Stille. Schön wär’s!
Im Frühling 2016 von Werner Axmann
Erscheint eine neue Ausgabe des „Meraner Stadtanzeiger“, lese ich oft zuerst den Beitrag unter dem Stichwort „Aufgelesen“. Dort erklärt uns jedes Mal Luis Fuchs kenntnisreich und humorvoll die Welt der Sprache. Neulich stellte er die Frage: „Wie hört sich Stille an?“ Dabei erwähnte er - angeregt durch den Südtiroler Liedermacher Doggi Dorfmann - die Stille am Berg und im Walde, die Stille des Wassers und die Stille in der Kirche. Als ich von der Stille in der Kirche las, dachte ich bei mir: Schön wär's!
Ab und zu habe ich in Bozen zu tun. Gern würde ich dort in den Dom gehen, um still zu beten. Mehrfach habe ich es versucht. Einmal fand eine Führung statt, ein anderes Mal übte jemand auf der Orgel. Dann wieder verräumte der Mesner lautstark im Altarraum. Oder ich wurde während des Betens angebettelt. Stille war jedenfalls nicht zu finden. Jetzt lasse ich es mit meinen Besuchen im Dom.
Doch auch in unserer Stadt mehren sich die Vorfälle, die es fraglich erscheinen lassen, von einer Stille in der Kirche zu sprechen. Immer häufiger höre ich vor oder während eines Gottesdienstes ein Handysignal erklingen. Fast regelmäßig sitzen vor der Messe Leute in meiner Nähe, die sich miteinander unterhalten, als ob sie in einer Bar wären. An Stille, Sammlung oder gar Gebet ist nicht zu denken. Den Tiefpunkt meiner Erlebnisse in dieser Richtung musste ich vor nicht allzu langer Zeit verkraften. Ich war rechtzeitig zur Messfeier in der Kirche erschienen. Sehr rechtzeitig. Still wollte ich mich auf den Gottesdienst einstimmen. In einer der ersten Bänke saß eine Frau allein. Ungeniert erledigte sie von ihrem Platz aus zwei Telefonate in voller Lautstärke.
Ich erinnere an den Mann aus Nazareth, der seinen Zeitgenossen vorhält: „Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein. Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht!“
Was würde er uns heute vorhalten? Ihr habt daraus einen Abstellraum gemacht! (Schauen Sie doch mal hinter einen Hochaltar.) Ihr habt daraus eine Plauderstube gemacht! (Es fehlen nur noch Kaffee und Kuchen.) Ihr habt daraus einen Konzertsaal gemacht! (Da wird die Kirche endlich mal wieder richtig voll.) Ihr habt daraus ein Museum gemacht! (Man besichtigt eine Kirche und macht Fotos, man besucht sie nicht, um in ihr zu beten.)
Dabei wären Kirchenräume durchaus geeignete und willkommene Oasen in unserem geräuschvollen, redseligen und hektischen Lebensbetrieb. Dort könnten Menschen eintauchen in eine Welt der Stille, könnten zur Ruhe und zur Besinnung kommen und zum Gebet finden. Schön wär's!