Sprachliche Bandwürmer
Im Sommer 2013 von Dr. Luis Fuchs
Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz war mit 63 Buchstaben das längste gebräuchliche Wort der deutschen Sprache. Das Gesetz zum Schutz der Verbraucher vor der Rinderseuche BSE war 1999 eingeführt worden, nun wurde es vom Schweriner Landtag aufgehoben. Im DUDEN allerdings war das Wort nie vermerkt; bevor dort ein neues Wort eingetragen wird, muss es mit einer gewissen Häufigkeit im deutschen Sprachgebrauch auftauchen. Der Spitzenreiter der längsten Wörter im DUDEN ist derzeit die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung mit 36 Buchstaben.
Es ist eine Besonderheit der deutschen Sprache, dass man theoretisch unendlich lange Begriffe zusammensetzen kann. Gerade in Gesetzestexten wird davon Gebrauch gemacht und Bandwurmwörter wie Vorsteuerabzugsberechtigung und Telekommunikationsüberwachungsverordnung sind keine Seltenheit. Auch die Entwicklung in Wissenschaft und Technik hat zu Wortungeheuern geführt; es bedarf schon einer gewissen Zungenakrobatik, will man Hirnstromwellenmessgerät oder Desoxyribonukleinsäure korrekt aussprechen. Ebenso haben in unserem Südtiroler Deutsch bandwurmartig zusammengesetzte Hauptwörter Eingang gefunden; manche Südtirolismen wie Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung oder Landesraumordnungskommission sind nicht gerade leicht lesbar und verständlich.
Anderseits kann ein einziges zusammengesetztes Wort eine ganze Geschichte erzählen. So könnte das Vergissmeinnicht als kompletter Satz verstanden werden. Auch wird einer, der Unfug treibt, kurzerhand als Tunichtgut gebrandmarkt, zwei Verliebte verabreden sich zu einem Stelldichein. Wer sich in Wien überall dazu gehörig und wichtig fühlt, ist ein Adabei. Wie mit einem Stoßgebet Hilfe erflehend ruft man Gottseibeiuns, wenn einem der Leibhaftige, also der Teufel begegnet.