Honig – ein Feuerwerk der Sinne
Im Sommer 2016 von Dr. Luis Fuchs
„Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“, mahnte einst Albert Einstein. In einigen Gegenden von China werden Obstbäume von Hand bestäubt. Arbeiter balancieren durch die Baumkronen und sorgen mit einem Pinsel für die Bestäubung, da die Bienen vor Jahren durch übermäßige Pestizidanwendung verschwunden sind. „Die Biene leistet einen unbezahlbaren Beitrag zur Erhaltung unseres Planeten“, versichert uns Engelbert Pohl, Bundesobmann des Südtiroler Imkerbundes. Andreas Platzer, Bediensteter der Fachschule Laimburg und Berater des Südtiroler Imkerbundes, führt uns durch die Wunderwelt der Bienen. Walter Andreatta erzählt uns, wie ihn die Bienenvölker zeitlebens auf Trab halten.
Meraner Stadtanzeiger: Manche sehen in der Imkerei eine abwechslungsreiche Freizeitbeschäftigung. Welchen Stellenwert nimmt die Imkerei darüber hinaus in Südtirol ein?
Andreas Platzer: Südtirol hat die größte Imkerdichte und Bienenvolksdichte in der EU! Bei uns ist es modern, Bienen zu halten. Der Südtiroler Imkerbund (SIB) zählt derzeit 3.127 Imker, davon 365 Imkerinnen. Auch Jüngere zeigen vermehrt Interesse für die Bienenzucht; ein Großteil der Neuimker und Jungimker besuchen die Imkerschule, die an drei Standorten angeboten wird: an der Fachschule für Obst-, Wein- und Gartenbau Laimburg, an der Landwirtschaftsschule Mair am Hof Dietenheim und im Bildungshaus Schloss Goldrain. Jährlich werden in der Imkerschulung 120 bis 140 neue Imker ausgebildet. Außerdem entsendet der Südtiroler Imkerbund regelmäßig „Wanderlehrer“ zu den Ortsgruppen, um die Imker entsprechend weiterzubilden. Zu diesem Zwecke verfügen die 14 Bezirke und auch einzelne Ortsgruppen über Lehrbienenstände.
MS: Welche Honigsorten werden von den Südtiroler Imkern angeboten?
Andreas P.: In Südtirol werden ca. 40.000 Bienenvölker von den Imkern gehalten, deren Ertrag im 10-Jahresdurchschnitt zwischen 13,5 bis 14 kg schwankt. Mengenmäßig stellt das einen bescheidenen Ertrag dar, dafür zeichnet sich Südtiroler Honig durch die Spitzenqualität aus. In der Preisgestaltung bewegen sich Südtirols Imker im europäischen Mittelfeld.
Nach zwei Herkunftskriterien gilt es, das Lebensmittel Honig zu unterscheiden: Eines ist der Blütenhonig, der von verschiedenen Blütenarten stammt, dagegen wird der Honigtauhonig aus dem von der Schild- und Blattlaus ausgeschiedenen Saft vor allem von Nadelbäumen gewonnen. Dieser wird umgangssprachlich als Waldhonig bezeichnet, ist dunkler und schmeckt würziger als der Blütenhonig. Von den Blütenhonigen steht uns ein abwechslungsreiches Sortenangebot zur Verfügung. Der Honig kann von den Frühlingsblüten, von der Löwenzahn- oder Apfelblüte, von der Alpenrose oder der Edelkastanie gewonnen werden. Imker, die Sortenhonige, also monoflorale Honige anbieten, müssen öfter schleudern. Multiflorale Honige dagegen sind harmonischer, sie spielen mit dem Gaumen, ein lang anhaltendes Geschmackserlebnis stellt sich ein.
Um die Sensorik zu schulen, wird den Imkern u. a. auch eine Verkostungsausbildung angeboten. Honig aufs Frühstücksbrot gehört in Südtirol zur Frühstückskultur. Die Italiener verwenden den Honig auch als Geschmacksverstärker, indem sie ihn mit Käse kombinieren. Dabei gilt es zu beachten: Je würziger der Käse, desto milder der Honig und ebenso umgekehrt, beispielsweise pecorino sardo mit Akazienhonig. Überhaupt sind die Italiener starke Honigkonsumenten, man denke an die Berge von „torroni“ und „mandorlati“ oder die äußerst süßen Mehlspeisen. Als Besonderheit gibt es in Italien den bis zu 80 € teuren „Corbezzolo“: Er wird vom Erdbeerbaum, der nur im Winter blüht, gewonnen; das Bienenvolk geht nach einem Jahr ein. Dieser Honig soll die Leber regenerieren und wurde demzufolge lange Zeit in Apotheken verkauft.
MS: Worauf ist die Kristallisation des Honigs zurückzuführen?
Andreas P.: Jeder naturbelassene Honig kristallisiert früher oder später; am schnellsten bei einer Temperatur von 10 bis 13 Grad Celsius. Ist der Traubenzuckeranteil hoch, wie beim Blütenhonig, so kandiert er nach einigen Tagen oder Wochen; der Löwenzahnhonig kann bereits in zehn Tagen kristallisieren. Beim Waldhonig hingegen erfolgt die Kristallisation relativ langsam, weil dort der Fruchtzuckeranteil hoch ist. Flüssig bleibt der Honig, wenn er in der Tiefkühltruhe aufbewahrt wird. Kandierter Honig kann schonend im Wasserbad bei max. 40 Grad Celsius wieder verflüssigt werden.
MS: Wer führt in Südtirol Qualitätskontrollen durch?
Andreas P.: Der Imkerbund lässt vom „Labor für Lebensmittelanalysen“ die Qualität überprüfen. Der Südtiroler Honig wird im einheitlichen Glas mit dem goldfarbenen Etikett als Gütesiegel vermarktet; die Überprüfung erfolgt aber auf freiwilliger Basis. Unabhängig davon sucht sich der überbetriebliche tierärztliche Dienst stichprobenmäßig Imker aus, egal ob sie für den Verkauf oder zum Eigenverbrauch produzieren; dieser Dienst kontrolliert auch im Rahmen des „Piano nazionale dei residui“, der für alle Lebensmittel vorgesehen ist. Zudem kann auch noch die NAS (Nuclei Antisofisticazioni e Sanità) Kontrollen durchführen.
MS: Welche Auflagen muss eine Bioimkerei erfüllen?
Andreas P.: Da die Bienen innerhalb eines Flugkreises von durchschnittlich 3 km die Blüten anfliegen, kann nicht garantiert werden, dass sie auf ausschließlich biologisch bewirtschafteten Flächen den Nektar sammeln. Es darf also kein Honig als „Biohonig“ angeboten werden. Entscheidend ist die Arbeitsweise des Imkers: Die Kisten müssen ausschließlich aus Holz gefertigt sein, es dürfen keine Plastikteile enthalten sein, jedenfalls dürfen zur Honigproduktion nur biozertifizierte Materialien verwendet werden. Auch die Zuckerlösung und der Glucose-Sirup müssen biozertifiziert sein. In Südtirol sind 40 bis 50 Imkereien als biozertifizierte Betriebe gemeldet.
MS: In welchen Bereichen werden Bienenprodukte – außer als Lebensmittel – sonst noch verwendet?
Andreas P.: Honig wird als Mittel zur Reinigung und Pflege der Haut immer häufiger eingesetzt und findet in Shampoos, Hautcremes, Gesichtspackungen und Badezusätzen Verwendung. Ebenso greift man in der Naturheilkunde auf Bienenprodukte zurück; so werden sie auch vom bekannten Primar Christian Thuile im Bereich der Komplementärmedizin eingesetzt.