Die goldene Mitte
Im Winter 2012 von Robert Prenner
„Tu deinem Leib Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen“, schreibt die heilige Theresia von Avila. Wer fastet, tut seinem Leib Gutes. In den letzten Jahren kann man in unserer Konsumgesellschaft von einer Wiederentdeckung des Fastens sprechen. Heute fasten Menschen aus unterschiedlichsten Beweggründen. Manche wollen einfach „abspecken“. In teuren Fastenkliniken lassen sie sich auf „Nulldiät“ setzen. Zeit des Verzichts oder Fastenzeit – das klingt zunächst nach reichlich unzeitgemäßer Askese. Und doch steigt die Zahl derer, die den Aschermittwoch als Stichtag nehmen, um das alltägliche Konsum- und Genussverhalten zu unterbrechen. Sie wollen während der knapp sieben Wochen bis Ostern auf etwas verzichten, das ihnen zur Gewohnheit oder sogar zum Laster geworden ist.
Es geht aber nicht nur um das Essen, sondern darum, die „goldene Mitte“ oder das rechte Maß wieder zu finden und seine Freiheit neu zu gewinnen. Ob es Fleisch ist, auf das man verzichtet, Kaffee, Nikotin, Süßigkeiten oder Alkohol…eine Zeit lang auf etwas zu verzichten, scheint wieder modern zu werden. Und das nicht unbedingt nur für gläubige Menschen. Verzicht befreit von Abhängigkeiten und schlägt Brücken zum Nächsten: Sucht und Habgier machen unglücklich und bringen die Freude zum Ersticken. So gesehen ist Verzicht eine Art Therapie gegen die heute verbreitete Konsummentalität.
Auswirkungen dieses „Fastens“ könnten sein: die Versöhnung mit dem Nächsten, Solidarität mit den Armen, Einschränkung im Gebrauch der Dinge. Bischof Wilhelm Egger hat angeregt, die Fastenzeit als „Schritt zur Einübung in einen sparsameren und liebevolleren Umgang mit der Schöpfung und in einen verantwortbaren Lebensstil“ zu verstehen. Impulse dazu könnte auch die siebenteilige Fasten-Serie liefern, die Amazonas-Bischof Erwin Kräutler für das „Kath. Sonntagsblatt“ schreibt.