Wie der gute Wein nach Meran kam
Im Herbst 2016 von Philipp Rossi
„Selbst wenn sie es nicht will, muss diese Stadt in die Geheimnisse des Bacchus eingeweiht werden“, schreibt der griechische Dichter Euripides im Prolog seiner bekannten Tragödie „Die Bakchen“. In der Antike war Bacchus der Gott des Weines, zu dessen Ehren fanden alljährlich im März die sogenannten „Bacchanalien“ statt. Heute, 2000 Jahre später, scheint von dieser Tradition nicht alles verloren gegangen zu sein: Beim alljährlich im November stattfindenden WineFestival, das heuer seinen 25. Geburtstag feiert, kommen ausgesuchte Weine aus der ganzen Welt nach Meran.
„Dass der Wein in der Südtiroler Esskultur einen besonderen Stellenwert einnimmt, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären“, weiß Helmut Köcher, der seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert jedes Jahr das WineFestival organisiert, „jedoch fehlte bis in die 1980er-Jahre das Bewusstsein, dass der Wein weit mehr als bloß ein Tischgetränk ist.“
Und so kam es, dass drei ehrgeizige (und risikofreudige) junge Meraner, Hansi Innerhofer, Helmuth Köcher und der nunmehrige Weinjournalist Othmar Kiem, 1992 ein Projekt starteten, das die Weinkultur in der Passerstadt nachhaltig revolutionieren sollte: Eine Weinverkostung im Hotel Palace. Produzenten hochwertiger Weine aus ganz Italien wurden nach Meran eingeladen, um ihre edelsten Tropfen dem Publikum vorzustellen. Es stellte sich die Frage, welcher Zeitraum wohl der geeignetste sei. Am Ende entschieden sich die drei Organisatoren für den November, weil er als einziger Monat vom Massentourismus noch unberührt geblieben war.
Die Veranstaltung zu organisieren bedeutete, sich auf unzählige Gefahren, insbesondere finanzieller Natur, einzulassen. Die erste Ausgabe des WineFestival kostete nämlich sage und schreibe fünf Millionen Lire. Zudem zeigte den drei Jungunternehmern die Politik die kalte Schulter. „Landesrat Bruno Hosp verglich uns mit einem Briefmarkenverein“, erinnert sich Köcher. Dabei ging es den drei in erster Linie darum, ihrer Heimatstadt Meran einen Dienst zu erweisen, indem sie das touristische Angebot erweiterten. „Wir wollten die Feinschmecker zu uns laden, fernab vom Massentourismus, den die Stadt gewohnt war“, so Köcher.
Dennoch war das WineFestival bereits in seiner ersten Ausgabe ein voller Erfolg. Über 1.000 Besucher kamen zur Weinverkostung, sodass im Folgejahr eine Vereinbarung mit einem Hotel getroffen werden musste, damit die zahlreichen Gäste überhaupt eine Unterkunft finden konnten. Für die neugegründete GmbH „Gourmet Service“, die fortan mit der Organisation der Veranstaltung betraut war, bahnten sich ein Erfolgserlebnis nach dem anderen an, ehe es 1999 zu einem herben Schlag kam: Helmuth Köcher, der bis dahin hauptberuflich Gemeindeangestellter gewesen war, wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe das WineFestival auf Kosten der öffentlichen Verwaltung organisiert und der Gemeinde einen finanziellen Schaden zugefügt.
Für Köcher begann eine schwere Zeit. „Ich habe mehrmals ans Aufgeben gedacht, auch weil ich befürchtete, dass meine Familie und ich finanziell den Boden unter den Füßen verlieren könnten.“, gesteht Köcher. Soweit kam es, Gott sei Dank, nicht: Köcher fand rasch neue Kräfte, die ihm den Mut gaben, mit seinem innovativen Projekt weiterzumachen und die Idee weiter auszubauen.