennt. Man muss nur den richtigen Zeitpunkt erwischen.“ Klingt so einfach wie Klavierspielen. Allerdings gehört noch einmal so viel Erfahrung dazu. Das ca. 80-prozentige Destillat wird mindestens 1 Jahr gelagert, bevor es mit dem weichen Gebirgsquellwasser der Texelgruppe auf zwischen 40 - 42 Prozent verdünnt wird.
„Das Faszinierende am Brennen ist, dass man den Geschmack des Obstes auch tatsächlich in die Flasche bekommt“ betont Christine. Und schon probieren wir da und dort ein Schlückchen – vom Marillenbrand etwas oder vom Grappa, schließlich von der erlesenen Spezialität des Hauses; dem Goldmuskateller! Wunderbar! Zu Genießen in besonderen Momenten!
Hofbrennerei Gaudenz
Partschins, Gaudententurmstrasse 7
[email protected]
Tel. 348 7341 463