Elisabetta Spitz
Die römische „Supercommissaria” in Meran
Im Winter 2021 von Eva Pföstl
Römerin mit Wurzeln in Meran
Bereits ihre Großeltern hatten eine enge Beziehung zu Meran. Die Großmutter, Tochter einer Textil-Industriellenfamilie aus der Tschechoslowakei, verband mit Frau Zuegg aus Lana seit der gemeinsamen Zeit im Mädcheninternat lebenslang eine tiefe Freundschaft. So war es auch nicht verwunderlich, dass sie, um in der Nähe ihrer Freundin zu bleiben, den Hauptsitz ihrer Textilgeschäfte, die sich in ganz Tirol befanden, in Meran eröffnete. Elisabettas Großvater, Erich Spitz, stammte aus Ungarn, war österreichischer Diplomat und hauptsächlich in Wien tätig. Elisabettas Vater wurde 1922 im Hause Zuegg in Lana geboren und das Familienleben der Familie spielte sich hauptsächlich in Meran ab.
Als Hitler 1938 den „Anschluss“ Österreichs proklamierte, mit dem die Eingliederung des Bundesstaates Österreich in das nationalsozialistische Deutsche Reich veranlasst wurde, floh die Familie nach Rom und Elisabettas Großvater hielt sich im Vatikan versteckt, wo er zusammen mit Alcide de Gasperi (ebenso ein österreichischer Abgeordneter) als Bibliothekar tätig wurde. Elisabettas Vater war zu dieser Zeit im Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch und wurde in ein Institut desselben Ordens nach Brescia geschickt. Nach dem Krieg beschloss die Familie, in Rom zu bleiben, Elisabettas Großvater blieb im diplomatischen Dienst des Vatikans tätig und die Großmutter betrieb weiterhin ihre Textilgeschäfte.
Elisabettas Vater, der, wie bereits erwähnt, in Lana geboren wurde, schloss 1951 sein Studium in Rom ab und machte seine Spezialisierung in Wien. Dort lernte er seine Frau kennen, eine waschechte Wienerin, die bereits als kleines Mädchen im Haus der Großmutter in
Meran zu Gast war. „Als Kind habe ich immer Geschichten über Meran und das Haus meiner Großeltern gehört, das sich gegenüber vom Meranerhof in der Nähe der evangelischen Kirche befand,“ erklärt Elisabetta Spitz. „In Meran habe ich ein Stück meiner Familiengeschichte wiedergefunden und kann sie sozusagen weiterspinnen.“
Die römische „Supercommissaria“, die fließend Deutsch spricht
Mit Elisabetta Spitz, die fließend Deutsch spricht, hat Meran einen prominenten Neuzugang. Die Architektin und Staatsbeamtin mit langem Curriculum verwaltete bis 2008 alle Staatsgüter der Kulturnation Italien – von den Stränden bis zum Kolosseum – sowie die beschlagnahmten Vermögensgüter der Mafia und verschaffte so dem italienischen Staat hohe Einnahmen. Zwischen 2013 und 2018 war ihr die Leitung der dem Finanzministerium unterstehenden Invimit (Investimenti Immobiliari Italiani Sgr S.p.A) anvertraut, die das öffentliche Immobilienvermögen verwaltet. Im November 2019 wurde sie zur „Supercommissaria“ für das Jahrhundertprojekt M.O.S.E. (Modulo Sperimentale Elettromeccanico) für den Hochwasserschutz der Stadt Venedig bestellt. Venedig war für sie nichts Neues: Bereits zwischen 1992 und 1999 leitete sie ein Konsortium zum Schutz der bewohnten Gebiete der Lagunenstadt. 2009 wurde sie zur Beraterin der Hafenbehörde ernannt. Unter ihrer Führung und Leitung wurde das Hochwasserschutzprojekt M.O.S.E. bereits erfolgreich eingesetzt. Dabei wurden alle Barrieren des Hochwasserschutzprojekts ausgefahren, die die Lagunenstadt künftig vor verheerenden Überschwemmungen schützen sollen.
Managerin von Italiens größtem Infrastrukturprojekt der Nachkriegszeit
Bei M.O.S.E. handelt sich um Italiens größtes Infrastrukturprojekt der Nachkriegszeit. Erste Ideen zu einem mobilen Deichsystem entstanden bereits nach der schweren Flutkatastrophe von 1966. Eine Machbarkeitsstudie für das Projekt wurde bereits 1984 erstellt. Dafür wurde die Lagune inklusiv aller Inseln, Sandbänke und Fahrrinnen als Model nachgebaut. Im Jahr 1996 wurde das Projekt dann durch die Regierung in Rom verabschiedet. Anfang 2003 erfolgte der erste Spatenstich. Politischer Streit, Auseinandersetzungen vor Gericht und ein monumentaler Korruptionsskandal, in den fast die gesamte politische Führung der Stadt Venedig und der Region Venetien verwickelt war, verzögerten die Bauarbeiten immer wieder. Fünf Jahre lang standen die Arbeiten ganz still. Als Venedig im November 2019 überflutet wurde, wurde Elisabetta Spitz als Superkommissarin ernannt. Klingt nach Superwoman und so ist das auch gemeint. Normalerweise gibt sich die italienische Politik nach Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Brückeneinstürzen und Überschwemmungen jeweils ein bisschen Zeit, bis sie einen Sonderkommissar benennt, einen mit Vollmachten, einen Erlöser ohne bürokratische Fesseln, einen Beruhiger für das Volk. Diesmal nicht – Venedig musste geschützt werden, der Ruf Italiens stand auf dem Spiel.
Elisabetta Spitz hat wieder einmal ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt: Dank ihrer effizienten Organisation und Leitung können nun bei Hochwasser die Barrieren aufgestellt werden, um die Lagune vor den Fluten zu schützen. Von außen sieht M.O.S.E. ziemlich unspektakulär aus. In einem Koloss aus grauem Beton ist der Kontrollraum auf einer Insel in der Nähe vom Lido untergebracht. Dass hier High-Tech das Unesco-Welterbe schützen soll, erschließt sich nicht sofort. Erst unterirdisch lässt sich erahnen, was für ein kompliziertes Unterfangen das ist. In einem etwa 400 Meter langen Gang verlaufen große, glänzende Edelstahlrohre und graue Schläuche. Druckluft soll bei Flut die Barrieren aus dem Wasser heben, die dann Adria-Wasser von der Lagune fernhalten und die Stadt vor „Acqua Alta“ schützen sollen.
Projekte in Meran
Auch in Meran ist Elisabetta Spitz nicht untätig. In Zusammenarbeit mit einem renommierten deutschen Unternehmen gründet sie innovative Seniorenheime in ganz Italien – eines davon auch in Meran. Ihre langjährigen Erfahrungen und ihr ausgezeichnetes Beziehungsnetz kommen ihr zugute und nicht zuletzt auch ihre guten Sprachkenntnisse. Elisabetta Spitz ist eine erfolgreiche Frau der Tat, das ist nicht zu übersehen. Der Erfolg ist ihr jedoch nicht einfach zugeflogen. Harte Arbeit und viel Fleiß stecken dahinter. Den geistigen Ausgleich zum hektischen Managerleben verschafft sie sich beim Spaziergehen mit Hündchen Zoe, beim Reisen und beim Skifahren. Und nun auch immer öfter in Meran.