Pater Cyrill Greiter OCist.
Pfarrer in Untermais
Im Winter 2021 von Margareth Bernard
Die Meraner Pfarrei Mais (sie wurde 1969 in Unter- und Obermais geteilt) war ab dem 13. Jahrhundert mit mehreren Kirchen im Besitz des Zisterzienserstiftes Stams im Oberinntal. 1934 gründete dessen Abt Stephan Mariacher das Priorat Untermais, das seit 1969 für die Pfarrei den Pfarrer stellt. Pater Cyrill Greiter war von 2008 bis 2012 Kooperator in Untermais und kehrte dann am 12. März 2014 als Pfarrer hierher zurück.
Mit jugendlichem Schwung und Elan kommt er zu unserem Treffen, genau so wie er als Priester in allen Bereichen auftritt. Wohl auch deshalb fühlen sich seine Pfarrkinder von ihm angesprochen und verstanden. Mit seinen Predigten, bei denen er sich meist zu den Gläubigen in das Kirchenschiff begibt und die von Rhetorik und profunder Kenntnis menschlicher Belange zeugen, fesselt er und füllt die Kirche. Seine Gestaltung der kirchlichen Festtage, aber auch der einfachen Messen überzeugt und ist keine bloße Pflichterfüllung. Die Wertschätzung durch die Pfarrgemeinde hat ihm das Wurzelschlagen hier erleichtert, denn zu Hause ist er ursprünglich im Nordtiroler Unterinntal. Heute bestätigt er, dass er sich hier wohlfühlt. „Ich mag die Menschen und nehme sie so wie sie sind, mit allen guten und weniger guten Seiten, das spüren sie wohl auch“, meint er dazu. Und weiter: „Ich habe meine zwischenmenschlichen Fähigkeiten von meinem Vater geerbt, der auch immer auf die Menschen zugegangen ist. Ich mag nicht belehrend sein, sondern einen Austausch mit allen pflegen.“ Das Elternhaus hat also einen großen Anteil daran, dass Pater Cyrill sich als einer von allen fühlt und den Menschen nicht von oben herab oder als etwas Besseres begegnet.
Bevor er nach Untermais kam, betreute er zwei Pfarreien im Tiroler Oberland. Die Menschen dort bezeichnet er als eher verschlossen und trotzdem konnte er zu ihnen hinfinden. Und nachdem es in der Untermaiser Pfarrei viele aufgeschlossene und offene Menschen gibt, war das Zusammenfinden keine große Herausforderung. Und mit Kritik, so Pater Cyrill, müsse man leben lernen, genauso wie alle, die in der Öffentlichkeit stehen. „Es allen recht zu machen, gelingt niemandem, nicht einmal dem Herrgott“, wirft er schmunzelnd ein, fügt aber hinzu, dass er als Pfarrer in der Kirche mit seinen Worten bei einer Predigt die Menschen viel leichter verletzen könne als zum Beispiel ein Politiker, weil er dabei eine ganz andere, empfindsame Seite derselben anspreche, sozusagen das Persönliche, das Innere.
Dankbarkeit für Fleiß und Einsatz der Mitarbeiter
Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seiner Pfarrei pflegt Pater Cyrill ein kameradschaftliches Verhältnis, versucht, allen Raum zu geben und sie im Vertrauen auf ihre Fähigkeiten tun und arbeiten zu lassen. So bringt sich jeder einzelne mit Eigenverantwortung ein und leistet Wertvolles. Besonders rührig ist auch der Pfarrgemeinderat mit seinen jungen Mitgliedern, die gerade in den vergangenen Monaten lobenswerte Aktionen gesetzt und Alternativprogramme zu den herkömmlichen Gottesdiensten entwickelt haben. So wurden zum Beispiel zu Weihnachten Gottesdienste in den großen Saal im „Kimm“ übertragen, um trotz der beschränkten Plätze in der Kirche selbst möglichst vielen Menschen einen Gottesdienstbesuch zu ermöglichen. „Ich zolle diesen Mitarbeitern großen Respekt und bin sehr dankbar für diesen Fleiß und Einsatz“, betont Pater Cyrill mit Nachdruck.
Im Unterschied zu anderen Priestern in unserem Land untersteht Pater Cyrill nur arbeitsmäßig dem Bischof der Diözese, juridisch aber dem Abt von Stams. Seine etwas saloppe, aber sympathische Erklärung dazu: „Ich bin ein Leasing-Arbeiter des Bischofs, er kontrolliert und bewertet meine Arbeit, der Chef der Leasing-Firma aber ist der Abt.“ Diese Aussage bekräftigt in ihrer Art sein Bemühen, in allen gesprochenen Worten den Alltag einfließen zu lassen, um möglichst sicherzustellen, dass die Worte bei den Menschen ankommen und verstanden werden. „Natürlich gelingt mir das nicht immer gleich gut“, räumt er ein, „denn das hängt von so vielen Faktoren ab, die ich nicht beeinflussen kann.“ Schmunzelnd ergänzt er noch: „Wenn ich manchmal mit meiner Predigt so gar nicht zufrieden war, kamen nachher die Menschen zu mir und lobten mich dafür. Das beweist wieder, wie unterschiedlich unsere Wahrnehmungen sind.“
Freiheit schätzen und als Geschenk Gottes erkennen
Die Corona-Situation hat auch die Kirche als Institution getroffen und stark gefordert. Sie hat das tägliche Pfarreileben umgekrempelt, was natürlich auch auf die Pfarrei Untermais zutrifft. Pater Cyrill bestätigt, dass die Pandemie neben all den Einschränkungen auch die Arbeit beeinträchtigt, weil vieles bedacht und alle Arbeitsschritte der Situation angepasst werden mussten. „Ich bin überzeugt, dass wir die Freiheit, wenn wir sie dann uneingeschränkt wiedererlangen, und davon bin ich überzeugt, mehr schätzen und sie als Geschenk Gottes erkennen werden. Denn es macht uns ziemlich sprachlos, wenn wir uns einmal bewusst machen, was uns Gott mit der Freiheit in unserem täglichen, selbstverständlichen Leben für ein unglaubliches Geschenk macht,“ bekräftigt er.
In diesem Zusammenhang kommt er auch auf Advent und Weihnachten zu sprechen: „Bisher haben wir jedes Jahr im Advent und zu Weihnachten die fehlende Besinnung und Ruhe beklagt, die durch Lärm und Kommerz im Keim erstickt wurden. Und nun, wo diese Zeit einmal wirklich ihren ursprünglichen Charakter wiedererlangt zu haben schien, beklagten viele paradoxerweise nun diese Situation.“ Zudem sei alles, was sich in dieser Krise verstärkt gezeigt habe, schon vorher da gewesen, nur eben in dieser Ausnahmesituation aufgebrochen und sichtbar geworden, so etwa psychische Belastungen, Gewalt, Egoismus und schwierige Beziehungen.
Die Rolle der Kirche in unserer Zeit
Unweigerlich kommen wir auch auf die Rolle der Kirche in unserer Zeit zu sprechen, in der viele glauben, sich ihre spirituelle Heimat selbst am besten einrichten zu können und nicht mehr auf Kirche und Priester angewiesen zu sein. Pater Cyrill verweist darauf, dass die Kirche nur die Möglichkeit habe, mehr Präsenz zu zeigen und ihre Tür immer offenzuhalten. Deshalb sei er persönlich stets bemüht, mit Aktionen hinauszugehen, etwa bei Begräbnissen, wo man die Teilnehmer zu erreichen und ihnen durchaus etwas mitzugeben imstande sei.
Die Frage, ob es in der Stadt noch öfters vorkomme, dass er zu Sterbenden gerufen wird, muss er verneinen, was auch darauf zurückzuführen sei, dass es in den Krankenhäusern, Palliativstationen und Seniorenheimen sehr bewährte Seelsorgeteams gibt. Wichtig sei aber zu bedenken, dass uns Gott auch im Sterben nicht allein lässt. Dass das Sterben möglichst aus dem Leben verdrängt wurde und dieser Lebensabschnitt zu oft sogar totgeschwiegen wird, hat unseren Umgang mit dem Tod nicht leichter gemacht.
Gott hat viele verschiedene Gesichter
Und dann geht es im Gespräch auch noch um den Glauben und darum, wie ihn Pater Cyrill für sich definieren würde. Nach wohlbedachter Überlegung sagt er: „Für mich ist der Glaube das Glauben an ein großes Geheimnis, nämlich Gott, das Vertrauen in ein höheres Sein, das ich tagtäglich praktizieren und wofür ich ständig die Spannung aufrechterhalten muss. Wir müssen akzeptieren, dass wir Menschen vieles nicht erklären können. Aber ich vertraue darauf, dass es dieses große Geheimnis, das wir Gott nennen, gibt und dass er es gut mit mir meint und ich, wenn ich ihm vertraue, wachsen kann.“ Gott habe viele verschiedene Gesichter, so Pater Cyrill weiter, und wir alle lernen in unserem Leben zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen
Situationen diese unterschiedlichen Gesichter kennen, oft in und durch andere Menschen, durch die uns Hilfe zuteil wird, so wie man sie gerade braucht. Oft verstünden wir es erst im Nachhinein, weshalb das Vertrauen so wichtig sei.
Gläubige und Kirche
Tatsache ist, dass viele Menschen nicht mit dem Glauben Schwierigkeiten haben, wohl aber mit der Institution Kirche. Pater Cyrill erklärt sein teilweises Verständnis dafür. „Die Kirche sollte neuere Formen des miteinander Gottesdienstfeierns und des miteinander Unterwegsseins zulassen, mehr Lebendigkeit zeigen“, führt er aus. „Die Kirche sollte durchaus auch ihre Stimme zu politischen Themen erheben, wenn es zum Beispiel um die Verantwortung der Gesellschaft geht. Für mich ist das aber Aufgabe des Bischofs oder des Ordinariats, nicht die eines Pfarrers. Ich würde meine Stimme nur dann erheben, wenn es um das Leben oder um soziale Einschnitte ginge, also die Armen beträfe“, ergänzt er.
Zum Schluss geht es noch darum, wie Pater Cyrill seine Freizeit gestaltet. Mit einem lachenden Gesicht meint er dazu: „Zum Großteil mit meinem Hund“, um dann ernsthaft anzufügen, dass er am liebsten in die Stille gehe. Auch mit einer Handvoll Freunden versuche er, seine Freizeit sinnvoll und zur Erholung zu verbringen, gerne auch in der Natur. Und gleich gerät er ins Schwärmen: „Wie schön kann es sein, das Singen der Vögel oder das Knirschen der Steine unter den Schuhen zu hören, oder das Rauschen eines Bächleins und den Wind, der über eine Wiese streift. Und wie intensiv sind die Gerüche des Waldes, des Holzes ...“
Am Ende beantwortet er dann noch die Frage, ob er den Beruf habe, den er sich immer gewünscht hätte, mit überzeugender Zustimmung: „Ich könnte mir nichts anderes vorstellen und ich würde mich noch einmal dafür entscheiden, müsste ich die Uhr zurückdrehen.“