Zwei Wiener in Meran, die Spuren hinterlassen
Karl T. Kogler und Elfriede Hallama
Im Frühling 2019 von Eva Pföstl
Die aus Wien stammenden Musiker, Historiker und Notenarchivare Elfriede Hallama und Karl T. Kogler haben sich dem habsburgischen (Musik-)Vermächtnis der Passerstadt mit Leib und Seele verschrieben. Seit vierzig Jahren kommen die beiden nach Meran, sind in der Stadt mittlerweile fest verwurzelt und aus dem gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken. Trifft man die beiden, hat man das Gefühl, noch im Kaiserreich zu leben – das Paar ist immer stilvoll in Tracht gekleidet und lebt ebenso stilvoll im Schloss Rubein in Obermais –, ihr Alltag jedoch formt sich neben dem Musizieren aus dem leidenschaftlichen Engagement für das Heute und Jetzt!
Ein Interview mit Karl T. Kogler und Elfriede Hallama zu führen, ist wie das Öffnen einer Flasche Champagner. Ich stelle meine erste Frage und sie sprudeln los. Weit über die Frage hinaus und immer weiter führen sie aus, ich notiere ihnen hinterher. Spaß und Freude an der Geschichte Merans als Kurstadt haben sie, besonders aber an der Musikgeschichte, lassen sie mich wissen und so folge ich ihren spannenden Erzählungen über das habsburgische Musikvermächtnis unser Stadt.
Ein spannender Ausflug in die Geschichte der Kurstadt und in das Herz einzelner, teilweise unbekannter Musikstücke
Das Paar hat sich im Zeitraum von 2010 bis 2013 – im Auftrag der Kurverwaltung Meran – der systematischen Aufarbeitung und Erfassung der Werke des Meraner Kurorchesters gewidmet. Die Beauftragung kam nicht von ungefähr: Beide sind ausgebildete Geiger und ehemalige Mitglieder im Orchester des „Theaters an der Wien”, Karl Kogler war jahrzehntelang Archivar in der Wiener Volksoper und seine Frau war ihm dabei oft behilflich.
Das Wiener Musikehepaar übernahm eine Mammutaufgabe, die zunächst darin bestand, Abertausende in der Kurverwaltung gelagerte Notenblätter einzeln zu sortieren und ihren Ursprungswerken zuzuordnen. Das eindeutig identifizierte Material wurde in einer Computerdatenbank erfasst. Heute kann das rund 7.400 Werke umfassende Vermächtnis des 2003 aufgelösten Orchesters in einer benutzerfreundlichen Online-Datenbank eingesehen werden. „Bei unserer Ordnungs- und Archivierungsarbeit des Notenmaterials des ehemaligen Kurorchesters Meran fiel uns auf, dass von manchen unbekannten Komponisten erstaunlich viele Werke vorhanden sind. Das legte den Schluss nahe, dass diese Komponisten wohl in Meran gewesen sein mussten. Daraufhin machten wir uns aus purer Neugierde ans Studium der Fremdenlisten und das Ergebnis war so überwältigend, dass in uns der Gedanke reifte, alle Musiker und mit Musik in Verbindung stehende Personen (Musikverleger, Textdichter, Instrumentenbauer, …), die Meran besuchten oder länger hier weilten, in einem Büchlein zu erfassen“, erzählt Karl Kogler. So entstand 2015 das erste Buch „… und sie alle waren in Meran“, welches Musikern und Adeligen gewidmet ist, die im Zeitraum von 1880 bis 1915 Meran besuchten.
Während ihrer Arbeit an diesem Buch stießen Elfriede Hallama und Karl T. Kogler in den Fremdenlisten immer wieder auch auf Persönlichkeiten außerhalb des musikalischen Bereiches (etwa Schriftsteller, Wissenschaftler und Kunstschaffende), die sie für bemerkenswert hielten und separat erfassten. Daraus entstand die Idee für ein weiteres Buch über Meran. Als der niederösterreichische KRAL-Verlag Interesse daran bekundete, das geplante Werk zu veröffentlichen, machten sich die beiden Archivare wieder an die Arbeit. Dabei entpuppten sich auch die historischen Meraner Kur-Zeitungen, die den Fremdenlisten beilagen, als wertvolle Fundgrube. So entstand ein zweites Buch, „Meran. K. u. K. Sehnsuchtsort in Südtirol“, das mit zahlreichen Abbildungen versehen ist und Persönlichkeiten und Ereignissen, die zum Aufstieg Merans zu einem renommierten Kurort beitrugen, großen Raum widmet: Egal ob Kaiser Franz Joseph oder Kaiserin Sisi, die bekanntlich ja vier Mal in Meran weilte, der König von Serbien, der Schah von Persien, das Kronprinzenpaar von Schweden, die Literaten Peter Rosegger, Ludwig Ganghofer, Stefan Zweig oder Johanna Spyri, der Schauspieler Alexander Girardi, die Tänzerinnen Fanny Elßler oder die Schwestern Wiesenthal, die Wissenschaftler Thomas A. Edison, Conrad Röntgen und Alfred Nobel oder der Bau des 1914 eröffneten, neuen Meraner Kurhauses und die Errichtung des Stadttheaters im Jahre 1900. „Es war uns ein Anliegen, nicht nur zu zeigen, was viele wissen, sondern auch wenig Bekanntes ans Licht zu bringen“, betont Elfriede Hallama. Beispiele hierfür finden sich im Buch zuhauf: Etwa jenes des österreichischen Historikers David Schönherr, der entscheidend dazu beitrug, den geplanten Abriss der Landesfürstlichen Burg – bis heute eines der historischen und architektonischen Wahrzeichen Merans – zu verhindern, und dafür mit der Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet wurde.
Warum Meran?
Es sei zweifellos interessant, so betonen die beiden Geiger, warum so viele bedeutende Künstler nach Meran kamen. Zum einen ist es wohl die wunderschöne Gegend und die gesunde Luft. Da aber bei weitem nicht alle lungenkrank waren und es auch anderswo schöne Plätze gibt, muss es auch andere Gründe gegeben haben. Die vielen Besuche des hohen Adels spielten wohl auch eine Rolle, aber hauptsächlich war wohl das hervorragende Kurorchester dafür verantwortlich. Ein Richard Strauss oder ein Leo Fall wären wohl kaum gekommen, um ihre Werke zu hören oder gar zu dirigieren, wenn die Aufführung nicht zufriedenstellend für sie gewesen wäre. Dass das Orchester aber derart gut war – so die scharfsinnige Analyse der beiden Musiker – verdankte es zweifellos den unzähligen bedeutenden, wenn auch heute nicht mehr so bekannten Musikern, die sich offensichtlich um die Qualität kümmerten, wenn vielleicht auch nur durch Ratschläge, Kritik oder Anregungen bzw. durch Widmungskompositionen.
Zwischen gestern und heute
Auch Karl T. Kogler und Elfriede Hallama wären vor 40 Jahren nicht nach Meran gekommen, wenn Meran keine Kurstadt gewesen wäre. „Wir sind auch nach Meran gekommen wegen der wunderschönen Gegend, in der sich Palmen mit schneebedeckten Bergen verbinden, wegen des guten Essens und des guten Weins. Und wegen der ‚Kuren‘ natürlich, die wir damals noch in der Salvar, der heutigen Therme von Meran, und im Hotel Mirabella in der Garibaldistraße gemacht haben“, erklärt Karl Kogler. „Vor vierzig Jahren war es noch ruhig und gemütlich in Meran. Heutzutage jagt ein Event den anderen und es ist immer laut – zu laut für eine Kurstadt“, bedauert die charmante Wienerin, die sich nicht mit Kritik zurückhält. „Meran ist ja eigentlich gar keine Kurstadt“, fährt sie fort, „denn es gibt keinen richtigen Kurpark, leider kein Kurorchester mehr, kein Spielcasino und keine Mittags- und Nachtruhe. Die Gäste sind keine Kurgäste mehr und Meran ist zu einem reinen Tourismusort geworden – ein liebenswerter zwar, aber eben ein Tourismusort und kein Kurort!“