Steinmetzin Doris Jacob
Eine erfolgreiche Frau in einer Männerdomäne
Lesezeit: 5 minIm Herbst 2020 von Eva Pföstl
Die Pyramiden in Ägypten, das Kolosseum in Rom – diese Bauwerke sind mehr als 2.000 Jahre alt und stehen noch immer. Ohne die geübten Hände von Steinmetzen, die lediglich mit Hammer und Meißel ausgerüstet Tausende von Felsbrocken zu geometrischen Steinquadern bearbeiteten, hätten sie wohl kaum die Zeit überdauert.
„Unser Handwerk ist sozusagen in Stein gemeißelt: Unseren Beruf gibt es seit Jahrtausenden. Und es wird ihn weiterhin geben“, sagt Doris Jacob mit Stolz. Die Meraner Steinmetzin arbeitet erfolgreich in diesem Beruf und das schon in der 4. Generation. Da bereits auch beide Söhne von Doris im Betreib tätig sind, kann man längst von der 5. Generation sprechen.
Solides Handwerk mit Tradition
Gegründet wurde die Firma von Emil Jacob, dem Urgroßvater der heutigen Inhaberin Doris. Er übernahm einen Steinmetzbetrieb, der sich ursprünglich unterhalb des heutigen Forsterbräus befand, vergrößerte den Betreib und verlegt ihn in die St.-Josef-Straße. Seine beiden Söhne Robert und Bruno erlernten ebenso den Steinmetz- und Bildhauerberuf und waren im elterlichen Betrieb tätig. 1952 übersiedelte Robert Jacob mit seiner Familie nach Bozen/Oberau und eröffnete dort einen eigenen Betrieb. Emils jüngerer Sohn Bruno blieb im Firmensitz in Meran.1979 übernahm Brunos Sohn Walter den Familienbetrieb in Meran und zusammen mit seiner Frau Cilli führte er jahrzehntelang den Betrieb Marmor OHG des Jacob Walter & Co. Spuren seiner Arbeiten findet man im Raum Meran und seiner Umgebung.
Seine einzige Tochter Doris erlernte ebenfalls im elterlichen Betrieb das Handwerk des Steinmetzes und absolvierte erfolgreich den Lehrabschluss an der Berufsschule in Salzburg. 2016 übernahm Doris Jacob den Betrieb von ihrem Vater. So blickt die Firma Jacob heute auf eine über hundertjährige ununterbrochene Tätigkeit zurück. 4 Generationen konnten dabei im Laufe von über 100 Jahren große Berufserfahrung sammeln und bereits jetzt wird das wertvolle Fachwissen an die 5. Generation weitergeben. Die Firma Jacob zeigt, wie sich ein Traditionsunternehmen die Moderne erschließt und wie ein Wandel im Unternehmen auch etwas in unserem Alltag verändert.
„Wir arbeiten seit fünf Generationen in Stein“, sagt Doris. Allerdings hat sich viel verändert. „Als mein Urgroßvater begann, gab es nur wenig Material – und dieses hauptsächlich aus der Region. Inzwischen steht uns geeignetes Gestein aus aller Welt zur Verfügung. Und auch die Fertigungstechnik hat sich gewandelt. „Früher wurde nur mit Hammer und Meißel gearbeitet. Heute arbeiten wir mit modernster Maschinen- und CNC-Verfahrenstechnik“, erklärt Doris Jacob.
„Eines hat sich jedoch nicht geändert“, betont die Unternehmerin, die 7 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir sind und bleiben leidenschaftliche Handwerker mit einem ausgeprägten Gespür für Qualität. Das Abschließende jedes Werkstücks wird von Hand erledigt – und hier zeigt sich dann, wie wichtig die fundierte Ausbildung ist. Nur ein gelernter, guter Steinmetz hat jenes untrügliche Gespür für den Stein, ohne das eine perfekte Oberfläche nicht entstehen kann.“
Eine Frau in einer Männerdomäne
Für Doris war schon in ihrer Jugend eines klar: „Ich wusste bereits sehr früh, dass ich in diesem Beruf arbeiten möchte. Durch meine Eltern und Großeltern bekam ich so viel mit, dass ich mir nie einen anderen Beruf vorstellen konnte. Ich besuchte zuerst die dreijährige Handelsschule in Meran und dann die Berufsschule für Steinmetze in Salzburg. Damals war ich das einzige Mädchen in der Steinmetzausbildung. Das war aber kein Problem – ich wurde von allen männlichen Kollegen akzeptiert.“
Doris Jacob erklärt weiter: „Das Wissen, das für den Beruf des Steinmetzes nötig ist, wird oft unterschätzt. Viele denken: Da habe ich einen Stein, den bearbeite ich, und gut. So einfach ist das aber nicht. Auf dem Lehrplan stehen Fächer wie Stil- und Gesteinskunde, Mathematik und Geometrie. Die Ausbildung habe ich mit einer theoretischen und praktischen Prüfung samt Anfertigung eines Gesellenstückes abgeschlossen.“
Neben künstlerischem und handwerklichem Talent braucht man in diesem Job auch eine gute körperliche Konstitution – schließlich kostet die Arbeit am Stein Kraft. Räumliches Vorstellungsvermögen, ein hohes Maß an Sorgfalt und auch Improvisationstalent runden das Anforderungsprofil ab. „Wir machen uns auch über die Logistik Gedanken. Man muss vorher planen, wie eine mehrere hundert Kilo schwere Platte transportiert und montiert wird“, so Doris.
Beweisen muss sich die Steinmetzin nichts mehr. Sie war die erste Frau in Südtirol, die den Beruf des Steinmetzes ausübte und sich erfolgreich in einer typischen Männerdomäne behauptet. „Heutzutage gibt es immer mehr junge Frauen, die diesen Beruf erlernen“, erklärt sie.
Mit Kreativität und Körperkraft
Trotz der schweren Arbeit, die Steinmetze leisten müssen, hat Doris Jacob ihren Schritt nie bereut. „Es ist ein interessanter und erfüllender Beruf, der viele Gestaltungsmöglichkeiten offenlässt und bei dem es notwendig ist, Kreativität und handwerkliche Fertigkeit zu verbinden.“
In Meran und Umgebung haben die Steinmetzmeister Jacob in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts Spuren im Stein hinterlassen. „In der Hauptsache befassen wir uns mit der Bearbeitung von Grabsteinen und Grabzubehör. Dabei legen wir besonderen Wert auf die Realisierung individueller Kundenwünsche. Besonders bei Grabdenkmälern ist es sehr wichtig, den Geschmack der Angehörigen zu treffen“, erzählt Doris.
Dass das Steinmetzhandwerk aber viel mehr kann, hat Doris Jacob in den letzten Jahrzehnten bewiesen. Ihre Firma hat sich auch auf Erzeugnisse aus Stein in den Bereichen Bau und Einrichtung spezialisiert. Ob es Tischplatten, Küchenarbeitsplatten, Natursteinfliesen, Wandverkleidungen, Fensterbänke oder Massivarbeiten im Innen- und Außenbereich sind – immer ist es Doris Jacob ein Anliegen, maßgefertigte Produkte nach den Kundenwünschen zu realisieren. „Jedes Produkt aus Naturstein ist ohnehin ein Unikat, da sich das Material schon von Natur aus immer unterscheidet“, unterstreicht die Unternehmerin. Ein großes Materiallager sorgt für kurze Lieferzeiten und sämtliche Montagearbeiten werden natürlich auch übernommen.
Hinzu kommen diverse Spezialaufträge. So werden immer wieder alte Grabsteine restauriert und gereinigt. „Dies ist eine besondere Aufgabe, da ich ja öfters Grabsteine, die mein Urgroßvater angefertigt hat, wieder in die Hand nehme“, erzählt Doris Jacob. Aber auch andere geschichtsträchtige Denkmäler und Bauten unserer Stadt wie z. B. das Sissidenkmal, die Postbrücke oder die Brunnen auf der Promenade wurden von der Firma Jacob gereinigt und restauriert. Um Steinanfertigungen so zu reparieren, dass man nachher die Mängel nicht mehr bemerkt, bedarf es großer handwerklicher Kompetenz und einiger Erfahrung. Ehrenamtlich hat sich die Firma um die Wiederherstellung des Denkmales von Kronzprinz Rudolf (siehe Bericht in der Ausgabe 18 des Meraner Stadtanzeigers) gekümmert.
Heuer feiert die Jacob KG der Doris Jacob & Co. ihr 110-jähriges Bestehen. Aufgrund der Coronoakrise wurde die Feier auf das nächste Jahr verschoben.