Großprojekt Küchelbergtunnel
Im Sommer 2021 von Eva Pföstl
Er ist Teil der Nord-West-Umfahrung von Meran und bekanntlich ein alter Hut. Bereits seit den 1940er-Jahren gibt es Überlegungen, wie man mit der stetig wachsenden Blechlawine in und um Meran am besten fertig wird und bereits 1962 gab es erste Studien von Ingenieur Pit Kaunz, um das Problem zu lösen. Bis zur ersten Sprengladung am 26. März dieses Jahres liegt eine schier endlose Geschichte mit viel Stillstand (siehe Infobox). Die Umfahrung soll die Stadt vom Durchzugsverkehr entlasten sowie das Passeiertal und Dorf Tirol besser an die Schnellstraße Meran-Bozen anbinden. Der Anschluss von der Schnellstraße MeBo bis zum Meraner Bahnhof ist bereits gebaut. Daran schließt der Küchelbergtunnel an. Die neu zu errichtende Strecke verläuft unterhalb der Goethestraße und des Zenobergs bis hin zur Handwerkerzone von Dorf Tirol. Dort wird ein Kreisverkehr als Anschluss in Richtung Passeier, Tirol und Obermais gebaut. Im Zuge der Arbeiten wird auch die Brücke über die Passer unterhalb der Zenoburg erneuert und abgesenkt.
Innovativer Tunnelbau
Der gesamte Tunnelbau erfolgt in bergmännischer Bauweise. Ein Tunnelkilometer wird unterhalb der Goethestraße und Gallileistraße im Lockergestein vorgetrieben und ein weiterer Tunnelkilometer unterm Küchelberg im Felsen. Im Abschnitt unterhalb der Goethestraße ist ein Vortrieb mit Rohrschirm vorgesehen. Dabei wird der Tunnel immer um rund 70 Zentimeter weiter ausgeschlagen. Im Bereich der Unterquerung der Schulgebäude des pädagogischen Gymnasiums und der Grundschule „Franz Tappeiner“ muss der Untergrund zusätzlich befestigt werden, um Setzungen zu vermeiden. Dazu werden Zementeinspritzungen gemacht. Im Küchelberg, der bekanntlich aus Granit und Gneis besteht, da dort ja die afrikanische und die europäische Kontinentalplatte aufeinandertreffen, wird mit Sprengungen gearbeitet.
„Die ersten 100 m der Durchbohrung des Felsens unterm Küchelberg sind bereits geschafft“, erklärt Christian Lechner von Carron Bau (Vahrn) und Vertreter der Bietergemeinschaft bei unserem Besuch auf der Baustelle Mitte Mai. Bisher wurden 40 Sprengungen in 53 Tagen durchgeführt und ca. 8.000 kg Dynamit eingesetzt.
„Die Art und Weise des Tunnelbaus ist italienweit einzigartig“, erzählt der Geologe Giobbe Barovero, der uns auf dem Baustellenrundgang begleitet. Er spricht aus Erfahrung, denn er kann auf eine 35-jährige Berufserfahrung zurückblicken und hat bereits die Tunnelbauten von Brixen und Auer sowie das Graben des Brennerbasistunnels betreut. Bisher wurde diese Art der Sprengung nur bei der Morandi-Brücke in Genua angewendet. Die Arbeitsschritte beim Sprengvortrieb sind fix vorgegeben. „Anfänglich benötigt es Zeit, bis sich der Ablauf einspielt, nach einer Weile gibt es einen Rhythmus und eine gewisse Regelmäßigkeit“, so Barovero. Täglich werden zuerst bis zu 180 Sprenglöcher gebohrt. Diese werden dann mit Dynamit in Gelform gefüllt. Anschließend werden die verschiedenen Ladungen mit Zündschnuren verbunden – das Bild erinnert an ein großes Spinnennetz. Rundherum werden die Ladungen schließlich mittels einer Zündschnur verbunden und elektronisch gezündet. Nach der Sprengung wird das Ausbruchsmaterial in Lastkraftwagen abtransportiert und es erfolgen die Abdichtungsarbeiten mittels Spritzbeton, Gitterrahmen und Baustahlmatten und die nötigen Stützungen mittels Rohren. Das Ausbruchmaterial wird zu 95 % wiederverwertet und es gibt praktisch keine Abfälle.
Explosive Ware und eine Schutzheilige
„Wir verwenden spezielle Sprengkapseln, die die Frequenz der einzelnen kleinen Sprengungen erhöhen, wodurch der Sprengstoff zeitverzögert in Serie gezündet wird. Somit haben wir nicht eine große Explosion, sondern viele kleinerer in Folge“, erklärt uns der Geologe. „Dies ist einzigartig und wir sind sehr stolz auf diese Sprengmethode, denn durch die zeitverzögerten Sprengungen können die Vibrationen an den Gebäuden verringert werden.“ Jede einzelne Sprengung wird genauestens überwacht und auf dem Monitor in Echtzeit verfolgt. Dabei gilt es, verschiedene Grenzwerte zu beachten – jene für historische Gebäude und jene für jüngere Gebäude. „Bisher blieben die Vibrationen der Sprengungen weit unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Limit“, erklärt der Geologe stolz. „Über eine WhatsApp-Gruppe werden die betroffenen Anrainer vor jeder Sprengung informiert und können sich so jeweils auf die Sprengungen einstellen“, erklärt er weiter.
Derzeit gibt es zwei Sprengungen am Tag, morgens gegen 7 Uhr und abends gegen 19 Uhr.
Der Sprengstoff kommt aus Spanien und wird täglich von Sicherheitsleuten angeliefert. Es handelt sich um Dynamit in Gelform. „Wir müssen sehr strenge Sicherheitsvorschriften beachten“, sagt der Geologe, „alles, was wir nicht innerhalb von 24 Stunden verbrauchen, muss abgefackelt werden.“
Die Arbeit wird von jeweils 8 Minenarbeitern in 3 Schichten durchgeführt. Der Tunnel wird aufgrund der Sprenggase und des Staubs mit Frischluft belüftet.