Weniger re-agieren und mehr re-flektieren
Im Herbst 2018 von Pater Benedikt Laib
Vor kurzem las ich, dass ein Sanitätswagen auf einem Radweg geparkt hatte, um ein verletztes Kind medizinisch zu versorgen. Da kam ein Radfahrer daher, ging auf die Sanitäter los und schlug auf sie ein, weil sie seinen Weg versperrt hätten. Solch aggressive Reaktionen nehmen rapide zu, und die rechtsextremen populistischen Parteien sind ein warnendes Zeichen dafür, dass viele die Mitte verloren haben. Immer mehr verhalten sich wie Tennisspieler: Jeden Ball, der auf mich zukommt, schlage ich mit aller Härte zurück. Wutbürger, gehässige, beleidigende Twitter bringen sie in Umlauf ohne überhaupt sich über die wahren Zusammenhänge informiert zu haben.
Viele, leider zu viele, sind in letzter Zeit Andere geworden.
Nach dem Ausspruch des Dichters Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, sollten wir uns heute schon fragen: Was gibt es für ein Rezept gegen Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Wut gegenüber allem, was einen stört? Nur eines: Statt flugs und gedankenlos zu re-agieren, zuerst zu re-flektieren, d.h. auf die innere Stimme zu hören. Ich bin überzeugt: Diese Überreaktionen von vielen kommen daher, dass sie innerlich leer sind. Sie haben den inneren Frieden verloren, weil sie nicht zufrieden sind. Wer kein ruhiges und friedliches Herz hat, wer mit sich selbst nicht im Reinen ist, wer sich selbst nicht mag, wie kann der den Nächsten lieben? Mehr Nachdenklichkeit ist gefragt, zufrieden sein mit dem, was man ist und hat, und dankbar für das, was einem im Leben von Gott und guten Menschen geschenkt ist. Das macht gelassener und ruhiger. Früher hat man dem, der sich geärgert hat, den Rat gegeben: „Schlaf mal eine Nacht darüber!“ Die Hetze, die Flucht vor sich selbst, brauchen unbedingt ruhige und nachdenkliche Stunden. Wie wäre es, mal eine Kirche zum Innehehalten und ruhig werden aufzusuchen und alles vertrauensvoll in Gottes Hand zu legen, was uns Angst und Sorge bereitet?