Duftnoten
Die Geschichte der Parfüms
Aromen, Räucherharze, wohlriechende Essenzen – die Geschichte des Parfüms ist ein Stück Kulturgeschichte und erzählt von Religionen, Sitten, Gebräuchen und der wirtschaftlichen Entwicklung der Menschheit.
Der Ursprung
Das Wort „Parfüm“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „per fumus“, das sich aus „durch“ und „Rauch“ zusammensetzt. Es spielt wohl auf die Verbrennung aromatischer Substanzen über dem Feuer an, wodurch sich Gerüche freisetzten.
Auch in der Bibel wird der Gebrauch von Parfüm vorgeschrieben. „Jahwe sagte zu Moses: Beschaffe dir Aromen, du wirst daraus ein Parfüm zum Verbrennen machen, es wird gesalzen sein, rein und heilig ... und Jahwe vorbehalten.“ Aus dieser Zeit lässt sich der heutige Begriff „Parfüm“ ableiten: Die Duftstoffe wurden meist verbrannt und stiegen in wabernden Wolken zu Ehren einer oder mehrerer Gottheiten auf – also „per fumum“.
Dass der Gebrauch des Parfüms fast so alt ist wie die Kulturgeschichte der Menschheit, belegt auch die Tatsache, dass schon vor mehr als 5.000 Jahren die Ägypter Duftstoffe zu Ehren des Sonnengottes Ra verbrannten, Harze und Pflanzenessenzen bei Sonnenaufgang, Myrrhe und den Saft des Balsaholzbaumes um die Mittagszeit und raffinierte Mischungen bei Sonnenuntergang. Die reichen Ägypterinnen benutzten Salben und Pomaden aus Anis, Rosmarin und Zitrone, die weniger Betuchten nahmen Rizinusöl, gemischt mit Minze oder Thymian.
Auch in anderen antiken Zivilisationen und Hochkulturen wie Mesopotamien und Griechenland tauchten Duftstoffe auf. Blüten, Räucherharze, duftende Salben und aromatische Öle dienten als Opfergaben für die Götter und wurden zur Salbung der Toten verwendet. Der Duft versprach die Annährung an das Göttliche, Wohlgeruch galt als Ausdruck von Schönheit.
Hergestellt wurden die Duftmischungen von den Priestern, die auf den Umgang mit Harzen, Balsamen und Salben spezialisiert waren. Die Hinwendung zum lebenden Körper, der als Ausdruck bildästhetischer Schönheitsideale seiner Zeit angesehen wurde, ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung von Kosmetik und Parfüm. Dieser Ausdruck von angestrebter innerer und äußerer Harmonie, der sich in der Bildnisbüste der Nofretete (ägyptisch nafteta, „die Schöne“) spiegelt, hat sich dabei bis heute bewahrt und die Bedeutung des Wohlgeruchs – Mittel und Medium der Transzendenz, nach Ansicht der Ägypter Ausdruck des Lebens – wurde zum festen Bestandteil reinigender Rituale des Kulturbildes.
Vom Vorderen Orient und dem Fernen Osten aus trat dann das Parfüm seinen Siegeszug um die ganze Welt an. Neue Düfte und Duftextrakte wurden von Parfümeuren und Alchimisten kreiert, andere und immer bessere Verfahren für die Herstellung der wichtigen Grundessenzen wurden gefunden. Die Eroberung der „Neuen Welt“, ab dem Ende des 15. Jahrhunderts durch europäische Seefahrer, sorgte für neue Grundstoffe wie Gewürze aus Indien, Blumen aus Madagaskar oder feine Dufthölzer aus Amerika.
„Duftiges Mittelalter“
Die Kreuzfahrer des Mittelalters brachten die Kunst der Parfümherstellung nach Europa, wo man der Meinung war, dass aromatische Gerüche vor Krankheiten schützen würden. So trugen die Wohlhabenden Parfümkugeln bei sich, die mit aromatischen Harzen, Moschus und Ambra gefüllt waren. Düfte beflügelten die Phantasie der Poeten, Liebende bereiteten sich durch duftende Bäder aufeinander vor, eine neue Lebens- und Hygienekultur begann sich zaghaft zu entwickeln.
Die Entstehung der Parfümerie wird u. a. mit dem Eintreffen der Katharina von Medici (1519–1589) am Hofe von Heinrich II. in Verbindung gebracht. 1580 kam der Alchimist und Apotheker Francesco Tombarelli nach Grasse (Frankreich) und eröffnete ein Laboratorium zur Herstellung von Düften, womit Grasse zum Gründerzentrum der europäischen Parfümindustrie wurde. Man unterschied jedoch streng zwischen den einfachen Leuten und der Oberschicht: „Gute Myrrhe in den Mund zu nehmen, geziemt sich für den einfachen Mann nicht“. 1709 nahm Lemery eine Einteilung vor, in der er zwischen einem königlichen Parfüm und dem Parfüm für den Bourgeois unterschied. Letzteres sollte keinerlei ästhetische Wirkung erzielen, sondern lediglich die Luft desinfizieren. Parfüm hatte dieser Auffassung nach zugleich therapeutische Wirkung, „es belebe den Geist, stärke den Körper und galt als wichtige Waffe im Kampf gegen die Pest. Parfüm entzücke die Sinne, reinige, schütze und sei zugleich Symbol für materiellen Wohlstand“. Die Vermutung, dass beim Bade schadhafte Keime den Körper befallen könnten, förderte den massenhaften Einsatz der Duftwässer. Sie wurden zum unverzichtbaren Hilfsmittel bei der täglichen Toilette, die auf Wasser als Reinigungsmittel verzichtete – Eau de Toilette.
Zu Zeiten Ludwigs XIV. (1643-1715) waren Parfüms notwendig, um üble Gerüche zu überdecken. Denn man wusch sich nicht, Hygiene existierte nicht und Sauberkeit war unbekannt. Nur mit schweren Parfüms konnte der Körpergeruch der Menschen überlagert werden. Das Herstellen von Parfüms wurde organisiert, die Zunft der Handschuhmacher nahm sich der neuen Produkte an. Sie waren die Ersten, die den unangenehmen Ledergeruch frisch gegerbter Handschuhe mit Parfüm bekämpften.
Von der Aufklärung Ende des 17. Jahrhunderts an verbesserten sich jedoch die hygienischen Bedingungen und die Parfüms wurden leichter. In Köln wurde das Eau de Cologne erfunden, in Paris hatten die eleganten Damen immer ein leicht beduftetes Taschentuch zur Hand. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Parfüm langsam zum Luxusgut. Zur Jahrhundertwende entstanden die ersten synthetischen Duftstoffe, die nicht mehr aus der Parfümproduktion wegzudenken sind. Die Trends setzten von nun an Modemacher wie Coco Chanel, Christian Lacroix oder Christian Dior.
Eines der ältesten Parfümhäuser der Welt wurde von Pierre Francois Lubin 1798 in Paris gegründet. Der Parfümeur zählte Fürsten und Könige zu seinen Kunden. Er eroberte als erster französischer Parfümeur die Neue Welt.
Herstellung und Trends in der Parfümindustrie
Natürliche Duftstoffe sind so luxuriös, dass sie in gängigen Parfüms meist nur noch in homöopathischen Dosen verwendet werden. In rund 800 Stunden pflücken ägyptische Arbeiter 6 Mio. Jasminblüten, daraus wird ein Kilogramm reines Jasminöl gewonnen, das nach vielen Filter-, Reinigungs- und Verfeinerungsgängen für mindestens 3.600 Euro verkauft wird, je nach Qualität der Ernte. Iris, die italienische Wurzelkönigin, ist noch edler: Bis zu 100.000 Euro pro Kilo kann ihr Extrakt kosten. In unscheinbaren Aluminiumflaschen warten die Schätze dann in der Werkhalle auf ihre Auslieferung. Wer was bestellt hat, wohin die Paletten mit Lavendelfässern geschickt werden, ist streng geheim.
Seit Beginn der Parfümindustrialisierung wurden in wenigen Jahrzehnten revolutionäre Methoden entwickelt, um den Pflanzen und Blüten ihre wertvollen Düfte zu entziehen oder sie möglichst naturgetreu zu reproduzieren. Dazu gehören moderne Techniken wie das „Softact“, das eine Weiterentwicklung der klassischen Extraktion darstellt und bei dem Essenzen in nie da gewesener Reinheit durch die besonders sanfte CO²-Extraktion gewonnen werden können.
Grundbestandteile eines Parfüms sind hauptsächlich Alkohol (rd. 80 %), destilliertes Wasser und darin gelöste natürliche Essenzen (ätherische Öle pflanzlicher oder tierischer Herkunft) sowie immer mehr synthetisch hergestellte Duftstoffe. Die Fachbezeichnung für natürliche Öle und synthetische Duftstoffe lautet „Riechstoffe“. Die meisten einheitlichen Riechstoffe werden heute in größeren Mengen synthetisiert. Bei der Suche nach neuen Duftstoffen hängt der Fortschritt – nach Einschätzung von Ernest Beaux, Kompositeur des bekannten Parfüms Chanel No. 5 – zuerst von den Forschungsarbeiten der Chemiker ab. Ein Parfüm kann durch unterschiedliche Anteile der Grundbestandteile sehr viele verschiedene Duftnoten annehmen. Es kann beispielsweise blumig-feminine, maskuline, orientalische, fruchtige, pudrige, zitrusfrische oder klassisch-elegante Duftnuancen aufweisen.