Weißes Rössl/Rössl bianco – das älteste Gasthaus in Meran
Die Tradition soll sichtbar bleiben
Im Winter 2019 von Eva Pföstl
Maler oder Dichter müsste man sein, um die mystische Aura einzufangen, die der historische Gasthof zum Weißen Rössl oder das heutige „Rössl bianco“ in den Unteren Wasserlauben Nr. 357 ausstrahlt. Der Standort in den Lauben ist kein Zufall, sondern gewissermaßen geschichtliche und geografische Logik. Im Mittelalter war Meran, die alte Tiroler Landeshauptstadt, noch von einer Stadtmauer mit vier Stadttoren umschlossen und die Laubengasse war die einzige Geschäftsstraße von West nach Ost, die durch das Städtchen führte. Geschäfte, Handwerksbetriebe und Gasthäuser lagen ganz vorne in den Lauben, dahinter jeweils bis zur Stadtmauer gab es verschachtelte Wohnhäuser mit Innenhöfen, Gärten und Ställen. Der „Stadtbach“, ein uralter künstlicher Kanal, welcher heute noch an der Hinterseite des Gasthauses vorbeifließt, brachte Wasser und entsorgte vieles. An solch einer wichtigen Stelle musste zwangsläufig ein Gasthaus entstehen. Und noch immer steht das Rössl bianco genau am richtigen Ort: im romantischen Herzen von Meran, mitten in der Altstadt und unter den Lauben.
Ursprünge
Die Ursprünge des „Weißen Rössl“ gehen auf das Mittelalter des 14. und 15. Jahrhunderts zurück. Ursprünglich bestand der historische Gasthof aus zwei separaten Bauparzellen. Die beiden Laubenhäuser wurden erst im späten 18. Jahrhundert funktional und besitzrechtlich miteinander vereint. Damals hatte der Meraner Bürger Anton Frank das Gasthaus „Am weißen Rößl“ mit der Nr. 72 inne. An einer Türeinfassung eines Zimmers im 2. Obergeschoss erinnert eine Inschrift an den Wirt: „17 ANTANI FRANKH + ROSINA EGGMANIN 81“ Dem Maria-Theresianischen Kataster nach handelte es sich um eine Wirts Tafferne mit allen erforderlichen Zu- und Ingebäuden und einem Krautgarten. Die Grundherrschaft war damals frei.
Im alten Meran galten die Gasthausstuben fast ausschließlich als Mittelpunkt des geselligen Lebens. Das Weiße Rössl war immer ein Gasthaus der einfachen Leute. Es fehlen teure Bauelemente, Steingewände oder Fresken. Das Baumaterial stammte aus der näheren Umgebung und wurde mit großen Mühen hergebracht und verbaut: Steine, Tonziegel, Kalk und Holz. Das „Weiße Rössl“ beginnt im ersten Obergeschoss und reicht bis in den luftigen Dachboden, mit Innenterrassen und prachtvollem sichtbaren Dachgebälk. Über eine gewinkelte Tunnelanlage gelangt man in die beiden laubenseitigen Kellerräume. Hier verbindet ein Wanddurchbruch des 20. Jahrhunderts die zwei ehemals getrennten Keller, eine Seltenheit in Meran! Diese Keller wurden neuesten Untersuchungen zufolge in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts angelegt. Eine Besonderheit stellt der westliche Keller des Hauses dar. Hier wurde in der frühen Neuzeit des 16. oder 17. Jahrhunderts, innerhalb des mittelalterlichen Kellers, ein Tiefkeller angelegt. Für gewöhnlich sind die Meraner Laubenkeller eingeschossig, was mit dem Grundwasserspiegel und der nahen Passer zu tun haben mag. Die Anlage des Tiefkellers spricht für einen florierenden Weinhandel, der mit einer Qualitätssteigerung einherging. Zugleich wurden im Tiefkeller aber auch Lebensmittel gelagert, wie zwei im Erdreich sitzende, kreisrunde Kalksteinbehälter noch heute belegen.
Älteren Datum sind die südseitig anschließenden und ehemals in Richtung Stadtmauer führenden Feuermauern, die beispielsweise im Bereich des „Gotischen Saales“ bis heute gut sichtbar sind.
Gasthaus seit 1710
Überlieferungen zufolge soll das „Weiße Rössl“ seit 1710 bestehen. 1842 traf hier erstmals Lentner’s Stehweingesellschaft zusammen, womit die Tradition der „Stehweinler“, die bis heute gepflegt wird, begründet war. Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Josef Ladurner und Anna Augschell den Gasthof inne. Die Initialen der beiden Wirtsleute, auf die auch ein größerer Umbau zurückgeht, finden sich am Terrazzoboden im Foyer des 1. Obergeschosses. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war durch zahlreiche Pächterwechsel geprägt. Mit der Gastwirtschaft war damals in der Regel eine Metzgerei verbunden, sodass der jeweilige Wirt zugleich das Metzgerhandwerk ausübte. Diesem Gewerbe kam der südlich des „Weißen Rössl“ vorbeiführende Stadtbach für die Entsorgung der Abfälle entgegen.
Um 1920 schreibt der bekannte Maler Franz Lenhard „Laubenaufwärts steht zur rechten Hand im ältesten Haus von Meran das „Weiße Rössl“, dessen Betrieb in den Händen eines erfahrenen Gastronoms und eines heimatreuen Architekten zu einer einmaligen Attraktion für Meran werden könnte. Das „Weiße Rössl“ beginnt im ersten Obergeschoß und reicht bis in den luftigen Dachboden, mit Innenterrassen und prachtvollem sichtbaren Dachgebälk“. In der Faschistenzeit, als die alte Tiroler Landeshauptstadt Meran zu einer italienischen Provinzstadt geworden war, durfte das „Weiße Rössl“ nur noch „cavallino bianco“ heißen. Nach dem 2. Weltkrieg kannte man das Traditionsgasthaus umständlich zweisprachig als „cavallino bianco – Weißes Rössl“. Seit 2018 heißt es „Rössl bianco“ – logisch zweisprachig, unverwechselbar – als lebendiger Ausdruck der Meraner Realität.
1974 wurde das Gasthaus geschlossen. Während vieler Jahre war es nicht auf den Zug des Tourismus aufgesprungen. Es war Treffpunkt für Alt-Meraner, Bauern aus den umliegenden Tälern, Militaristen, mit Jukebox und einem Hauch von Sünde und Skandal. Als im Jahre 1976 ein Erdbeben Meran erschütterte, wurde das Haus arg mitgenommen und für unbewohnbar erklärt. 1981 diente das alte Gasthaus noch als Filmkulisse für den Film von Josef Zoderer „Das Glück beim Händewaschen“ (Regie: Christian Masten). In den letzten Jahrzehnten war das Haus ungenützt und teilweise in einem sehr desolaten Zustand, bis Harald Haller aus Passeier sich anschickte, es aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. 2015 erwarb er das Haus von Herrn Walter Haller aus Algund.