Fragen zu „Wein & Gesundheit“
an Albin Thöni, Sommelier und Genussbotschafter
Darf man diese zwei Begriffe in einem Atemzug nennen?
Das Thema Wein und Gesundheit ist ganz besonders mit Emotionen überladen, denn es existieren allzu divergierende Positionen, die bei diesem sensiblen Thema mit Vorurteilen und Spekulationen behaftet sind.
Es ist deshalb problematisch, die gesundheitsfördernden Wirkungen des Alkohols zu beschreiben und die Begriffe Wein und Gesundheit in einem Atemzug zu nennen. Die Herausforderung besteht darin, verantwortungsbewusst und ausgewogen sowohl die gesundheitlichen Vorteile als auch die Risiken des Alkoholkonsums anzusprechen. Der Alkohol ist einerseits ein Nahrungs- und Genussmittel, andererseits ab einer bestimmten Dosis auch ein Rauschmittel, das körperliche und psychische Abhängigkeiten bewirken kann.
Man darf den Konsum von Alkohol keineswegs verharmlosen, denn es gibt keinen gefahrlosen Umgang mit ihm. Und es gilt hier ganz besonders, sich an eine der 7 Tugenden zu halten, nämlich an die Mäßigung!
Deshalb muss immer zwischen moderatem und dem missbräuchlichen Konsum von Alkohol unterschieden werden.
Tatsache ist, Wein regelmäßig aber mäßig, zumal zum Essen genossen, hebt den Genuss der Speisen, lässt uns besser entspannen und verhilft insgesamt zu einem Wohlbefinden und ist gesund.
Ist das Trinken von Alkohol wirklich gesund?
Hier kommt es einzig und allein auf das richtige Maß an. Es ist alles eine Frage der Menge, nämlich des täglichen Konsums, also wie viele Gläser Bier oder Wein oder hochprozentige Destillate, wie Schnäpse, sind für den Mann oder die Frau gesund?
Am besten arbeitet man mit der Einheit „Gramm reiner Alkohol“.
Diese wird aus den Vol %, die auf dem Etikett der jeweiligen Flasche stehen, errechnet.
Der Grat zwischen der guten und der schädigenden Wirkung des Alkohols ist außerordentlich schmal. Wenn man zum Thema Alkohol internationale Gesundheits- und Ernährungsexperten, Epidemiologen und Forscher sowie gesundheitspolitisch ausgerichtete Expertengremien und deren wissenschaftliche Studien konsultiert, dann muss man feststellen, dass sich auch diese in Sachen Menge und richtiges Maß keineswegs einig sind. Die einen behaupten, dass Alkohol moderat und langfristig getrunken unter anderem für die Blutgefäße und das Herz, also für das Herzkreislaufsystem oder z. B. auch für eine bessere Hirnleistung im Alter gut sei, die anderen behaupten wiederum, dies wäre nur die eine Hälfte der Wahrheit.
Derzeit herrscht wissenschaftlicher Konsens darüber, dass ein täglicher Konsum von 20 Gramm Alkohol für Frauen (2 Drinks zu jeweils 12 Gramm nach den englischen Richtlinien) und 30 Gramm für Männer (3 Drinks) gesundheitsfördernd sei. 10 Gramm entsprechen durchschnittlich einem Viertelliter Bier, einem Achtelliter Wein oder vier Zentilitern Schnaps. 20 Gramm entsprechen zirka 0,5 l Bier oder 0,25 l, also einem Viertele Wein.
(Die deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hält sogar diese niedrige Dosis für zu hoch!).
Unter moderatem Alkohol-Genuss versteht man also den täglichen Konsum von 30 Gramm reinen Alkohol für den Mann, für die Frau um ein Drittel weniger.
Dies klingt streng und lässt wenig Raum, um ab und zu einmal über die Stränge zu schlagen. Aber nein, man muss nicht alle gleich zu Abstinenzlern machen.
Wenn jemand, der gesund ist, vernünftig und moderat seinen (täglichen) Wein genießt, dann ist dagegen auch von ärztlicher Seite nichts einzuwenden.
Jeder sollte aber kritisch seinen Weinkonsum selbst beobachten; denn die Gefahr, vom Weingenießer zum Weintrinker zu werden, ist groß. Körperliche Schäden sind nur das eine Problem. Die psychischen Abhängigkeiten beginnen meist schon viel früher, nämlich mit schlechten Trink-Angewohnheiten. Der Körper gewöhnt sich innerhalb kurzer Zeit an Alkohol und bald ist ein höherer Konsum notwendig, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Mit anderen Worten: Das Verlangen nach Alkohol nimmt immer mehr zu.
Welche Auswirkungen hat das Alkoholtrinken auf den menschlichen Organismus?
Alkohol wird vom Magen- und Dünndarmtrakt über Diffusion ins Blut aufgenommen und gelangt so in den ganzen Körper; ungefähr eine dreiviertel bis eine Stunde nach dem Konsum entfaltet der Alkohol seine größte Wirksamkeit.
Je mehr Alkohol jemand in kurzer Zeit trinkt, desto höher ist die Konzentration im Blut und desto größer sind die negativen Auswirkungen auf den Körper.
Der Alkoholabbau erfolgt beinahe ausschließlich über die Leber und dieser Abbauprozess lässt sich keineswegs mit kleinen „Tricks“ beschleunigen.
Nur insgesamt 10 % werden mit dem Harn über die Nieren, mit der Atemluft über die Lunge (Alkoholfahne) und mit dem Schweiß über die Haut ausgeschieden. Wenn aber der Alkohol auf nüchternen Magen getrunken wird, gelangt er noch schneller und direkter in die Blutbahn, als wenn sich Reste einer üppigen Mahlzeit im Magen befinden. Man sollte also den Konsum von Alkohol auf nüchternen Magen grundsätzlich vermeiden.
Die Wirkung von Alkohol ist nicht bei jedem gleich und hängt abgesehen vom Alter, dem Gewicht, der Tagesverfassung und psychischen Faktoren, insbesondere auch vom Geschlecht ab.
Zirka 10 Prozent von uns Menschen vertragen den Alkohol überhaupt nicht und viele weitere, aus verschiedenen Gründen auch wegen Unverträglichkeiten, schlecht. Diese Gruppen haben anderseits den großen Vorteil, dass aus ihnen nie Alkoholiker werden.
Nach vielleicht schon ein oder zwei Gläsern wirkt Alkohol auf die meisten Menschen anregend. Das liegt daran, dass die betäubende Wirkung bestimmte Hemmungen nimmt und die „Zunge löst“, wie der Volksmund sagt.
Die betreffende Person entspannt sich, fühlt sich wohler und verhält sich lockerer, ist geselliger, fröhlicher und lebhafter, wird oftmals geradezu euphorisch; kurzum der Sozialisierungsgrad wird gesteigert.
Auf der anderen Seite können viele Menschen aber ab einem bestimmten Quantum sehr emotional, großspurig, gereizt, depressiv, ängstlich, geradezu unausstehlich, enthemmt, aggressiv oder schlimmstenfalls gewalttätig werden.
Nach etlichen Gläsern kommt es zu unangenehmen körperlichen Reaktionen:
die Feinmotorik wird gestört, das Reaktionsvermögen nimmt ab, die Wahrnehmung der eigenen Sinne und des eigenen Verhaltens ändert sich, die Selbstkritik schwindet.
Manche wirken schon nach zwei, drei Gläsern betrunken, haben große Mühe das Gleichgewicht zu bewahren (torkeln), deutlich zu sprechen (lallen) und aufrecht zu gehen. Viele wirken müde und apathisch.
Und nach einem oft unruhigen und schlechten Schlaf wartet am Morgen ein Kater („Katzenjammer“) mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Brechreiz, Sodbrennen und einem trockenen Mund aufgrund einerseits der ungesunden Wirkungen der Alkoholabbauprodukte (biogene Amine und Fuselöle), andererseits wegen des großen Flüssigkeits- und Salzverlustes.