Zwetschgen und Marillen vertschüssen sich
Im Frühling 2014 von Dr. Luis Fuchs
„Die Knödel sind alle“, gab die Wirtin des Berggasthofs den deutschen Gästen auf deren speziellen Speisewunsch hin freundlich zu verstehen. „Die Knödel sind ausgegangen“, könnte man sich auf 1.900 Höhenmetern eher als Antwort erwarten. Auf allen Ebenen fällt uns ein vermehrter Gebrauch von bundesdeutschen Ausdrücken in der Südtiroler Alltagssprache auf. Wir vertschüssen uns schon rundum, es wär wohl zu beschwerlich, ein Pfiat Gott über die Lippen zu bringen. „Gehen Sie nur die Treppe hoch, weist man den Gästen den Weg; zu verstehen, was eine Stiege ist, traut man ihnen nicht mehr zu. „Wünschen Sie eine Tüte?“ fragt die Verkäuferin zuvorkommend den Kunden, ein Sackl anzubieten, ist ihr wohl zu minder; wir waren seinerzeit mit einem Stanitzl zufrieden.
Wir meinen es ja nur gut mit unseren Gästen aus dem Norden, wir wollen ihnen einfach nur entgegenkommen. Viele traditionelle Ausdrücke geraten bei uns in Vergessenheit; sie werden unter dem Einfluss bundesdeutscher Medien, vor allem von TV-Sendern und Webseiten verdrängt. Ebenso tragen Kinderbücher und DVDs, in denen die Darsteller Apfelsinen statt Orangen verzehren, dazu bei. In der Alpenrepublik nehmen Sprachwissenschaftler diese Entwicklung ernst, sie gründeten kürzlich die „Gesellschaft für Österreichisches Deutsch (GSÖD). Es gibt laut ihrer Schätzung an die 20.000 typisch österreichische Begriffe, die eine Variante des Deutschen mit langer Geschichte darstellen und genau so richtig sind wie die bundesdeutschen Bezeichnungen. Österreich hat schon 1995 beim EU-Beitritt 23 Wörter vertraglich schützen lassen; die meisten davon sind dem Küchenwortschatz zuzuordnen und sind seit alters her ebenso in Südtirol gebräuchlich.
Der Buchweizen ist in unseren Küchen als Schwarzplenten gefragt, er ist als wesentliche Zutat in Knödeln und Torten begehrt. Den Topfen, im Pustertal auch als Tschotte bezeichnet, muss man den bundesdeutschen Gästen als Quark schmackhaft machen, ebenso den Rahm als Sahne. Die Hefe, nicht unser Germ, lässt in den Kochbüchern den Kuchenteig aufgehen. Zur Törggelezeit kommt selbstverständlich auch unser Kraut auf den Tisch, der Weißkohl ist’s auf Bundesdeutsch. Vom Slawischen haben wir den Kren übernommen, im Norden wird er als Meerrettich aufgewartet. Die Fisolen gibt’s bei den Gästen nur als grüne Bohnen und den Karfiol als Blumenkohl. An Marmeladen wird auf Südtirols Bauernmärkten eine große Auswahl angeboten; als Konfitüren werden sie auch verkauft, neuerdings sogar als Fruchtaufstrich. Zum allgemeinen besseren Verständnis werden die Schwarzbeeren als Heidelbeeren, die Marillen als Aprikosen und die Zwetschgen als Pflaumen deklariert.