Messwein aus Meran für ein Kloster in Bayern
Qualität, Transport und Kontrolle des wertvollen Getränks
Im Frühling 2019 von Eva Pföstl
Der Vatikan hat mehrmals dazu ermahnt, Wein für die Kommunion nicht ungeprüft im Internet oder in Supermärkten zu kaufen. Angesichts „eines geringer werdenden Respekts vor dem Heiligen“ müssten die Bischöfe sicherstellen, dass nur geeignete Produkte verwendet würden. Messwein wird schließlich regelmäßig in den Gottesdiensten eingeschenkt, und in der Bibel kommt das Wort mehr als zweihundertmal vor – kein Wunder also, dass der Rebensaft eine besondere Rolle einnimmt.
„Vinum debet esse naturale de genimine vitis et non corruptum”, lautet die Losung für einen guten Tropfen im liturgischen Sinn. Der Wein, genauer gesagt der Messwein, muss demnach naturrein und aus Weintrauben gewonnen und darf nicht verdorben sein. So schreibt es das Kirchenrecht vor. Etwas genauer formuliert es die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch: „Der Wein für die Eucharistiefeier muss vom Gewächs des Weinstockes› (Lukas 22, 18) stammen” und naturrein, das heißt, ohne Beimischung von Fremdstoffen sein. Denn wenn es um den Messwein geht, der nach katholischer Lehre in der Messe in das Blut Christi verwandelt wird, erlaubt sich die Kirche keinen Verzicht auf Qualität. Gefordert wird Qualitäts- oder Prädikatswein. Der bei der Messe verwendete Wein müsse weiterhin „der Würde des Sakraments“ und deshalb hohen Qualitätsanforderungen entsprechen. Kein Wunder, dass Bistümer, Pfarreien und Klöster schon seit dem frühen Mittelalter selbst Weinbau betrieben und damit auch Einfluss auf die Qualität des göttlichen Tropfens hatten. Besonders drei Orden – die Benediktiner, die Kartäuser und die Zisterzienser – haben sich dem Weinbau gewidmet. Ein Liter Wein soll täglich durch eine Mönchskehle geflossen sein, sagen mittelalterliche Chroniken. So kauften Klöster nördlich der Alpen Weingüter in Südtirol, um ihren Bedarf an Tisch- und Messwein zu decken. Oft ist von Schenkungen die Rede. Um das Jahr 1300 sollen 40 süddeutsche Klöster Wein von ihren Südtiroler Höfen nach Norden gekarrt haben.
Die Geburtsstunde des Pollinger Hofes in Untermais
So beginnt auch die Weinverbindung des Klosters „Pollingen im oberen Baiern“ mit Untermais durch nachgewiesene Schenkungen um 1140 (Adelheid von Rotsee). Kein Geringerer als Graf Berthold I. von Tirol übertrug dem Kloster 1173/74 zwei Weingärten und einen Hof (Pollinger Hof in Untermais), zwei Joch Acker und einen Garten in Obermais. Zur Übergabe selbst reiste Graf Berthold mit großem Gefolge zum Klosterkonvent in das entfernte Polling.
Das Kloster beauftragte einen „Baumann“ zur Bewirtschaftung ihres Weingütls (mittels Pachtvertrag) und der im Laufe der Zeit hinzukommenden Flächen, Rechte und Gülten. Überliefert sind die Namen: Jörg Pollinger (1416), Jörg Pollinger (1516), Georg Pollinger (1531), Martin Höllriegel (1547), Valtin Kuen (1598), Ludwig Pranthuber (1679). Der Austausch unter den Klöstern (z.B. mit dem Kloster Stams) und Erwerbe und Schenkungen auf der gesamten Anfahrtsstrecke über Garmisch, Mittenwald, Leutasch, Innsbruck, Klausen, Bozen, Pranzoll, Siebeneich bis Ober- und Untermais, Schenna und Algund führten zu umfangreichen Klosterbesitzungen. Über die sorgfältige Bewirtschaftung des Weingutes, die Entrichtung der fälligen Steuern und Abgaben, Einnahmen aus Weingütern usw. wachte der jeweilige Cellerar des Klosters (auch „Kellerer“ genannt). Zur Vorbereitung und Durchführung der Weinlese bis zur Befüllung des Weingeschirrs (Fässer) reiste der Cellerar mit der Klosterkutsche jedes Jahr für vier bis sechs Wochen von Polling zum klösterlichen Weingut in der Hagengasse in Untermais.
Von den Tiroler Weingütern forderte das Kloster Polling jährlich eine feste „Gilt" (Abgabe) von 83 Yhrn Wein (1 Tiroler Yhrn = 72 bayerische Maß = ca. 6.550 l). „Allerdings“, erzählt uns lachend Erich Huber, heutiger Besitzer des Pollinger Hofes in Untermais, „musste auf dem Weg von Untermais nach Polling auch der Durst gestillt werden und, um die Vorschriften zu erfüllen, wurde das Fass mit Wasser nachgefüllt und so kam oftmals in Polling ein etwas ‚wässriger‘ Wein an.“
Als 2003 die 1.250-Jahresfeier der Gründung Pollings anstand, wurde ein legendärer Weintransport von Meran nach Polling organisiert. Mit einem Pferdegespann wurde ein Fass mit Meraner Wein, begleitet von einer Kutsche mit „Honoratioren“ in historischer Kleidung, über die Stationen Schlanders, Glurns, Giern (am Reschensee), Lermoos, Huglfing nach Polling transportiert. Damit wollten die Veranstalter in das Gedächtnis zurückgerufen, was Jahrhunderte lang gängige Praxis war.
Warum ist der Messwein weiß und nicht rot?
Bis etwa zur zweiten Hälfte 15. Jahrhunderts wurde ausschließlich Rotwein als Messwein verwendet, da dieser gut zur Symbolisierung des Blutes Christi passte. Papst Sixtus IV. (1414-1484) ließ 1478 zum ersten Mal Weißwein zu. Der Bischof aus Cuneo bat um Zulassung eines roten „Blauen Spätburgunders“, der eigens weiß gekeltert wurde. Der praktische Grund: Der hochpopuläre Prediger Gino Dante aus Saluzzo gestikulierte bei seinen Predigten derart, dass er nicht nur das Altartuch, sondern auch die Priestergewänder regelmäßig mit Rotweinflecken bespritzte. Ein Fässchen von dem weiß gekelterten Roten wurde dem Ansuchen mitgeschickt, damit seine Exzellenz in Rom auch sinnlich erfahre, worum es gehe und kosten könne, ob dieser Wein zur Ehre Gottes gereiche. Das Antwortschreiben erlaubt die Verwendung dieses weiß gekelterten, roten „Blauen Spätburgunders“ und ein Zusatz erwähnt, dass seiner päpstlichen Exzellenz der Wein sehr gemundet habe und ob es möglich sei, noch einmal ein Fässchen in die Heilige Stadt zu schicken, aber bitte doch ein etwas größeres als das letzte. Beim Konzil von Trient (1545-1563) wurde dann generell jeder Wein, welcher Farbe auch immer, der gewissenhaft und ohne Zusatz von fremden Stoffen gekeltert wurde, als Messwein zugelassen.