Wurde der Kündigungsschutz wirklich aufgeweicht?
Im Sommer 2012 von Dr. Egon Gerhard Schenk
Selten hat man im Rahmen der Arbeitsrechtsreform so unqualifizierte Diskussionen über den „Art. 18“ geführt. Dabei hat man den Eindruck gewonnen, dass die meisten Personen über einen phantomatischen Artikel diskutiert haben, ohne dessen Inhalt zu kennen. Man sprach von Abschaffung des Kündigungsschutzes und von einem Freibrief für Unternehmer, Mitarbeiter auf die Straße zu setzen. Die aufgescheuchten Hühner können beruhigt sein, wenn auch der „Art. 18“ neu formuliert wurde, hat sich nichts Wesentliches geändert.
Was ist überhaupt der Art. 18?
Der Artikel 18 des Arbeiterstatutes (es handelt sich um das Gesetz Nr. 300 vom 20.5.1970) regelt einen umfassenden Kündigungsschutz in Unternehmen oder Betriebsstätten mit mehr als 15 Mitarbeitern. Bei ungerechtfertigten Kündigungen konnte der Richter die Wiedereinstellung verfügen, wobei es dann dem Mitarbeiter freistand, zwischen der Wiedereinstellung oder einer Entschädigung von 15 Monatslöhnen zu wählen. Der Artikel 18 gilt daher nicht für Betriebe bis zu 15 Mitarbeitern. In diesen Betrieben bleibt eine eventuelle ungerechtfertigte Entlassung aufrecht, und der Arbeiter hat einen Entschädigungsanspruch von 2,5 – 6 Monatsgehältern.
Was ist nun wirklich neu?
- Die Pflicht der Wiedereinstellung wurde im Falle von wirtschaftlich bedingten Kündigungen und bei Entlassungen aus Disziplinargründen abgeschafft und durch einen erhöhten Entschädigungsanspruch (12 bis 24 Monatsgehälter) ersetzt.
- Die Kündigung muss in allen Fällen schriftlich begründet werden. Eine Kündigung unter Verletzung dieser Formvorschrift hat stets einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers in Höhe von 6 bis 12 Monatsgehältern zur Folge.
Wirtschaftlich bedingte Kündigungen (licenziamenti economici)
Vor einer Kündigung aus wirtschaftlichen bzw. organisatorisch bedingten Gründen (z.B. wegen Abbau des Personals aufgrund der Wirtschaftskrise oder Schließung einer Abteilung) ist nunmehr zwingend ein Schlichtungsversuch beim zuständigen Arbeitsamt durchzuführen. Wird beim Schlichtungsversuch keine einvernehmliche Lösung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefunden, kann der Arbeitgeber trotzdem die Kündigung aussprechen.
Bei ungerechtfertigter Kündigung steht dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zwischen 12 und 24 Monatsgehältern zu, wobei das Gericht bei der Festlegung der Entschädigungshöhe auch das Verhalten der Parteien während des Schlichtungsversuches, das Dienstalter des Arbeitnehmers, die Größe des Unternehmens, sowie seine Bemühungen bei der Arbeitssuche berücksichtigen muss.
Nur wenn das Gericht feststellt, dass die Gründe, auf die das Unternehmen die Kündigung gestützt hat, offensichtlich nicht vorliegen („manifesta insussistenza“) kann eine Wiedereinstellung und eine Entschädigung von bis zu 12 Monatsgehältern verfügt werden.