Tennis in Meran
Im Sommer 2018 von Eva Pföstl
Wussten Sie, dass der erste Tennisplatz für Touristen in der k.u.k. Monarchie in Meran entstanden ist? Und dass die Verbreitung des Tennissports im deutschsprachigen Tirol von Meran, dem „ältesten Fremdenverkehrsort des damaligen Kronlandes“, ausging? Diese Fragen sind für den Meraner Stadtanzeiger Grund genug, die Entwicklung des Tennisspieles in Meran kurz aufzuzeigen.
Der „Weiße Sport“ wird geboren: vom Jeu de Paume zum Lawn Tennis
Etwa im 12. Jahrhundert riefen französische Mönche, das Fußballverbot umgehend, das Spiel „Jeu de Paume“ ins Leben, welches als Ursprung und Vorgängersportart des Lawn Tennis (Rasentennis) betrachtet werden kann. Es wurde anfangs mit den Handflächen gespielt und erst im 14. Jahrhundert kamen Handschuhe auf, damit man die Bälle kräftiger fortschlagen konnte. Diese Handschuhe wurden Ende des 14. Jahrhunderts von hölzernen Schlägern abgelöst und diese wiederum zu Beginn des 15. Jahrhunderts von den mit Pergament bespannten Rackets. Im 16. und 17. Jahrhundert verbreitete sich das Spiel über ganz Europa und zahlreiche Ballhäuser wurden errichtet. Man kann sie als Vorläufer unserer heutigen Tennishallen betrachten. Verwandte Ballspielarten wie Pelota, Cache, Tamburello wurden in Deutschland, Italien und Spanien beschrieben.
Nach mehreren Jahrhunderten Ballhaus-Geschichte wurde das Jeu de Paume im 18. Jahrhundert kaum noch irgendwo praktiziert. Es erlebte im 19. Jahrhundert eine neue Blütezeit, jedoch änderte sich die Situation mit der Erscheinung des Lawn Tennis schlagartig. Nicht nur die Erhaltungskosten der Ballhäuser, wo das Jeu de Paume praktiziert wurde, zeigten sich im Laufe der Zeit zu hoch, sondern um die Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Sehnsucht nach Bewegung im Freien. Die überaus rasche Verbreitung des Lawn-Tennis ist auch maßgeblich der leichten Handhabung des Tennisschlägers zu verdanken sowie der Möglichkeit, draußen, abseits von Spezialbauten spielen zu können. Schon bald konnten zahlreiche Tennisschläger und -bälle produzierende Manufakturen verzeichnet werden. Es entstanden neue Wirtschaftszweige, auch wurde die Welt der Mode aufgerüttelt und Designer entwarfen Spezialkleidung für die neue Ballspielart.
Beginn des Tennis in Meran
Die Verbreitung des Spiels erfolgte zuerst hauptsächlich durch die sogenannten „Engländerkolonien”, die sich vor allem in Großstädten und Handelszentren sowie in Bade- und Kurorten gebildet hatten. So brachten die englischen Kolonien im Strandbad Le Havre und Dinar sowie in Paris das Tennis schon sehr früh nach Frankreich; in Deutschland spielten englische Gäste in Bad Homburg bereits 1874 Tennis. Nach Österreich-Ungarn gelangte das Spiel erst etwas später. 1877 trugen die Mitglieder der britischen Botschaft in Wien das erste Lawn-Tennismatch aus. Mitte der 1880er-Jahre entstanden in Wien und Budapest die ersten Clubanlagen. In diese Zeit fällt auch der Beginn des Tennis in Meran.
Es begann während der Herbstsaison 1884, als die Kurvorstehung einen mit einem Croquet-Spielfeld kombinierten Lawn-Tennisplatz errichtete. Es war der erste seiner Art in ganz Tirol und sogar der erste seiner Art für Touristen überhaupt in der gesamten Doppelmonarchie. Dies dank des Engagements der Prinzessin Eugenie Esterházy geb. Dülmen-Croÿ (1854–1889) aus Wien, einer begeisterten Tennisspielerin. Den formalen Antrag für die Schaffung dieses englischen Ballspielplatzes, wie er auch bezeichnet wurde, hatte Friedrich W. Ellmenreich, ein geschäftstüchtiger Wahlmeraner, gestellt, der alsbald in seiner S. Poetzelberger’s Buch-, Papier- und Kunsthandlung am Pfarrplatz „Tennis-Waren” verkaufte. Als Areal für den Tennisplatz wurde die „Dorner-Wies” in der Habsburgerstraße (heute Freiheitsstraße) unweit des Bahnhofes von der Gemeinde unentgeltlich und auf unbestimmte Zeit zur Verfügung gestellt. Die „nöthigen Geräthschaften“ wurden aus London importiert. Der Tennisplatz konnte für einzelne Spiele (Sätze) oder auf Abonnement-Basis (Monats-oder Saisonabonnement) genutzt werden. Der Preis für ein Saisonabonnement entsprach ungefähr dem zweifachen Wochenlohn eines ungelernten Arbeiters. Der Tennisplatz erfreute sich großer Beliebtheit, besonders auch im Winter, aufgrund der klimatischen Verhältnisse. Er wurde viel genutzt und schon bald konnte man sich den Kurort „ohne Lawn-Tennisplatz nicht mehr recht denken”.
Im März 1890 wurde ein weiterer Lawn-Tennisplatz errichtet. Zur gleichen Zeit stellten auch einige Hoteliers und Pensionsinhaber Tennisplätze bereit, die in erster Linie den Hausgästen zur Verfügung standen. In Absprache mit den betreffenden Besitzern konnten diese jedoch auch von auswärts wohnenden Fremden benützt werden. Die ersten Plätze entstanden bei den Pensionen Villa Aders und Villa Alhambra in Obermais. Bereits 1894 wurden drei weitere Tennisplätze geschaffen: Das Hotel Meraner Hof am Passerufer in Untermais und die Pensionen Weinhart und Imperiale in Obermais legten Spielplätze an. In den folgenden Jahren entstanden – entsprechend der großen Nachfrage – weitere Tennisplätze, so z. B. beim Hotel Kaiserhof, bei der Pension Kessler oder auch in Gratsch. Neben diesen touristisch genutzten Anlagen entstanden auch einige private Tennisplätze bei einzelnen Schlössern oder Herrschaftsvillen.
Die neue Tennisanlage und internationale Turniere
1901 wurde eine neue Tennisanlage errichtet. Bereits 1899 hatte eine Gruppe von Meraner Bürgern den Sport- und Rennverein Meran-Mais gegründet und ein Areal von 53.583 qm in Untermais erworben. Neben einer Bahn für Pferde-, Rad- und Autorennen und Plätzen für Athletik, Fußball, Croquet, Badminton u. a. wurden auch fünf Tennisplätze mit Kies als Untergrund angelegt, die später betoniert wurden. Für die Zuschauer wurden Tribünen errichtet und es wurde ein kleiner See angelegt, der im Winter gerne zum Eislaufen genutzt wurde. Für das einheimische Publikum waren Vergünstigungen während der Nebensaison vorgesehen. Auf dieser Anlage wurde vom 3. bis zum 7. April 1905 das „1. Internationale Tennisturnier“ vom Sport- und Rennverein Meran-Mais ausgetragen. Den ersten Titel eines Meisters errang der Wiener Otto Worisek, und erste Meisterin wurde Nelly Schmollet aus Berlin.
Das „2. Internationale Tennisturnier“ fand vom 17. bis zum 21. April 1906 statt. Im darauffolgenden Jahr wurde der Sport- und Rennverein Meran-Mais aufgrund finanzieller Schwierigkeiten aufgelöst. Die Kurvorstehung, welche sich der wirtschaftlichen Bedeutung der Sportangebote bewusst war, kaufte den Sportplatz und verpflichtete sich vertraglich, die Platzanlage weiterhin zu betreiben. Deren Verwaltung übernahm ein eigenes Komitee und in den folgenden Jahren wurde die Tennisanlage renoviert und erweitert. Das letzte große Turnier vor Beginn des Ersten Weltkrieges fand im April 1914 statt. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam der Spielbetrieb nahezu völlig zum Erliegen. Mit dem Glanz des „Weißen Sports des Sommers“ – der Ausdruck war kurz nach 1900 aufgekommen – war es aber vorbei. Danach sollte es bis in die 1920er-Jahre dauern, bis sich das Tennispublikum in Meran wieder über eine Tennisveranstaltung freuen konnte. Besonders hervorzuheben ist das Tennisturnier aus dem Jahre 1923. Ein Plakat des Tennisturniers in Meran aus dem Jahre 1923 vom in Meran lebenden Grafiker Franz J. Lenhart (1898-1992) hängt im berühmten Museum von Wimbledon in London. Daran erkennt man den Wert und die Bekanntheit, welche die Meraner Turniere in der Zwischenkriegszeit hatten. Im Jahre 1927 wurde das Schiedsrichterhaus errichtet, welches erst kürzlich im Zuge der Festivitäten für die 700-Jahr-Feier der Stadt Meran renoviert wurde. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Bau in neuklassizistischer Gestaltung nach Art eines Türmchens: das Erdgeschoss ist gemauert, das Obergeschoss zurückspringend mit Vollwalmdach auf vier Säulen. Im darauffolgenden Jahr 1928 erhielt die Tennisanlage ihre heutige Gestalt.