Glücksbringer von Beruf
Im Winter 2020 von Eva Pföstl
Alle kennen und alle lieben ihn – den Kaminkehrer. Er ist ein beliebtes Glückssymbol für Jung und Alt. Besonders zur Jahreswende, wo die Kaminkehrer vielerorts die Jahreskehrrechnung samt Kalenderblatt und Glückwünschen zum neuen Jahr überbringen. Aber warum ist das eigentlich so? Und was macht er eigentlich sonst noch so alles, außer uns Glück zu bringen?
Der Ruf des Kaminkehrers als Glücksbringer reicht Jahrhunderte zurück und hat einen ernsten Grund. Historische Dokumente belegen, dass Italien das erste Land war, in dem der Berufsstand der Kaminkehrer offiziell tätig wurde. Bereits im Mittelalter war der Dienst des Kaminkehrers überlebenswichtig. Weil ungereinigte Kamine in den damals noch strohgedeckten Häusern oft zu Bränden führten, hatten diejenigen Hausbesitzer Glück, deren Häuser nicht abbrannten, weil die Kamine gekehrt waren. Sah man damals auf der Straße einen Kaminkehrer, so wusste man, dass es in nächster Zeit keinen Brand geben würde, denn wenn ein Brand ausbrach, dann brannte meist das ganze Dorf ab. Lebensretter war er also, der Schornsteinfeger. So überlieferte sich mit der Zeit das Glück des Schornsteinfegers. Dieser Glaube an das Glück hat sich bis heute fortgesetzt. Läuft einem ein Kaminkehrer über den Weg, soll das auch heute noch Glück bringen. Manche Menschen rennen dem „Mann in Schwarz“ sogar hinterher und berühren ihn, um das Glück regelrecht zu erzwingen.
Was der Kaminkehrer allerdings heutzutage alles macht, damit Sie Glück haben, ist viel zu wenig bekannt. Längst ist der Kaminkehrer mehr als die Berufsbezeichnung aussagt: Er ist Sicherheits-, Umwelt- und Energieexperte in einem. Der Job des Kaminkehrers wird in der Öffentlichkeit oft unterschätzt. „Der Beruf ist in den vergangenen Jahren sehr anspruchsvoll geworden“, erklärt uns Giorgio Bergamo, der schon in der dritten Generation die Kaminkehrertradition in seiner Familie weiterführt. Seit 1950 bietet die Bergamo GmbH, die heute unter dem Markennamen „Marke Terein“ auftritt, die gesamte Palette an Kaminkehrdiensten an.
Beratung und Kontrolle
„Wichtigste Aufgabe des Kaminkehrers ist es, die Sicherheit der Feuerungsanlagen zu gewährleisten“, sagt Bergamo. Der Einsatz in und am Schornstein ist heute jedoch der kleinste Teil im Beruf des Kaminfegers: So wartet die Firma von Giorgio Bergamo, die neun Mitarbeiter beschäftigt, moderne, computergesteuerte Holz-, Öl- und Gasfeuerungen sowie Lüftungsanlagen, übernimmt die Feuerungskontrolle, kümmert sich um den Brandschutz sowie das Ausstellen der notwendigen Konformitätserklärungen und berät Kunden in Bezug auf die Feuerung. Neben Brandsicherheit kümmern sich Kaminkehrer auch um den Umweltschutz: Sie führen Emissionsmessungen durch und achten darauf, dass die Heizanlagen energiesparend arbeiten. Dazu ist wichtig zu bestimmen, wie viel Abgase ungenutzt durch den Schornstein gehen. So kann verhindert werden, dass ineffizient geheizt wird. Die Energieberatung gehört momentan zu den wichtigsten Themen. „Für uns Kaminkehrer sind jetzt häufig gebrauchte Schlagworte wie Umweltverträglichkeit oder Energieeinsparung nun wahrlich keine neuen Themen. Vielmehr ist es unser täglich Brot, die Menschen zu informieren und über Möglichkeiten der Energieeinsparung zu beraten“, sagt Bergamo. „Eine Beratung im Vorfeld ist sehr wichtig“, betont der Fachmann. Das spare dem Kunden in vielen Fällen Ärger und Geld.
Joballtag als Glücksbringer
Zahlreiche Geschichten kann der Kaminkehrermeister erzählen und auf viele Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Sieht auch Giorgio Bergamo sich als Glücksbringer? „Natürlich!“, lacht er. Kaminbrände kämen heute nur noch selten vor. Denn durch die Feuerstättenkontrolle und durch intensive Beratungsgespräche werde der gefährlichen Rußbildung vorgebeugt. Neben dem Kehren von Kaminen und Räucherkammern gehört inzwischen auch jede Menge Technik zum Alltag des Schornsteinfegers. Was das mit dem Glück zu tun hat? „Durch Abgasmessungen von Heizungen etwa können wir lebensgefährliche Mängel wie zum Beispiel Abgasaustritt an Feuerungsanlagen oder einen erhöhten CO-Anteil im Abgas frühzeitig feststellen und so Schlimmes verhindern helfen“, erläutert Bergamo.
Von Vielseitigkeit und Leidenschaft
Der Beruf ist staatlich anerkannt, die Ausbildung dauert drei Jahre. Wie in anderen Handwerksberufen besteht die Lehrzeit aus theoretischem Unterricht in der Berufsschule und aus der praktischen Ausbildung in einem Fachbetrieb. „Als Kaminkehrer bist du meistens alleine unterwegs, arbeitest also selbstständig. Für die Arbeit auf dem Dach müssen wir schwindelfrei und körperlich fit sein. Wir müssen Verbrennungsprozesse verstehen und Berechnungen für Schornsteinquerschnitte machen können. Zudem müssen wir uns mit Energieeinsparung, vorbeugendem Brandschutz sowie den Sicherheitsvorschriften allgemein auskennen. Auch über das Baugesetz müssen wir Bescheid wissen“, sagt Bergamo. Die Arbeit ist körperlich anspruchsvoll, oft schmutzig und meist nicht gerade ungefährlich. Für Bergamo sind diese Aspekte seines Berufs allerdings keine wirklichen Schattenseiten. „Die Arbeit fordert uns Tag für Tag aufs Neue. Aber wenn man morgens früh auf dem Dach steht und die Sonne aufgehen sieht, ist das ein Anblick, den es in kaum einem anderen Job gibt“, ist Giorgio Bergamo überzeugt. Neben dem handwerklichen Geschick seien auch organisatorisches Können sowie Einfühlungsvermögen und Feingefühl vonnöten. „Wir betreten alle möglichen Lebenswelten und haben Einblick in viele verschiedenen Haushalte“, ergänzt er. Neben dem Ruf als Glücksbringer sei das ein ganz besonderes Privileg seines Berufsstandes.