Hermann Raffeiner
Meraner „Vorkämpfer“ im Sozialbereich
Im Winter 2019 von Eva Pföstl
Kaum ein anderer hat sich in Meran derart für die Bildung und den Ausbau des Sozialwesens mit Schwerpunkt Seniorenpolitik eingesetzt wie Hermann Raffeiner. Im Jahre 2018 ist er nach 10 Jahren als Präsident des Verwaltungsrates der Stiftung Pitsch abgetreten. Damit endet eine Ära, in der auf gemeindepolitischer Ebene viel für den Ausbau und die Verbesserung der Schul- und Sozialpolitik getan wurde. Werfen wir einen kurzen Blick zurück.
40 Jahre lang engagierte sich Hermann Raffeiner erfolgreich als Lehrer und Direktor am Humanistischen Gymnasium „Beda Weber“ in Meran. Als Professor und Direktor hat er wesentlich den Umbau des Schulgebäudes am Rennweg (1984 bis 1988) und den Neubau an der Otto-Huber-Straße (2007 bis 2010) vorangetrieben und mitgetragen.
Bereits Ende der 1970er-Jahre zeichnete sich die Karriere eines engagierten Politikers ab: Von 1980 bis 2000 war Hermann Raffeiner Mitglied des Meraner Gemeinderates, in der Amtsperiode 1980 bis 1985 Gruppensprecher der Südtiroler Volkspartei, von 1985 bis 2000 Mitglied der Stadtverwaltung, in diesen drei Amtsperioden verantwortlich für das Sozialwesen und in der Amtsperiode 1995 bis 2000 zusätzlich für die Schule der deutschen Sprachgruppe. Raffeiner hatte starke Verbündete bei den Arbeitnehmern der SVP und die Südtiroler Volkspartei stärkte ihm den Rücken. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Dabei verlor der engagierte Pädagoge und umsichtige Politiker aber nie die Bodenhaftung. Immer wieder spürte man seinen vorbildhaften Einsatz zum Wohle der Meraner Gemeinschaft, insbesondere der Senioren und Jugendlichen. Überall dort, wo er sich mit Gespür und Weitblick einbrachte, war er Impulsgeber und treibende Kraft.
Zentrales Anliegen war die Ausarbeitung eines Sozialplanes mit Schwerpunkt Seniorenpolitik. So hat er sich mit Leib und Seele für die Errichtung und den Ausbau von Einrichtungen zur stationären Betreuung alter Menschen eingesetzt. So wurde unter seiner Amtsperiode das Hotel Seisenegg mit dem Park von der Stiftung Pitsch angekauft und für die Altenbetreuung nutzbar gemacht. Ebenso ist es auch ihm zu verdanken, dass das ehemalige Versorgungshaus in Untermais, Eigentum der Gemeinde Meran, in den 1990er-Jahren saniert und erweitert wurde. Unter seiner Amtszeit wurden auch die Seniorenwohnungen der Villa Maia und Katharina errichtet, die Adaptierung der Villa Petersburg vorgenommen (heute Villa Litauen), der Bau des Obdachlosenhauses mit 25 Betten in der 4.-November-Straße und der Ausbau der Tagesstätten und der Bau der Tagespflegeheime im alten Kurmittelhaus durchgeführt. Weiters wurde unter seiner Amtszeit der Ankauf der Privatklinik St. Antonius durch das Land und die Adaptierung vonseiten der Gemeinde durchgeführt. Ebenso sind die Errichtung der Schrebergärten sowie die Einführung des Solidaritätspreises auf Raffeiners Initiative zurückzuführen.
Sein erklärtes Ziel war es, in Meran seniorengerechte Einrichtungen zu schaffen. Dies zu Recht: Hermann Raffeiner erkannte frühzeitig, dass der Anteil alter Menschen und Hilfsbedürftiger stark zunehmen wird und die stationäre Betreuung im Sozialplan der Gemeinde Meran mehr Beachtung finden muss. Er half mit seinem Einfluss auf kommunaler und landesweiter Ebene, den Weg für mehr stationäre Einrichtungen zu ebnen.
Die letzten 10 Jahre, von 2008 bis 2018, hatte Raffeiner mit unermüdlichem Einsatz und seiner umsichtigen Führung das Amt des Präsidenten des Verwaltungsrates der Stiftung Pitsch inne. Diese Stiftung besitzt und führt heute Seisenegg, ein Haus mit 35 Altenwohnungen, sie führt im Auftrag der Gemeinde Meran das Seniorenheim in Untermais und das Pflegeheim Sankt Antonius in der Cavourstraße und beschäftigt in den drei Einrichtungen ca. 200 Personen.
Im Gespräch mit dem Meraner Stadtanzeiger blickt Hermann Raffeiner zurück auf Herausforderungen und Höhepunkte seiner Ära als Präsident des Verwaltungsrates der Stiftung Pitsch und erzählt über die Geschichte der Stiftung, denn wenn von einer Stiftung die Rede ist, fragt man sich: Wer war der Stifter? Wie wohlhabend war er? Was bewog ihn, sein Vermögen einem guten Zweck zu widmen?
MS: Herr Raffeiner, was können Sie uns über die Stifterfamilie erzählen?
H. Raffeiner: Die Stiftung Pitsch geht zurück auf die gleichnamige Familie, die, aus Marling kommend, später in Meran ihren Mittelpunkt hatte. Der Name hat eine rätoromanische Wurzel, war früher auch im Vinschgau anzutreffen, in Graubünden lebt er weiter. Zwei Vertreter der Familie Pitsch trugen den größten Teil des Vermögens zusammen: Urban Pitsch Vater (1765-1844) und Urban Pitsch Sohn (1808-1867). Urban Pitsch jun. verfasste sein Testament im Jahre 1865. Er blieb kinderlos. Daher setzte er seine Schwestern Anna und Maria als Nutznießerinnen seines Nachlasses ein und verfügte, dass nach ihrem Ableben das Vermögen dem jeweiligen Pfarrer von Mais und dem jeweiligen Dekan von Meran überlassen wird, „zur Gründung guter Zwecke nach ihrem Gutachten“.
MS: Welche Liegenschaften bilden die Grundlage der Stiftung?
H. Raffeiner: Im Testament sind sechs Liegenschaften angeführt: Schloss Winkel in Obermais, der Pichlhof in Marling, der Eishof in Schnals, der Leitenbauerhof in Terlan, Möser in Lana und eine Wiese in Burgstall. Es handelt sich – ohne Eishof – um die stattliche Fläche von 61 Hektar. Das war die Grundlage der Pitsch’schen Stiftung.
MS: Stimmt es, dass die Familie Pitsch auch durch ihre Wohltätigkeit bekannt war?
H. Raffeiner: Urban Pitsch jun. war ein begüterter und angesehener Mann. Sein Vater Urban Pitsch sen. war vom Kellner zum erfolgreichen Gastwirt aufgestiegen und hatte 1812 das herrschaftliche Schloss Winkel erworben. Schloss Winkel wirkt heute verlassen und dem Verfall preisgegeben, lässt aber die Macht der Familie Pitsch erahnen. Es war über Jahrzehnte ein gesellschaftlicher Mittelpunkt und Ausdruck der besonderen Stellung der Besitzerfamilie. Urban Pitsch sen. weist sich auf dem Grabstein, der hinter der Pfarrkirche St. Nikolaus erhalten ist, als „Mann von altdeutscher Sitte und Frömmigkeit“ aus. Urban Pitsch jun. vermehrte das väterliche Vermögen durch Weinhandel und Viehwirtschaft. Er war nicht nur durch seinen Reichtum, sondern auch durch seine Wohltätigkeit bekannt. Seine Güter vererbte er nicht an Verwandte, sondern er vertraute sie den beiden Pfarrherren von Meran und Mais an mit dem Auftrag, Gutes zu tun. Er traf in einer Zeit sozialer Unsicherheit eine mutige Entscheidung. Als er vor nunmehr 150 Jahren das Testament verfasste, starb der Sozialreformer Adolf Kolping. Im Todesjahr von Urban Pitsch, 1867, veröffentliche Karl Marx den 1. Band seines Hauptwerks „Das Kapital“. Im Kulturkampf zwischen Konservativen und Liberalen stand er auf der Seite der Kirche.