Nostalgie in freier Natur
Einzel-Sessellifte in und um Meran
Im Frühling 2014 von Dr. Johannes Ortner
Nach einer anstrengenden Tour in der Texelgruppe die letzten schnellen Schritte zur Bergstation, es ist knapp vor 18 Uhr – letzte Fahrt. Ein Ruck und schon entschwebe ich in grünen Gittergondeln hinunter nach Vellau. Die Abendbrise kühlt, eine knappe Viertelstunde habe ich für mich allein: Meine Blicke verlieren sich im Dunst des Etschtales, ich lasse die Eindrücke des Tages Revue passieren. Unter mir ein schmaler Pfad zwischen Steinhalden, Schafweiden, Bergbauernhöfen. Kurz vor Vellau der Geruch blühender Edelkastanien. Vor dem Ausstieg das Rattern der Seilklemme, wenn sie die Rollen der Niederhalter-Stützen passiert, hoffentlich bemerkt mich der Liftwart. Nach einem Bier geht’s mit dem Einzel-Sessellift weiter über steile Weinberge in das dampfende Algund.
Eine Fahrt mit so einem „Nostalgielift“ aus den 1950er-Jahren, den Pionierjahren des Fremdenverkehrs im Burggrafenamt, mutet in unserer hektischen Zeit wohl auch ein wenig anachronistisch an. Geschwindigkeitsbegrenzung 7 km/h! Quengelnde Kinder sind in der Regel begeistert. Schwindelfreiheit und ein behändes Ein- und Aussteigen sind Voraussetzung für eine Genussfahrt der besonderen Art.
In Meran und Umgebung gibt es noch fünf solcher privat geführter Einzelsessellifte: den Panoramalift zwischen Meran und dem Segenbichl, den Sessellift Mitterplars – Vellau, seine Fortsetzung, den Korblift Vellau – Leiteralm (2 Personen/ Korb), den Lift Vigiljoch – Larchbichl sowie den Lift zwischen Oberkirn und der „Grube“ in Schenna/Obertall.
Panoramalift Meran – Tirol
Viele Meraner und Tiroler gönnen sich einmal eine gemächliche Fahrt vom Segenbichl über die Dächer der Altstadt in die Galileistraße. Unter den pendelnden Füßen liegt der Tappeinerweg und das üppige Grün gepflegter Parkanlagen und Weinberge. Dieser Lift ist eine Kostbarkeit für Meran und sollte auch von Einheimischen mehr genutzt werden.
Der Lift dient größtenteils touristischen Zwecken, ausgenommen bei einem Stau auf der Passeirer Straße, wo manch eiliger Dorf Tiroler vom Segenbichl in fünf Minuten das Meraner Stadtzentrum erreichen kann und zwischen Palmen und Zürgelbäumen der Alltagshektik entfliehen kann.
Liftbetrieb: Frühling, Sommer und Herbst.
Sessellift Mitterplars – Vellau
„Es ist so wunderbar über die Weinberge hinaufzufahren ...“
Mit einfachen Worten schildert ein begeisterter Tourist eine Fahrt mit dem Lift von Algund/Mitterplars nach Vellau. Dieser Lift wurde zu einer Zeit errichtet, als der Algunder Bergweiler Vellau noch nicht mit einer Fahrstraße erschlossen war. Er hatte als öffentliches Personentransportmittel eine dezidiert nicht-touristische Aufgabe zu leisten, daher wurde sein Bau damals vom italienischen Transportministerium mitfinanziert. Der Liftbetreiber Sepp Schweigl vom „Gasteiger“ in Vellau fügt hinzu, dass der Lift für ihn als Schulkind eine enorme Erleichterung des Schulwegs darstellte.
Logistik anno 1956: Für den Bau der Betonstützen mussten noch mit Ochsenfuhrwerken der Beton und die Stahlteile angekarrt werden.
Dabei blies der technischen Neuerung „Sessellift“ auch von anderer Stelle gehöriger Gegenwind entgegen. Das gewichtige Wort des damaligen Stickler-Bauern Matthias Kiem verzögerte den Bau. Die Baubewilligung wurde zwar 1953 erteilt, erst 1956 jedoch schwebten die ersten Fahrgäste bergan. Matthias Kiem ging durch verschiedene gerichtliche Instanzen, um das Liftprojekt zu verhindern. Die Trumpfkarte zückte er bei einer Verhandlung in Trient, als er dem staunenden Richter erklärte: „Meine Knecht in Weinberg hearn au ze orbetn, weil sie in die Weiber afn Lift untern Kittel innischaugn!“